Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
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Die Frau ging majestätisch, stolz, kalt, hoffärtig, ohne ihm eine Aufmerksamkeit zu schenken, vorbei.
So ruhig sie äußerlich zu sein schien, so mußte doch diese Frau mit den zusammengezogenen Brauen, mit der bleichen Gesichtsfarbe, mit dem pfeifenden Athem unter einer gewaltigen Nervenerregung leiden.
Sie durchschritt schräge den Saal, öffnete die Thüre der entgegengesetzt, durch welche sie erschienen war, und entfernte sich in den Corridor.
Sebastian begriff, sie würde ihm abermals entschlüpfen, wenn er sich nicht beeilte. Er schaute mit einer erschrockenen Miene, als wollte er sich der Wirklichkeit ihres Durchzugs versichern, die Thüre an, durch welche sie eingetreten, die Thüre, durch welche sie abgegangen, und stürzte auf ihrer Spur nach, ehe die Schleppe ihres seidenen Kleides an der Ecke des Corridors verschwunden war.
Doch sie, da sie Schritte hinter sich hörte, ging schneller, als hätte sie verfolgt zu werden befürchtet.
Sebastian beschleunigte seinen Lauf, so sehr er konnte; der Corridor war düster; er befürchtete, auch diesmal könnte die theure Erscheinung entfliehen.
Sie, da sie die Schritte immer näher kommen hörte, lief doppelt so rasch, während sie sich umwandte.
Sebastian gab einen schwachen Freudenschrei von sich: sie war es, immer sie.
Die Frau ihrerseits, welche einen Knaben mit ausgestreckten Armen ihr folgen sah, ohne etwas von dieser Verfolgung zu begreifen, kam oben aus eine Treppe und eilte die Stufen hinab.
Doch kaum war sie einen Stock hinabgestiegen, als Sebastian ebenfalls am Ende des Corridors erschien und: »Madame! Madame!« rief.
Diese Stimme brachte eine seltsame Empfindung im ganzen Wesen der jungen Frau hervor; es schien ihr, ein Schlag, halb schmerzlich, halb wohlthuend, habe sie im Herzen getroffen und verbreite, mit dem Blute durch die Adern laufend, einen Schauer durch ihren ganzen Körper.
Und dennoch, da sie weder den Ruf, noch die Gemüthsbewegung, welche sie erfaßte, begriff, verdoppelte sie ihre Schritte und ging vom Laufen gewisser Maßen in die Flucht über.
Doch sie hatte nicht mehr genug Vorsprung vor dem Kinde, um ihm zu entgehen.
Sie kamen beinahe miteinander unten an die Treppe.
Die junge Frau stürzte in den Hof; ein Wagen erwartete sie hier, ein Bedienter hielt den Schlag des Wagens offen.
Sie stieg rasch ein und setzte sich.
Doch ehe man den Schlag wieder geschlossen hatte, war Sebastian zwischen den Bedienten und diesen Schlag geschlüpft; er ergriff das Untertheil des Kleides der Flüchtigen, küßte es voll Leidenschaft und rief:
»Oh! Madame! oh! Madame!«
Die junge Frau schaute nun den reizenden Knaben an, der sie Anfangs erschreckt hatte, und mit einer Stimme sanfter, als sie gewöhnlich war, obgleich diese Stimme noch eine Mischung von Aufregung und Furcht beibehalten hatte, sagte sie:
»Nun! mein Freund, warum laufen Sie mir nach? warum rufen Sie mich? was wollen Sie von mir?«
»Ich will Sie sehen,« antwortete das Kind ganz keuchend, »ich will Sie küssen.«
Und leise genug, daß es nur die junge Frau hören konnte fügte er bei:
»Ich will Sie meine Mutter nennen.«
Die junge Frau stieß einen Schrei aus, nahm den Kopf des Kindes in ihre beiden Hände, zog ihn, wie durch eine plötzliche Eingebung bewogen, rasch an sich und drückte ihre glühenden Lippen aus seine Stirne.
Dann, als befürchtete sie, es könnte Jemand kommen und ihr den Knaben nehmen, den sie soeben wiedergefunden, hob sie ihn zu sich empor, bis er ganz im Wagen war, schob ihn auf die entgegengesetzte Seite, schloß selbst den Schlag, ließ das Fenster nieder, das sie sogleich wieder aufzog, und sagte:
»Zu mir, Rue Coq-Héron Nr. 9, am ersten Thorweg von der Rue Platrière aus.«
Und sie wandte sich gegen das Kind um und fragte:
»Dein Name?«
»Sebastian.«
»Ah! komm, Sebastian, komm hierher . . .hierher, an mein Herz!l«
Dann warf sie sich zurück, als wäre sie einer Ohnmacht nahe, und murmelte:
»Oh! was für eine unbekannte Empfindung ist denn das? Sollte es das sein, was man das Glück nennt?«
X
Der Pavillon von Andrée
Der Weg war nur ein zwischen der Mutter und dem Sohne ausgetauschter langer Kuß.
Der Pavillon von Andrée.
Also dieser Knabe, – ihr Herz zweifelte nicht einen Augenblick, daß er es sei, – dieser Knabe, der ihr in einer erschrecklichen Nacht, in einer Nacht der Bangigkeiten und der Schande geraubt worden war; dieser Knabe, der verschwunden war, ohne daß der Räuber eine andere Spur, als die seiner Fußstapfen im Schnee zurückließ; dieser Knabe, den sie Anfangs gehaßt, verflucht, so lange sie nicht seinen ersten Schrei gehört, sein erstes Wimmern aufgefaßt hatte; dieser Knabe, den sie gerufen, gesucht, zurückverlangt, den ihr Bruder in der Person von Gilbert bis auf den Ocean verfolgt hatte; dieser Knabe, den sie fünfzehn Jahre beklagt hatte, welchen je wiederzusehen sie verzweifelt war, an den sie nur noch dachte, wie man an einen geliebten Todten, an einen theuren Schatten denkt; dieser Knabe findet sich da, wo sie ihn am wenigsten zu treffen erwarten durfte, plötzlich durch ein Wunder wieder, durch ein Wunder erkennt er sie, läuft er ihr nach, verfolgt sie, nennt sie seine Mutter! diesen Knaben hält sie an ihrem Herzen, drückt sie an ihre Brust! ohne sie je gesehen zu haben, liebt er sie mit einer kindlichen Liebe, wie sie ihn mit einer mütterlichen Liebe liebt! ihre, von jedem Kusse reine, Lippe findet alle Freuden ihres verlorenen Lebens in dem ersten Kusse wieder, den sie ihrem Kinde gibt!
Es gab also über dem Haupte der Menschen etwas mehr als den leeren Raum, in dem die Welten rollen; es gab also im Leben der Menschen etwas Anderes, als den Zufall und das Verhängniß.
»Rue Coq-Héron, Nr. 9, am ersten Thorweg von der Rue Plattiere aus,« hatte die Gräfin von Charny gesagt.
Seltsames Zusammentreffen, das nach Verlauf von vierzehn Jahren das Kind in dasselbe Haus zurückführte, wo es geboren worden, wo es den ersten Hauch des Lebens eingeathmet hatte, und wo es von seinem Vater geraubt worden war!
Dieses kleine Haus, einst vom alten Baron von Taverney erkauft, als mit der großen Gunst, mit der die Königin seine Familie beehrte, einiger Wohlstand in die Verhältnisse des Barons wiedergekehrt war, hatte Philipp von Taverney behalten, und es wurde von einem alten Concierge bewacht, den die ehemaligen Eigenthümer mit dem Hause verkauft zu haben schienen. Es diente als Absteigequartier für den jungen Mann, wenn er von seinen Reisen zurückkam, oder für die junge Frau, wenn sie in Paris übernachtete.
Nach der letzten Scene, welche Andrée mit der Königin gehabt nach der Nacht, die sie in ihrer Nähe zugebracht, hatte Andrée beschlossen, sich von dieser Nebenbuhlerin zu entfernen, welche ihr den Gegenschlag von jedem ihrer Schmerzen zusandte, und bei der die Mißgeschicke der Königin, so groß sie waren, immer noch unter den Herzensbeklemmungen