Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма страница 25
»Lassen Sie sich sagen, ich habe zuweilen seltsame Träume, die mein Vater Sinnestäuschungen nennt.«
Bei der Erinnerung an Gilbert, welche wie eine stählerne Spitze von den Lippen des Kindes in ihr Herz eindrang, schauerte Andrée.
»Schon zwanzigmal habe ich Sie gesehen, meine Mutter.«
»Wie so?«
»In den Träumen, von denen ich so eben sprach,« Andrée dachte ihrerseits an die schrecklichen Träume, die ihr Leben bewegt hatten, an den Traum, dem ihr Kind seine Geburt verdankte.
»Stellen Sie sich vor, meine Mutter,« fuhr Sebastian fort, »wenn ich, noch ein Kind, mit den Kindern des Dorfes spielte und im Dorfe blieb, waren meine Eindrücke ganz die der andern Kleinen, und nichts erschien mir, als die wirklichen Gegenstände; doch, sobald ich das Dorf verließ, sobald ich die letzten Gärten überschritt, sobald ich den Saum des Waldes hinter mir hatte, fühlte ich etwas wie das Rauschen eines Kleides an mir vorüberziehen; ich streckte die Arme aus, um es zu fassen, doch ich faßte nur die Luft; da entfernte sich das Phantom. Aber von unsichtbar, wie es Anfangs war, wurde es allmälig sichtbar; im ersten Augenblick war es ein Dunst durchsichtig wie eine Wolke, ähnlich der, mit welcher Virgil die Mutter des Aeneas umhüllte, da sie ihrem Sohne auf der Küste von Carthago erschien; bald verdichtete sich dieser Dunst und nahm eine menschliche Gestalt an; diese menschliche Gestalt, welche die einer Frau war, glitt mehr über den Boden hin, als daß sie aus der Erde ging: da zog mich eine unbekannte, seltsame, unwiderstehliche Gewalt ihr nach. Sie drang in die dunkelsten Orte des Waldes ein, und ich verfolgte sie hier mit ausgestreckten Armen, stumm wie sie; denn obgleich ich ihr zu rufen versuchte, gelang es meiner Stimme doch nie, einen Ton zu articuliren, und ich verfolgte sie so, ohne daß sie stille stand, ohne daß ich sie einholen konnte, bis das Wunder, das mir ihre Gegenwart verkündigt hatte, mir ihren Abgang bezeichnete. Die Erscheinung verschwand allmälig, doch sie schien ebenso sehr als ich unter diesem Willen des Himmels zu leiden, der uns trennte, denn sie entfernte sich, indem sie sich nach mir umschaute, und, gelähmt vor Müdigkeit, als ob ich nur durch ihre Gegenwart aufrecht erhalten worden wäre, fiel ich an derselben Stelle, wo sie verschwunden war, nieder.«
Diese Art von zweiter Existenz von Sebastian, dieser in seinem Leben lebende Traum glich zu sehr dem, was Andrée selbst begegnet war, als daß sie sich nicht in ihrem Kinde hätte wiedererkennen sollen.
»Armes Kind,« sagte sie, indem sie ihn an ihr Herz drückte, »es war also unnütz, daß der Haß Dich von mir entfernte; Gott halte uns einander genähert, ohne daß ich es vermuthete; nur sah ich Dich, weniger glücklich als Du, weder im Traume, noch in der Wirklichkeit, und dennoch, als ich durch den grünen Salon ging, ergriff mich ein Schauer; als ich Deine Tritte hinter den meinigen hörte, zog etwas wie ein Schwindel zwischen meinem Geiste und meinem Herzen durch; als Du mich Madame nanntest, wäre ich beinahe stille gestanden; als Du mich meine Mutter nanntest, wäre ich beinahe ohnmächtig geworden; als ich Dich berührte, erkannte ich Dich.«
»Meine Mutter! meine Mutter! meine Mutter!« wiederholte Sebastian dreimal, als wollte er seine Mutter darüber trösten, daß sie so lange diesen süßen Namen nicht gehört.
»Ja, Deine Mutter!« erwiederte die junge Frau mit einem unbeschreiblichen Liebesentzücken.
»Und nun, da wir uns wiedergefunden haben,« sagte das Kind, »da Du so zufrieden und glücklich bist, mich wieder zusehen, werden wir uns nicht mehr verlassen, nicht wahr?«
Andrée bebte, sie hatte die Gegenwart im Vorüberziehen, die Augen halb über die Vergangenheit, ganz über die Zukunft schließend, ergriffen.
»Mein armes Kind, wie würde ich Dich segnen, wenn Du ein solches Wunder bewirken könntest.«
»Laß mich machen,« sagte Sebastian, »ich werde Alles dies ordnen,«
»Und wie?« fragte Andrée.
»Ich kenne die Ursachen nicht, die Dich von meinem Vater getrennt haben.«
Andrée erbleichte.
»Aber,« fuhr Sebastian fort, »so ernst und gewichtig sie auch sein mögen, sie werden verschwinden vor meinen Bitten und vor meinen Thränen, wenn es sein muß.«
Andrée schüttelte den Kopf.
»Nie! nie!« rief sie.
»Höre,« versetzte Sebastian, der nach den Worten die ihm Gilbert gesagt: »»Kind, sprich mir nie von Deiner Mutter,«« hatte glauben müssen, das Anrecht der Trennung sei auf ihrer Seite, »höre, mein Vater betet mich an.«
Die Hände von Andrée, welche die ihres Sohnes hielten, lösten sich; der Knabe schien nicht daraus zu merken und merkte vielleicht nicht daraus.
Er fuhr fort:
»Ich werde ihn vorbereiten, Dich wiederzusehen; ich werde ihm all das Glück erzählen, das Du mir gegeben Hast; dann, eines Tages, werde ich Dich bei der Hand nehmen, zu ihm führen und sagen: »»Hier ist sie! schau Vater, wie schön sie ist!««
Andrée stieß Sebastian zurück und stand auf.
Der Knabe heftete seine Augen ganz erstaunt aus sie; sie war so bleich, daß sie ihm bange machte.
»Nie!« wiederholte sie, »nie!«
Und diesmal drückte ihr Ton noch etwas mehr als den Schrecken, er drückte die Drohung aus.
Der Knabe wich aus dem Canapé zurück; er hatte in dem Gesichte dieser Frau jene erschrecklichen Linien entdeckt, welche Raphael den erzürnten Engeln gibt.
»Und warum,« fragte er mit dumpfer Stimme, »warum weigerst Du Dich, meinen Vater zu sehen?«
Bei diesen Worten brach, wie beim Zusammenstoß von zwei Wolken wahrend des Sturmes, der Blitzstrahl hervor.
»Warum?« versetzte Andrée, »Du fragst mich, warum? In der That, armes Kind, Du weißt es nicht?«
»Ja,« sagte Sebastian mit Festigkeit, »ich frage, warum?«
»Nun wohl,« erwiederte Andrée, unfähig, länger unter den Bissen der gehässigen Schlange, die ihr das Herz zernagte, an sich zu halten, »weil Dein Vater ein elender ist! weil Dein Vater ein Schändlicher ist!«
Sebastian sprang von dem Canapé auf, auf dem er saß, und stand aufrecht vor Andrée.
»Von meinem Vater sagen Sie das, Madame!« rief er, »von meinem Vater, das heißt, vom Doctor Gilbert, von demjenigen, welcher mich erzogen hat, von demjenigen, welchem ich Alles verdanke, von demjenigen, welchen ich allein kenne? Ich täuschte mich, Madame, Sie sind nicht meine Mutter!«
Der Knabe machte eine Bewegung, um nach der Thüre zu laufen.
Andrée hielt ihn zurück.
»Höre,« sagte sie, »Du kannst nicht wissen, Du kannst nicht urtheilen, Du kannst nicht begreifen.«
»Nein! aber ich kann fühlen, und ich fühle, daß ich Sie nicht mehr liebe!«
Andrée stieß einen Schmerzensschrei aus.
Doch in derselben Sekunde lenkte ein äußeres Geräusch die Gemüthsbewegung ab, die sie empfand, obgleich sich diese Gemüthsbewegung ihrer für den Augenblick ganz und gar bemächtigt hatte.
Dieses