Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма страница 26
»Warte!« sagte sie zu ihm, »warte und schweige!«
Unterjocht, gehorchte das Kind.
Andrée richtete sich auf, unbeweglich, stumm, die Augen starr aus die Thüre geheftet, bleich und kalt wie die Bildsäule der Erwartung.
»Wen werde ich der Frau Gräfin melden?« sagte die Stimme des alten Concierge.
»Melden Sie den Grafen von Charny und fragen Sie die Gräfin, ob sie mir die Ehre erweisen wolle, mich zu empfangen.«
»Oh!« rief Andrée, »in dieses Zimmer, Kind, in dieses Zimmer! er darf Dich nicht sehen, er darf nicht wissen, daß Du existirst.«
Und sie schob das erschrockene Kind in das anstoßende Zimmer.
Dann, während sie die Thüre hinter ihm schloß, sprach sie: »Bleibe hier, und wenn er weggegangen ist, werde ich Dir sagen, werde ich Dir erzählen . . .Nein! nein! nichts von Allem dem, ich werde Dich umarmen, und Du wirst einsehen, daß ich wirklich Deine Mutter bin.«
Sebastian antwortete nur durch eine Art von Seufzer.
In diesem Augenblicke öffnete sich die Thüre des Vorzimmers, und, mit seiner Mütze in der Hand, entledigte sich der alte Concierge seines Auftrags.
Hinter ihm, im Halbschatten, errieth das durchdringende Auge von Andrée eine menschliche Gestalt.
»Lassen Sie den Herrn Grafen eintreten,« sagte sie mit der festesten Stimme, die sie finden konnte.
Der alte Concierge ging rückwärts hinaus, und der Graf von Charny erschien, den Hut in der Hand, aus der Schwelle.
XI
Mann und Frau
In Trauer um seinen Bruder, der zwei Tage vorher getödtet worden, war der Graf von Charny ganz schwarz gekleidet.
Dann, da diese Trauer, wie die von Hamlet, nicht nur aus den Kleidern, sondern im Grunde des Herzens war, zeugte sein bleiches Gesicht von den Thränen, die er vergossen, und von den Schmerzen, die er erduldet.
Die Gräfin umfaßte dieses Ganze mit einem einzigen Blick. Nie sind die schönen Gesichter so schön, als nach ihren Thränen. Nie war Charny so schön gewesen.
Sie schloß einen Moment ihre Augen, warf leicht den Kopf zurück, als wollte sie ihrer Brust die Fähigkeit zu atmen geben, und drückte ihre Hand aus ihr Herz, das sie dem Brechen nahe fühlte.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, – und dies geschah ungefähr eine Secunde, nachdem sie dieselben geschlossen hatte, – stand Charny aus demselben Platze.
Der Blick und die Geberde von Andrée fragten ihn zu gleicher Zeit und so sichtbar, warum er nicht eingetreten sei, daß er ganz natürlich aus diesen Blick und diese Geberde antwortete;
»Madame, ich wartete.«
Er machte einen Schritt vorwärts.
Der Concierge trat wieder ein und sagte, zu seiner Frage durch den Bedienten des Grafen veranlaßt;
«Soll man den Wagen des Herrn Grafen fortschicken?«
Ein Blick von einem unbeschreiblichen Ausdruck sprang aus dem Augenstern des Grafen hervor und richtete sich aus Andrée, welche wie geblendet die Augen zum zweiten Mal schloß und unbeweglich, mit gehemmtem Athem, blieb, als hätte sie die Frage nicht gehört, als hätte sie den Blick nicht gesehen.
Die eine und der andere waren indessen gerade bis in ihr Herz eingedrungen.
Charny suchte an dieser ganzen Bildsäule ein Zeichen, das ihm andeutete, was er antworten sollte. Dann da der Schauer, der Andrée entschlüpfte, ebensowohl von der Furcht, daß der Graf nicht gehe, als von dem Wunsche, daß er bleibe, herrühren konnte, antwortete er:
»Sagen Sie dem Kutscher, er soll warten.«
Die Thüre schloß sich wieder, und zum ersten Male vielleicht seit ihrer Verheirathung fanden sich der Graf und die Gräfin allein beisammen.
Der Graf brach zuerst das Stillschweigen.
»Verzeihen Sie, Madame,« sagte er, »sollte meine unerwartete Anwesenheit indiscret sein? Ich stehe noch, der Wagen ist vor der Thüre, und ich gehe wieder, wie ich gekommen bin.«
»Nein, mein Herr,« antwortete Andrée lebhaft.
»Ich wußte, daß Sie gesund und unverletzt sind, bin aber darum nach den Ereignissen, welche vorgefallen, nicht minder glücklich, Sie wiederzusehen.«
»Sie haben die Güte gehabt, sich nach mir zu erkundigen?« fragte der Graf.
»Allerdings . . .gestern und heute Morgen, und man hat mir geantwortet, Sie seien in Versailles; heute Abend, und man hat mir geantwortet, Sie seien bei der Königin.«
Waren diese letzten Worte einfach ausgesprochen worden oder enthielten sie einen Vorwurf?
Der Graf selbst, da er nicht wußte, was er zu denken hatte, beschäftigte sich in seinem Innern offenbar einen Augenblick hiermit.
Doch wahrscheinlich der Folge des Gespräches die Sorge, den einen Augenblick vor seinem Geiste heruntergelassenen Schleier aufzuheben, überlassend, erwiederte er alsbald:
»Madame, eine traurige und fromme Pflicht hielt mich gestern und heute in Versailles zurück; eine andere Pflicht, die ich als heilig erachte in der Lage, in der sich die Königin befindet, hat mich sogleich bei meiner Ankunft in Paris zu Ihrer Majestät geführt.«
Nun suchte Andrée sichtbar in ihrer ganzen Wirklichkeit die Intention der letzten Worte des Grafen aufzufassen.
Dann erwiederte sie, da sie dachte, sie sei besonders den ersten eine Antwort schuldig:
»Ja, mein Herr. Ach! ich habe den entsetzlichen Verlust erfahren, den . . .«
Sie zögerte einen Augenblick.
»Den Sie erlitten haben.«
Andrée war aus dem Punkte zu sagen, den wir erlitten haben. Doch sie wagte es nicht und fuhr fort:
»Sie haben das Unglück gehabt, Ihren Bruder, den Baron George von Charny zu verlieren.«
Man hätte glauben sollen, Charny erwarte im Vorüberziehen die zwei Worte, welche wir unterstrichen haben, denn er bebte in dem Augenblick, wo jedes derselben ausgesprochen wurde.
»Ja, Madame,« antwortete er, »es ist, wie Sie sagen, für mich ein entsetzlicher Verlust, der Verlust dieses jungen Mannes, – ein Verlust, den Sie zum Glück nicht schätzen können, da Sie den armen George so wenig gekannt haben.«
Es lag ein sanfter, schwermüthiger Vorwurf in den Worten: zum Glück.
Andrée begriff ihn, doch kein äußeres Zeichen offenbarte, daß sie darauf gemerkt hatte.
»Eines würde mich indessen über diesen Verlust trösten, wenn ich getröstet werden könnte,« fügte Charny bei: »daß der