Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
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Читать онлайн книгу Die Zwillingsschwestern von Machecoul - Александр Дюма страница 44
Der Soldat zuckte die Achseln; aber er glaubte dem Gefangenen doch seine Bitte, deren Erfüllung vielleicht großen Nutzen bringen konnte, nicht verweigern zu dürfen.
Die Truppe wandte sich rechts, um einen seitwärts führenden Hohlweg einzuschlagen. Der General hielt sein Pferd an und sah seine Soldaten vorbeimarschiren, um sich zu überzeugen, ob alle von ihm angeordneten Vorkehrungen getroffen wären. Er bemerkte, daß Jean Oullier mit seinem Nachbar sprach und sah die Bewegung des Soldaten.
»Warum erlaubst Du den Verkehr des Gefangenen mit den Vorübergehenden?« fragte er den Reiter.
Dieser erzählte dem General was vorgegangen war.
»Halt!« befahl der General, »durchsucht die Bettlerin.«
Der Befehl wurde sogleich vollzogen, aber man fand bei der Alten nur einige Geldstücke, die der General mit der größten Aufmerksamkeit betrachtete.
Es fand sich nichts Verdächtiges; aber er steckte doch die kleine Münze in die Tasche und gab der Alten dafür ein Fünffrankenstück.
Jean Oullier sah dem General mit höhnischem Lächeln zu.
»Ihr sehet, Mütterchen,« sagte er so laut, daß ihn die Bettlerin verstehen konnte: »das geringe Almosen des Gefangenen, – dieses Wort betonte er – wird Euch Glück bringen. Ihr werdet mich daher in eurem Gebete nicht vergessen.«
»Höret, Freund,« sagte der General zu dem Gefangenen, als sich die Colonne wieder in Bewegung gesetzt hatte, »künftig habt Ihr Euch an mich zu wenden, wenn Ihr Almosen geben wollt; ich werde Euch dem Gebete der beschenkten Leute empfehlen, meine Fürsprache wird Euch dort oben nicht schaden und kann Euch hienieden viel Verdruß ersparen. – Und Ihr,« rief er den Reitern zu, »vergesst künftig meine Befehle nicht; Ihr würdet Ursache haben es zu bereuen.«
Zu Vieille-Vigne wurde eine Viertelstunde Halt gemacht, um die Infanteristen ausruhen zu lassen.
Der Vendéer wurde mitten in das Carré genommen, um jeden Verkehr mit der sich herandrängenden Bevölkerung zu verhüten.
Das Pferd, welches den Gefangenen trug, hatte ein Hufeisen verloren, und vermochte seine doppelte Last kaum noch zu tragen; der General befahl daher, Jean Oullier auf das stärkste Pferd der Escorte zu setzen.
Dieses Pferd gehörte einem Reiter der Vorhut, der ungeachtet der Gefahr, die er als verlorener Posten lief, den Posten seines Cameraden sehr ungern einzunehmen schien.
Dieser Reiter war ein kleiner, kräftiger, breitschulteriger Mann, der sich durch Sanftmuth und Bescheidenheit von den meisten seiner Cameraden vortheilhaft unterschied.
Während der Vorkehrungen zu diesem Wechsel war es völlig Nacht geworden, und beim Licht der herbeigebrachten Laterne sah Jean Oullier das Gesicht des Reiters, auf dessen Pferde er weiter reiten sollte. Die Blicke der beiden neuen Reisegefährten begegneten sich, und der Gefangene bemerkte, daß der Cavallerist erröthete.
Die kleine Truppe marschirte mit verdoppelter Vorsicht weiter, denn die Gegend wurde immer waldiger und folglich zu einem Angriff geeigneter.
Die Lustigkeit der Soldaten wurde weder durch die drohende Gefahr noch durch den ermüdenden Marsch auf den schlechten Wegen getrübt. Nach kurzem Stillschweigen, welches bei dem Beginne eines Nachtmarsches einzutreten pflegt, plauderten sie wieder mit der den Franzosen eigenen Sorglosigkeit.
Nur der Husar, auf dessen Pferde Jean Oullier mit saß, blieb auffallend traurig und verstimmt.
»Sacredié! Thomas.« sagte sein rechts reitender Camerad zu ihm, »Du bist gewöhnlich nicht sehr lustig, aber heute siehst Du aus, als ob Du den Teufel zu Grabe trügest.«
»Ja wohl,« sagte der Husar zur Linken, »wenn er den Teufel nicht zu Grabe trägt, so muß er ihn hinter sich haben.«
»Du mußt Dir denken, Thomas, Du hättest eine hübsche Dirne auf der Croupe; kneipe sie in die Waden.«
»Der Tausendsasa wird schon wissen, wie man’s anfängt: bei ihm zu Lande ist es Sitte, ein Mädchen mit auf‘s Pferd zu nehmen.«
»Das ist wahr, sagte der erste Husar, »weißt Du wohl, Thomas, daß Du ein halber Chouan bist?«
»Sage lieber, daß er ein ganzer Chouan ist; er geht ja jeden Sonntag in die Messe.«
Der Husar, welcher die Zielscheibe dieser Spöttereien war, hatte nicht Zeit zu antworten. Der General befahl, hinter einander in einer Reihe zu marschieren, denn der Weg war so schmal, und die Böschung an beiden Seiten so nahe zusammen gekommen, daß zwei Husaren nicht mehr neben einander reiten konnten.
Während der kurzen Verwirrung, welche durch dieses Manöver entstand, begann Jean Oullier leise ein Bretagnerlied zu pfeifen.
Der Reiter erschrak, als er diese Melodie hörte.
Jean Oullier, der von dem hinter ihm reitenden Husaren in der Dunkelheit nicht so scharf beobachtet werden konnte, flüsterte dem schweigsamen Reiter in’s Ohr:
»Ich habe Dich wohl erkannt, Thomas Tinguy, eben so wie Du mich auf den ersten Blick erkannt hast.«
Der Husar seufzte und zuckte die Achseln, als ob er andeuten wollte, daß er gegen seinen Willen handle. Aber er antwortete noch nicht.«
»Thomas Tinguy,« setzte der Gefangene hinzu, »weißt Du, wohin Du den alten Freund deines Vaters führst? Zur Plünderung und Verwüstung des Schlosses Souday, dessen Besitzer von jeher die Wohlthäter deiner Familie waren.«
Thomas Tinguy seufzte wieder.
»Dein Vater ist todt,« fuhr Jean Oullier fort.
Thomas antwortete nicht, nur ein leises Wörtchen entschlüpfte seinen Lippen.
»Todt!«
»Ja, todt!« flüsterte der Waldhüter. »Und wer wachte an seinem Lager mit deiner Schwester Rosine, als der Alte seinen Geist aufgab? Die beiden Fräulein von Souday, Bertha und Mary. Du kennst sie ja. Und sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, denn dein Vater ist an einem gefährlichen Fieber gestorben. Sie haben, zwei Engeln gleich, seine letzten Stunden versüßt, da sie sein Leben nicht verlängern konnten. Deine Schwester war ganz verlassen; wo ist sie jetzt? Im Schlosse Souday. Ach! Thomas, ich will lieber der arme Jean Oullier seyn, der vielleicht bald erschossen wird, als der, welcher ihn gebunden zum Tode führt!«
»Schweig, Jean,« sagte Thomas Tinguy mit bebender Stimme, »wir sind noch nicht zur Stelle – wir werden sehen.«
Während dieses leisen Gespräches zwischen dem Husaren und dem Gefangenen führte der Hohlweg, durch welchen die kleine Truppe marschirte, steil bergab zu einer Furt in der Boulogne.
Die Nacht war sehr finster, kein Stern glänzte am Himmel. Diese Finsterniß konnte dem Gelingen des Unternehmens sehr förderlich seyn, aber auch die kleine Truppe auf den wilden unbekannten Wegen in große Gefahr bringen.
Am Ufer des Flusses fand man die beiden Husaren der Vorhut, welche unschlüssig und besorgt warteten.
Sie hatten wirklich Ursache, besorgt zu seyn. Denn statt eines über Kiesel rauschenden klaren Wassers, wie man es gemeiniglich an den Furten findet, sahen sie vor sich eine dunkle, träge, zwischen den Felsenufern sich fortwälzende Flut.