Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
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Er war ohne Zweifel im Begriff, dasselbe bei Nicole zu thun, als die Augen des Barons, zum ersten Male ohne Zweifel, auf die Hände der jungen Kammerfrau fielen.
Der Baron betete die schönen Hände an, für schöne Hände hatte er alle seine Jugendthorheiten begangen.
»Sieh da,« sagte er, »was für schöne Finger hat diese Weibsperson! wie der Nagel sich zuspitzt! wie er sich auf die Haut zurückbiegen würde, was eine Hauptschönheit ist, wenn das Holz, das man spaltet, wenn die Flaschen, die man schwenkt, wenn die Pfannen, die man scheuert, nicht das Horn furchtbar abnutzen würden! denn es ist Horn, was Sie am Ende Ihrer Finger haben, Mademoiselle Nicole.«
Wenig an die Complimente des Barons gewöhnt, schaute ihn Nicole mit einem Halblächeln an, an welchem das Erstaunen mehr Antheil hatte, als der Stolz.
»Ja, ja,« sagte der Baron, als er bemerkte, was in dem Herzen des gefallsüchtigen Mädchens vorging. »Schlage immerhin das Rad; das ist ganz nach meiner Ansicht. Oh! ich sage Ihnen, mein lieber Gast, die hier gegenwärtige Mademoiselle Nicole Legay ist durchaus keine Prude wie ihre Gebieterin, und ein Compliment macht ihr nicht bange.«
Die Augen von Balsamo wandten sich rasch der Tochter des Barons zu, und er sah die erhabenste Verachtung auf dem schönen Antlitz von Andrée ausgeprägt. Da fand er es für angemessen, sein Gesicht mit dem der Stolzen in Einklang zu setzen; diese bemerkte es und wußte ihm ohne Zweifel Dank dafür, denn sie schaute ihn mit weniger Härte, oder vielmehr mit weniger Unruhe an, als sie es bis dahin gethan.
»Sollten Sie wohl glauben, mein Herr,« fuhr der Baron fort, während er mit dem Rücken seiner Hand das Kinn von Nicole streichelte, welche er diesen Abend reizend zu finden entschlossen schien, »sollten Sie wohl glauben, daß diese Dirne aus dem Kloster kommt wie meine Tochter und beinahe Erziehung erhalten hat? Mademoiselle Nicole verläßt auch ihre Gebieterin nicht einen Augenblick. Es ist eine Anhänglichkeit, die bei den Herren Philosophen, welche behaupten, dergleichen Dinge haben Seelen, ein Lächeln hervorrufen würde.«
»Mein Herr.« sprach Andrée unzufrieden, »es geschieht nicht aus Anhänglichkeit, daß mich Nicole nicht verläßt, sondern weil ich ihr befehle, mich nicht zu verlassen.«
Balsamo schlug seine Augen zu Nicole auf, um zu erforschen, welche Wirkung diese Worte ihrer bis zur Beleidigung stolzen Gebieterin auf sie hervorbrächten, und er sah an dem Zusammenziehen ihrer Lippen, daß sie durchaus nicht unempfindlich gegen die Demüthigungen war, welche aus ihrem Dienstbotenverhältniß hervorgingen.
Dieser Ausdruck zog indessen wie ein Blitz über das Antlitz der Zofe hin, sie wandte sich ab, ohne Zweifel, um eine Thräne zu verbergen, und ihre Augen richteten sich nach einem Fenster des Speisesaals, das gegen den Hof ging. Alles interessirte Balsamo, der seinerseits unter diesen Personen, in deren Mitte er eingeführt worden war, etwas zu suchen schien; Alles interessirte Balsamo, sagen wir; sein Blick folgte dem Blicke von Nicole und es kam ihm vor, als bemerkte er an dem Fenster, das der Gegenstand der Aufmerksamkeiten von Nicole war, ein männliches Gesicht.
»In der That,« dachte er, »Alles ist seltsam in diesem Hause, Jedes hat sein Geheimniß, und ich hoffe, ehe eine Stunde vergeht, das von Fräulein Andrée zu kennen. Ich kenne bereits das Geheimniß des Barons und errathe das von Nicole.«
Er hatte einen Augenblick der Abwesenheit, doch so kurz dieser Augenblick war, so entging es doch dem Baron nicht.
»Sie träumen auch,« sagte er, »Sie sollten wenigstens die Nacht hiezu abwarten, mein lieber Gast. Die Träumerei ist ansteckend, und es ist eine Krankheit, die sich hier erbt, wie mir scheint. Wir wollen die Träumer zählen. Wir haben zuerst Fräulein Andrée, welche träumt, sodann haben wir Mademoiselle Nicole, welche träumt; endlich sehe ich jeden Augenblick den Taugenichts träumen, der diese jungen Feldhühner geschossen hat, welche vielleicht ebenfalls träumten, als er sie schoß.«
»Gilbert?« fragte Balsamo.
»Ja! ein Philosoph wie Herr La Brie; doch was die Philosophen betrifft, gehören Sie zufällig zu Ihren Freunden? Oh! dann sage ich Ihnen, daß Sie nicht zu den meinigen gehören werden . . .«
»Nein, mein Herr, ich stehe weder gut, noch schlecht mit ihnen; ich kenne keinen,« antwortete Balsamo.
»Bei Gott, desto besser! es sind gemeine Thiere, noch viel giftiger, als häßlich! Sie richten die Monarchie mit ihren Maximen zu Grunde! Man lacht nicht mehr in Frankreich, man liest, und was liest man? Phrasen wie diese: Unter einer monarchischen Regierung ist es sehr schwierig für das Volk, tugendhaft zu sein;3 oder auch: Die wahre Monarchie ist nur eine eingebildete Constitution, um die Sitten der Völker zu verderben und diese in Knechtschaft zu erhalten;4 oder endlich: Wenn die Gewalt der Könige von Gott kommt, so ist es wie bei den Krankheiten und Geisseln des Menschengeschlechts.5 Wie das Alles ergötzlich ist! ein tugendhaftes Volk! wozu sollte das nützen? frage ich Sie. Ah! Alles geht schlimm, und zwar seitdem Seine Majestät mit Herrn von Voltaire gesprochen und die Bücher von Herrn Diderot gelesen hat.«
In diesem Augenblick glaubte Balsamo abermals das bleiche Gesicht hinter den Scheiben erscheinen zu sehen. Doch dieses Gesicht verschwand, sobald er seine Augen auf dasselbe heftete.
»Sollte das Fräulein Philosophin sein?« fragte Balsamo lächelnd.
»Ich weiß nicht, was Philosophie ist,« antwortete Andrée. »Ich weiß nur, daß ich das liebe, was ernst ist.«
»Ei! mein Fräulein, nichts ist meiner Ansicht nach ernster, als gut zu leben,« rief der Baron; »lieben Sie also dieses.«
»Aber mir scheint, das Fräulein haßt das Leben nicht?« fragte Balsamo.
»Je nachdem, mein Herr,« erwiederte Andrée.
»Das ist auch ein albernes Wort,« sprach der Baron. »Sollten Sie wohl glauben, mein Herr, daß diese Antwort mir schon Buchstabe für Buchstabe von meinem Sohn zu Theil geworden ist?«
»Sie haben einen Sohn, mein lieber Wirth?« fragte Balsamo.
»Oh! mein Gott, ja, ich habe dieses Unglück, einen Vicomte von Taverney, Lieutenant bei den Dauphin-Gendarmen, ein vortreffliches Subject! . . .«
Während der Baron diese drei letzten Worte sprach, preßte er die Zähne zusammen, als wollte er jeden Buchstaben kauen.
»Ich wünsche Ihnen Glück, mein Herr,« sagte Balsamo sich verbeugend.
»Ja,« erwiederte der Greis, »auch ein Philosoph. Man kann bei meinem Ehrenwort nur die Achsel zucken. Sprach er mir nicht eines Tages von Befreiung der Neger? ,Und der Zucker?’ fragte ich, ,ich liebe meinen Kaffee stark gezuckert und der König Ludwig XV. Ebenfalls.’ ,Mein Herr,’ antwortete er mir, ,eher den Zucker entbehren, als eine Race leiden sehen . . .’ ,Eine Race von Affen,’ rief ich; und damit that ich ihm noch viel Ehre an. Wissen Sie, was er behauptete? So wahr ich ein Edelmann bin, es muß Etwas in der Luft sein, das ihnen den Kopf verdreht; er antwortete mir, alle Menschen seien Brüder! Ich der Bruder eines Mozambique!’ «
»Oh! Oh!« rief Balsamo, »das heiße ich weit gehen.«
»Wie! was meinen Sie dazu? Nicht wahr, ich habe Glück mit meinen zwei Kindern, und man wird nicht sagen, ich lebe in meiner Nachkommenschaft wieder auf. Die Schwester ist ein Engel und der Bruder ein Apostel! Trinken Sie, mein Herr . . . mein Wein ist abscheulich.«
»Ich finde ihn ausgezeichnet,«
3
Montesquieu.
4
Helvetius.
5
Jean Jacques Rousseau.