Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

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Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма

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als möglich, zu diesem letzten Mittel seine Zuflucht zu nehmen. Und er hatte Recht, denn er kam gelähmt unter der Demütigung einer abschlägigen Antwort zurück.

      Er stieß bei seiner Ankunft keine Klage aus, brachte keine Anschuldigung vor; er umarmte nur weinend seine Frau und seine Tochter, reichte Emmanuel freundschaftlich die Hand, verlangte nach Cocles und schloß sich mit diesem in sein Cabinet im zweiten Stocke ein.

      »Diesmal,« sagten die zwei Frauen zu Emmanuel, »diesmal sind wir verloren.«

      In einer kurzen Berathung, welche sie unter sich pflogen, wurde sodann beschlossen, daß Julie an ihren Bruders der in Nimes in Garnison lag, schreiben und ihn auffordern sollte, sogleich zu kommen. Die armen Frauen fühlten, daß sie aller ihrer Kräfte bedürften, um den Schlag zu ertragen, der sie bedrohte. Überdies übte Maximilian Morrel, obgleich erst zweiundzwanzig Jahre alt, doch bereits einen großen Einfluß auf seinen Vater aus.

      Es war ein fester, rechtschaffener junger Mann. Als es sich darum handelte, eine Laufbahn zu wählen, wollte ihm sein Vater nicht zum Voraus seine Zukunft bestimmen, und fragte die Geschmacksrichtung des jungen Maximilian um Rath. Dieser erklärte sich für die militärische Laufbahn, machte vortreffliche Studien und trat mittelst einer Prüfung in die polytechnische Schule ein, welche er, zum Unterlieutenant im 53sten Linien-Regiment ernannt, wieder verließ. Im Regiment bezeichnete man Maximilian Morrel als strengen Beobachter, nicht nur aller dem Soldaten auferlegten Verbindlichkeiten, sondern auch aller dem Manne obliegenden Pflichten, und man nannte ihn nur den Stoiker. Es versteht sich, daß viele von denjenigen, welche ihm diesen Beinamen gaben, denselben wiederholten, weil sie ihn gehört hatten, und nicht einmal wußten, was er bedeutete. Dies war der junge Mann, den seine Mutter und seine Schwester herbeiriefen, um sie in den ernsten Umständen, in denen sie sich befinden sollten, zu unterstützen.

      Sie täuschten sich nicht über das Mißliche ihrer Lage, denn einen Augenblick nachdem Herr Morrel mit Cocles in sein Cabinet gegangen war, sah Julie den letzteren bleich, zitternd und mit völlig verstörtem Gesichte wieder herauskommen. Sie wollte ihn fragen, als er an ihr vorüberging, doch der brave Mann lief mit einer bei ihm ungewöhnlichen Eile unaufhaltsam die Treppe hinab und rief ihr nur, die Hand zum Himmel erhebend zu:

      »Oh, mein Fräuleins welch ein furchtbares Unglück; wer hätte das je gedacht!«

      Eine Minute nachher sah ihn Julie mit ein paar dicken Handlungsbüchern, einem Portefeuille und einem Sacke Geld wieder hinaufgehen. Morrel untersuchte die Bücher, öffnete das Portefeuille und zählte das Geld. Alle baaren Mittel beliefen sich auf sechs bis achttausend Franken, die Einnahmen bis zum 5ten auf vier bis fünftausend Franken, was also im höchsten Fall einen Activstand von vierzehn tausend Franken bildete, womit einer Tratte von zweimal hundert siebenundachtzig tausend fünfhundert Franken entsprochen werden sollte. Eine solche Abschlagszahlung anzubieten, war nicht möglich.

      Als jedoch Herr Morrel zum Mittagessen herabkam, schien er ziemlich ruhig. Diese Ruhe erschreckte die zwei Frauen mehr, als es die tiefste Niedergeschlagenheit hätte tun können. Nach dem Mittagsbrote pflegte Morrel auszugehen, im Kreise der Phocäer seinen Kaffee zutrinken und den Semaphore zu lesen; an diesem Tage blieb er zu Hause und ging wieder in sein Bureau hinauf.

      Coeles schien ganz stumpfsinnig; er hielt sich einen Teil des Tages, auf einem Steine sitzend und mit bloßem Kopfe bei dreißig Graden Wärme, im Hofe auf.

      Emmanuel suchte die Frauen zu trösten; aber es mangelte ihm an Beredsamkeit. Der junge Mann war zu sehr in die Angelegenheiten des Hauses eingeweiht, um nicht zu fühlen, daß eine große Katastrophe der Familie Morrel bevorstand. Es kam die Nacht: die Frauen wachten in der Hoffnung, Morrel würde von seinem Cabinet herabgehend bei ihnen eintreten, doch sie hörten, wie er ohne Zweifel aus Furcht, man könnte ihn rufen, seine Tritte dämpfend, an ihrer Thüre vorüber schlich. Sie horchten: er kehrte in sein Zimmer zurück und schloß die Thüre von innen.

      Madame Morrel hieß ihre Tochter schlafen gehen; eine halbe Stunde, nachdem sich Julie entfernt hatte, stand sie auf, zog ihre Schuhe aus und schlüpfte in den Gang, um zu sehen, was ihr Gatte machte. Im Gang erblickte sie einen Schatten, der sich zurückzog. Sie erkannte Julie, welche selbst unruhig, ihrer Mutter zuvorgekommen war. Julie ging auf Madame Morrel zu und sagte:

      »Er schreibt.«

      Die zwei Frauen hatten sich erraten, ohne sich zu sprechen.

      Madame Morrel neigte sich zum Schlüsselloche herab. Morrel schrieb wirklich; aber was ihre Tochter nicht bemerkt hatte, das bemerkte Madame Morrel: ihr Gatte schrieb auf gestempeltes Papier. Es kam ihr der furchtbare Gedanke, er mache sein Testament; sie bebte an allen Gliedern und hatte dennoch die Kraft, nichts zusagen.

      Am andern Tage erschien Herr Morrel ganz ruhig; er hielt sich wie gewöhnlich in seinem Bureau auf, kam wie gewöhnlich zum Frühstück herab; nur ließ er nachdem Mittagsbrote seine Tochter zu sich sitzen, nahm den Kopf des Kindes in seinen Arm und hielt ihn lange an seine Brust. Am Abend sagte Julie zu ihrer Mutter, sie habe, obgleich ihr Vater scheinbar ruhig gewesen, doch sein Herz heftig schlagen gefühlt. Die zwei nächsten Tage gingen ungefähr auf dieselbe Weise hin. Am 4. September Abends forderte Herr Morrel von seiner Tochter den Schlüssel seines Cabinets zurück. Julie bebte bei dieser Forderung, welche ihr Unglück weissagend vorkam. Warum forderte ihr der Vater diesen Schlüssel ab, den, sie immer gehabt hatte, und den man ihr in ihrer Kindheit nur abnahm, wenn man sie bestrafen wollte. Sie schaute Herrn Morrel an und sagte:

      »Was habe ich denn Schlimmen getan, mein Vater daß Sie mir diesen Schlüssel wieder abnehmen?«

      »Nichts, mein Kind,« antwortete der unglückliche Morrel, dem bei dieser einfachen Frage die Tränen in die Augen traten: »nichts, ich brauche ihn nur.«

      Julie stellte sich, als suchte sie diesen Schlüssel, sprach: »Ich werde ihn in meinem Zimmer gelassen haben,« und ging hinaus, aber statt sich in ihr Zimmer zu begeben, eilte sie hinab, um Emmanuel um Rath zu fragen.

      »Geben Sie ihm den Schlüssel nicht,« sprach dieser, »und verlassen Sie ihn morgen früh, wenn es möglich ist, keinen Augenblick.«

      Sie suchte Emanuel auszuforschen, doch dieser wußte nicht mehr, oder wollte nicht mehr wissen.

      Die ganze Nacht vom 4. auf den 5. horchte Madame Morrel, ihr Ohr fester an das Täfelwerk haltend; bis drei Uhr Morgens hörte sie ihren Gatten in großer Aufregung im Zimmer umhergehen; erst um drei Uhr warf er sich auf sein Bett. Die zwei Frauen brachten die Nacht beisammen zu. Seit dem Vorhergehenden Abend erwarteten sie Maximilian. Um acht Uhr trat Herr Morrel in ihr Zimmer: er war ruhig, aber die Aufregung der Nacht zeigte sich auf seinem bleichen, verstörten Gesicht. Die Frauen es wagten nicht, ihn zu fragen, ob er gut geschlafen. Morrel war freundlicher gegen seine Frau und väterlicher gegen seine Tochter, als er es je gewesen; er konnte nicht satt werden, das arme Kind anzuschauen und zu küssen.

      Julie erinnerte sich dessen, was ihr Emmanuel zu tun empfohlen hatte, und wollte ihrem Vater folgen, als er sich entfernte; er stieß sie jedoch sanft zurück und sagte:

      »Bleib, bei Deiner Mutter.«

      Julie drang in ihn, doch er sprach:

      »Ich will es.«

      Es war das erste Mal, daß Morrel zu seiner Tochter sprach: »Ich will es.« aber er sagte dies mit einem väterlich sanften Ausdruck, daß Julie keinen Schritt zu tun wagte. Sie blieb stumm und unbeweglich an ihrem Platze stehen. Eine Minute nachher öffnete sich die Thüre, und sie fühlte zwei Arme, die sie umschlangen, und einen Mund, der sich auf ihre Stirne preßte. Sie schlug die Augen auf und stieß einen Freudenschrei aus.

      »Maximilian! mein Bruder!« rief sie.

      Bei

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