Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма страница 95
»Julie,« sagte Madame Morrel, ihrem Sohne ein Zeichen machend, »benachrichte Deinen Vater, daß Maximilian angekommen ist.«
Julie eilte hinaus, aber auf der ersten Stufe der Treppe begegnete sie einem Manne, welcher einen Brief in der Hand hielt.
»Sind Sie nicht Fräulein Julie Morrel?« fragte dieser Mann mit sehr stark italienischem Accent.
»Ja. mein Herr,« stammelte Julie; »doch was wollen Sie? Ich kenne Sie nicht.«
»Lesen Sie diesen Brief,« antwortete der Mann und reichte ihr das Billet.
Julie zögerte.
»Es handelt sich um die Wohlfahrt Ihres Vaters,« sprach der Bote.
Das Mädchen entriß das Billet seinen Händen öffnete es rasch und las:
»Begeben Sie sich sogleich in die Allées de Meillan; treten Sie in das Haus Nro. 15; verlangen Sie von dem Concierge den Schlüssel des Zimmere im 5ten Stocke: gehen Sie in dieses Zimmer, nehmen Sie von der Ecke des Kamins eine rote seidene Börse, und bringen Sie diese Börse Ihrem Vater. Es ist von großem Belang, daß er sie vor elf Uhr erhält. Sie haben mir blind zu gehorchen versprochen; ich erinnere Sie an dieses Versprechen.
Julie stieß einen Freudenschrei aus, schlug die Augen auf und suchte, um ihn zu befragen, den Mann, der ihr das Billet zugestellt hatte, aber er war verschwunden. Sie schaute dann wieder auf das Billet, um es zum zweiten Male zu lesen, und bemerkte, daß es eine Nachschrift hatte. Julie las:
»Es ist wichtig, daß Sie diese Sendung in Person und allein erfüllen; kämen Sie begleitet, oder es erschiene eine andere Person an Ihrer Stelle, so würde der Concierge antworten, er wisse nicht, was man wolle.«
Diese Nachschrift mäßigte bedeutend die Freude von Julie. Hatte sie nichts zu befürchten? war es nicht eine Falle, die man ihr stellte? Ihre Unschuld ließ sie in Unwissenheit darüber, welchen Gefahren ein Mädchen von ihrem Alter preisgegeben sein könnte. Aber man braucht die Gefahr nicht zu kennen, um sie zu fürchten, und es ist bemerkenswert, daß gerade die unbekannten Gefahren den größten Schrecken einflößen. Julie zögerte; sie beschloß, um Rath zu fragen; doch in Folge eines seltsamen Gefühlen nahm sie ihre Zuflucht weder zu ihrer Mutter noch zu ihrem Bruder, sondern zu Emmanuel.
Sie ging hinab und erzählte ihm, was ihr am Tage der Erscheinung des Bevollmächtigten von Thomson und French bei ihrem Vater begegnet war; sie teilte ihm die Szene auf der Treppe mit, wiederholte das Versprechen, das sie geleistet hatte, und zeigte ihm den Brief.
»Sie müssen den Gang machen, mein Fräulein,« sagte Emmanuel.
»Ich muß ihn machen?«
»Ja, ich begleite Sie.«
»Haben Sie denn nicht gelesen, daß ich allein sein soll?« entgegnete Julie.
»Sie werden auch allein sein; ich erwarte Sie an der Ecke der Rue du Musée, und wenn Sie so lange ausbleiben, daß es mir Unruhe bereitet, so suche ich Sie auf, und ich stehe Ihnen dafür, wehe denen, von welchen Sie mir sagen werden, Sie haben sich über sie zu beklagen!«
»Also, Emmanuel,« versetzte zögernd das junge Mädchen, »es ist also Ihre Ansicht, daß ich dieser Aufforderung Folge leisten soll?«
»Ja. Sagte Ihnen der Bote nicht, es handle sich um die Wohlfahrt Ihren Vaters?«
»Aber, Emmanuel, welche Gefahr läuft er denn?«fragte Julie.
Emmanuel zögerte einen Augenblick doch das Verlangen, sie mit einem einzigen Schlage und ohne Verzug zu bestimmen, gewann die Oberhand und er sprach:
»Hören Sie, nicht wahr, es ist heute der 5te September?«
»Ja.«
»Heute um elf Uhr soll Ihr Vater gegen dreimal hunderttausend Franken bezahlen.«
»Ja, wir wissen das.«
»Nun, er hat keine fünfzehntausend in der Kasse.«
»Was wird dann geschehen?«
»Es wird geschehen, daß Ihr Vater, wenn er heute vor elf Uhr nicht Einen gefunden hat, der ihm zu Hilfe kommt, um Mittag genötigt ist, sich zahlungsunfähig zu erklären.«
»Ah! kommen Sie,« rief Julie und zog den jungen Mann mit sich fort.
Mittlerweile hatte Madame Morrel ihrem Sohne Alles auseinandergesetzt. Der junge Mann wußte wohl daß in Folge seinem Vater hinter einander widerfahrener Unglücksfälle große Reformen in den Ausgaben des Hauses vorgenommen worden waren, aber er wußte nicht, daß sich die Sachen bis auf diesen Grad schlimm gestaltet hatten. Er blieb wie vernichtet; dann eilte er plötzlich aus dem Zimmer und stieg rasch die Treppe hinauf, denn er glaubte, sein Vater wäre in seinem Cabinet; aber er klopfte vergebens. Als er vor der Thüre des Cabinets stand, hörte er die untere Wohnung sich öffnen; er wandte sich um und sah seinen Vater. Statt gerade in sein Cabinet hinaufzugehen, war Herr Morrel in sein Zimmer gegangen, und kam jetzt erst aus diesem. Herr Morrel stieß einen Schrei der Überraschung aus, als er Maximilian erblickte: er wußte nichts von der Ankunft seines Sohnes. Der Vater blieb unbeweglich auf der Stelle und preßte mit dem linken Arme einen Gegenstand, den er unter seinem Oberrock verborgen hielt. Maximilian stieg rasch die Treppe hinab und warf sich seinem Vater um den Hals; aber plötzlich wich er zurück und ließ nur seine linke Hand auf der Brust von Morrel ruhen.
»Mein Vater,« sagte er bleich wie der Tod, »warum haben Sie ein Paar Pistolen unter Ihrem Oberrock?«
»O! das befürchtete ich,« versetzte Morrel.
»Mein Vater! mein Vater! im Namen des Himmels,« rief der junge Mann, »wozu diese Waffen?«
»Maximilian,« antwortete Morrel, seinen Sohn starr anschauend, »Du bist ein Mann, Du bist ein Mann von Ehre, komm, und ich werde es Dir sagen.«
Und mit sicherem Schritte stieg Morrel in sein Cabinet hinauf, während ihm sein Sohn wankend folgte. Morrel öffnete die Thüre und schloß sie wieder hinter seinem Sohne: dann durchschritt er das Vorzimmer, näherte sich dem Bureau, legte seine Pistolen auf die Ecke des Tisches und bezeichnete Maximilian mit der Fingerspitze ein offenes Buch. In diesem Buche war der Stand der Dinge genau eingetragen. Morrel hatte in einer halben Stunde zweimal hundert siebenundachtzig tausend fünfhundert Franken zu bezahlen und besaß im Ganzen fünfzehn tausend zweihundert siebenundfünfzig Franken.
»Lies,« sprach Morrel.
Der junge Mann las und war einen Augenblick völlig niedergeschmettert. Morrel sprach kein Wort: was hätte er dem unerbittlichen Urteile der Zahlen beifügen können?«
»Und Sie haben Alles getan, um diesem Unglück zu begegnen, mein Vater?« fragte der junge Mann.
»Sie haben auf keine Rückzahlung zu rechnen?«
»Auf keine.«
»Sie haben alle Ihre Quellen erschöpft?«
»Alle.«
»Und in einer halben Stunde ist unser Name entehrt?« fügte der Sohn mit düsterem Tone bei.
»Blut