Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
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»Thun Sie das, Herr Präfect,« sagte Madame de La Myre, »ich kann Ihren Diensteifer nur loben und Ihnen versprechen, daß ich mich dessen bei vorkommender Gelegenheit erinnern werde.«
Sie reichte dem Präfecten die Hand, die dieser mit galantem Anstande küßte, nachdem er durch einen fragenden Blick die Erlaubniß des Herrn de La Myre dazu eingeholt hatte.
XIV.
Petit-Pierre
Einen Tag nach diesen Ereignissen finden wir Bertha und Michel vor dem Schmerzenslager des armen Tinguy wieder. Obgleich die von dem Doctor Roger zugesagten Besuche die Anwesenheit des Fräuleins in der verpesteten Krankenstube ganz überflüssig machten, so wollte Mary doch, trotz der Gegenvorstellungen ihrer Schwester, den Vendéer fortwährend besuchen.
Die christliche Barmherzigkeit war vielleicht nicht die einzige Triebfeder, welche sie in die Hütte des Landmannes brachte. Wenn sie kam, war Michel schon da; seine Furcht vor der Seuche war verschwunden.
Ob er wohl Bertha zu finden glaubte? Wir möchten es nicht mit Bestimmtheit behaupten; vielleicht dachte er, daß die Reihe an Mary komme. Vielleicht hoffte er auch, Mary werde diese Gelegenheit, sich ihm zu nähern, nicht unbenutzt lassen, und sein Herz pochte ungestüm, wenn er eine in der Dunkelheit noch nicht erkennbare anmuthige Gestalt in der Thür erblickte.
Er fühlte sich etwas enttäuscht, als er Bertha erkannte. Aber Michel war dem Marquis von Souday herzlich gut, er fand sogar Vergnügen an der Geschicklichkeit des mürrischen Jean Oullier und war freundlich gegen die Hunde des alten Landedelmannes: wie hätte ihm also Marys Schwester gleichgültig seyn können!
Die Zuneigung der Letzteren mußte ihn ja der Ersteren näher bringen, und es war für ihn eine Freude, von der Abwesenden sprechen zu hören.
Er war daher sehr aufmerksam und zuvorkommend gegen Bertha, und diese antwortete ihm mit ungeheuchelter Freundlichkeit.
Leider war es schwer, sich mit anderen Dingen als mit dem Kranken zu beschäftigen Tinguy’s Zustand verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde. Er war in einem Zustande der Erstarrung und Bewußtlosigkeit, welcher in entzündlichen Krankheiten ein Vorbote des Todes ist. Er sah nicht mehr, was um ihn vorging, er antwortete nicht mehr, wenn man ihn anredete, seine sehr ausgedehnte Pupille war starr und unbeweglich; nur von Zeit zu Zeit bewegten sich seine Hände, als ob er eingebildete Gegenstände die er auf seinem Bett zu bemerken glaubte, an sich ziehen wollte.
Bertha, die ungeachtet ihrer Jugend schon mehr als einer Sterbescene beigewohnt hatte, konnte sich über den Zustand des Kranken nicht mehr täuschen; sie wollte der armen Rosine den Anblick des Todeskampfes ersparen und schickte sie zu dem Doctor Roger.
»Ich könnte ja den Arzt holen,« sagte Michel, »ich kann schneller gehen als Rosine, und überdies ist es für ein Mädchen nicht gerathen, so spät Abends über Feld zu gehen.»
»Nein,« erwiderte Bertha, »Rosine setzt sich keiner Gefahr aus, und ich habe meine Gründe, Sie hier zu behalten. Ist es Ihnen denn unangenehm?«
»Wie können Sie das denken, mein Fräulein, es macht, mir so große Freude, Ihnen nützlich seyn zu können, daß ich keine Gelegenheit dazu unbenutzt lassen mag.«
»Diese Gelegenheit wird sich wahrscheinlich sehr bald finden,« erwiderte Bertha, »ich werde wohl mehr als einmal Ihre Ergebenheit auf die Probe zu stellen haben.«
Als Rosine kaum zehn Minuten fort war, schien sich der Zustand des Kranken plötzlich auffallend zu bessern: seine Augen verloren den starren Blick, das Athmen wurde leichter, die krampfhaft zusammengezogenen Finger thaten sich auf und er wischte sich wiederholt den Schweiß von der Stirn.
»Wie befindet Ihr Euch, Vater Tinguy?« fragte Bertha den Kranken.
»Besser,« antwortete er mit matter Stimme. »Der liebe Gott wird doch nicht zugeben, daß ich vor der Schlacht desertire?« setzte er hinzu und versuchte zu lächeln.
»Vielleicht, Ihr werdet ja auch für ihn kämpfen.«
Der Kranke schüttelte den Kopf und seufzte.
»Herr Baron,« sagte Bertha und zog Michel in einen Winkel der Stube, so dass sie von dein Kranken nicht gehört werden konnte, »eilen Sie zu dem Pfarrer und wecken Sie die Nachbarn.«
»Er sagt ja, daß er sich besser befinde,« entgegnete Michel.
»Hatten Sie denn nie eine Lampe erlöschen gesehen?« erwiderte Bertha. »Das letzte Licht flackert immer hell auf, und so ist es auch mit dem menschlichen Körper. Eilen Sie, es wird kein Todeskampf eintreten, das Fieber hat die Kräfte, des Unglücklichen erschöpft, die Seele wird ohne Schmerz und ohne Kampf ihre Hülle verlassen.«
»Und Sie wollen allein bei ihm bleiben?«
»Eilen Sie und kümmern Sie sich nicht um mich.«
Michel entfernte sich und Bertha trat auf das Bett zu.
Tinguy reichte ihr die Hand.
»Ich danke Ihnen, mein gutes Fräulein,« sagte er.
»Wofür denn, lieber Tinguy?«
»Zuerst für Ihre Pflege, und dann – daß Sie den Pfarrer kommen lassen.«
»Habt Ihrs denn gehört?«
Tinguy lächelte.
»Ja,« antwortete er, »obschon Sie sehr leise sprachen.«
»Aber Ihr müßt deshalb nicht glauben, daß Ihr bald sterben werdet, lieber Tinguy. Fürchtet Euch nicht!«
»Warum soll ich mich denn fürchten?« sagte der Bauer, indem er einen Versuch machte, sich aufzurichten, »ich habe ja die Alten geehrt und die Kleinen geliebt; ich habe ohne Murren gelitten, ohne Klagen gearbeitet; ich habe Gott gepriesen, wenn der Hagel meinen kleinen Acker verwüstete oder wenn die Ernte fehlschlug. Nie habe ich den Armen von meiner Thür fortgewiesen. Ich habe die Gebote Gottes und der Kirche gehalten. Wenn unsere Priester sagten: Erhebet Euch und nehmet eure Gewehre, so habe ich gegen dir Feinde meines Glaubens und meines Königs gekämpft; ich bin demüthig im Siege, vertrauensvoll im Unglück geblieben; ich war stets bereit, für diese heilige Sache mein Leben zu lassen. – Und ich sollte mich fürchten! O nein, mein Fräulein; der Todestag ist für uns arme Christen der Glückstag. Ich bin ein unwissender Mann, aber ich weiß, dass dieser Tag uns mit den Großen und Glücklichen der Erde gleich macht. Wenn dieser Tag für mich kommt, wenn Gott mich zu sich ruft, so bin ich bereit und werde voll Hoffnung auf seine Barmherzigkeit vor seinem Richterstuhl erscheinen.«
Das Gesicht Tinguy’s hatte bei diesen Worten einen sehr lebhaften Ausdruck angenommen, aber die letzte religiöse Begeisterung des armen Bauers erschöpfte vollends seine, Kräfte.
Er sank auf sein Lager zurück und stammelte nur noch einige unverständliche Worte.
Der Pfarrer erschien. Bertha zeigte ihm den Kranken und der Geistliche, der sogleich verstand, was von ihm erwartet wurde, begann das Gebet für die Sterbenden.
Michel bat Bertha dringend sich zu entfernen, und Beide verließen die Hütte, nachdem sie vor dem Bett des armen Tinguy noch einmal gebetet hatten.
Die Nachbarn