Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма

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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1 - Александр Дюма

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von meiner Tochter halten. Doch nein, die Philosophen haben keine Religion. Mein Gott! es war indessen sehr bequem, Religion zu haben. Man glaubte an Gott und an den König, und damit war Alles abgemacht. Heut zu Tage muß man, um weder an den Einen, noch an den Andern zu glauben, zu viele Dinge lernen und zu viele Bücher lesen: ich will lieber niemals zweifeln. Zu meiner Zeit lernte man wenigstens nur angenehme Dinge; man studirte gut Pharo, Biribi oder Passe-dir spielen; man zog ganz angenehm den Degen, trotz der Edicte; man richtete Herzoginnen zu Grunde, oder ruinirte sich für Tänzerinnen: das ist meine Geschichte. Ganz Taverney ist für die Oper aufgegangen, und das ist das Einzige, was ich beklage, insofern ein ruinirter Mensch kein Mensch ist. So wie Sie mich sehen, scheine ich alt zu sein, nicht wahr? Nun! das kommt davon her, daß ich ruinirt bin und in einer Höhle lebe; daß meine Perrücke abgetragen und mein Kleid gothisch ist; doch sehen Sie meinen Freund, den Marschall, an, der neue Kleider und frisch tapirte Perrücken besitzt, der in Paris wohnt und zweimal hunderttausend Livres Rente hat. Er ist noch jung, er ist noch grün, munter, zu Abenteuern geneigt! Zehn Jahre älter als ich, zehn Jahre!«

      »Sprechen Sie von Herrn von Richelieu?«

      »Allerdings.«

      »Vom Herzog?«

      »Bei Gott! ich denke, nicht vom Cardinal, ich datire nicht bis zu ihm zurück. Uebrigens hat er nicht gethan, was sein Neffe thut; er hat nicht so lange ausgehalten.«

      »Ich wundere mich, mein Herr, daß Sie bei so mächtigen Freunden, wie Sie zu besitzen scheinen, den Hof verließen.«

      »Oh! das ist nur ein augenblicklicher Rückzug, und ich werde eines Tages wieder an demselben erscheinen,« sprach der alte Baron, einen seltsamen Blick auf seine Tochter werfend.

      Dieser Blick wurde auf dem Wege von Balsamo aufgefangen.

      »Doch der Marschall läßt wenigstens Ihren Sohn avanciren?«

      »Er, meinen Sohn! er haßt ihn.«

      »Den Sohn seines Freundes?«

      »Und er hat Recht.«

      »Wie! Sie sagen das?«

      »Bei Gott! einen Philosophen! er verabscheut ihn!«

      »Philipp gibt es ihm übrigens zurück,« sagte Andrée mit vollkommener Ruhe. »Trage ab, Legay!«

      Der aufmerksamen Beobachtung entrissen, welche sie an das Fenster fesselte, lief Nicole eiligst herbei.

      »Ah!« sagte der Baron seufzend, »früher blieb man bis zwei Uhr Morgens bei Tische sitzen. Das geschah, weil man zu essen hatte und weil man noch trank, wenn man nicht mehr aß! Doch wie soll man Treberwein trinken, wenn man nicht mehr ißt?  . . . Legay, gib eine Flasche Marasquin, wenn noch da ist.«

      »Hole,« sprach Andrée zu Legay, welche auf die Befehle ihrer Gebieterin zu warten schien, um denen des Barons zu gehorchen.

      Der Baron hatte sich in seinem Lehnstuhle zurückgelegt und stieß mit einer grotesken Schwermuth Seufzer aus.

      »Sie sprachen vom Marschall von Richelieu,« sagte Balsamo, wie es schien, entschlossen, das Gespräch nicht fallen zu lassen.

      »Ja,« erwiederte Taverney, »ich sprach von ihm, das ist wahr.«

      »Wenn er Ihren Sohn verabscheut, und Recht hat, ihn zu verabscheuen, weil er ein Philosoph ist,« fuhr Balsamo fort, »so mußte er seine Freundschaft für Sie bewahren, denn Sie sind keiner.«

      »Ein Philosoph? Gott sei Dank, nein!«

      »Ich denke, es fehlt Ihnen nicht an Titeln? Sie haben dem König gedient?«

      »Fünfzehn Jahre. Ich war Adjutant des Marschalls, wir machten mit einander die Campagne von Mahon und unsere Freundschaft datirt sich, meiner Treue! warten Sie, von der berühmten Belagerung von Philippsburg, nämlich von 1742 oder 1743.«

      »Ah! sehr gut,« sprach Balsamo, »Sie waren bei der Belagerung von Philippsburg  . . . und ich auch  . . .«

      Der Greis richtete sich in seinem Lehnstuhle auf, schaute Balsamo mit weit aufgesperrten Augen in das Gesicht, und rief:

      »Verzeihen Sie, wie alt sind Sie denn, mein lieber Gast?«

      »Oh! ich habe kein Alter.« sprach Balsamo und bot sein Glas, damit ihm der Marasquin von der schönen Hand von Andrée eingeschenkt würde.

      Der Graf legte die Antwort seines Gastes auf seine Weise aus und glaubte, Balsamo hätte eine Ursache, sein Alter nicht zu gestehen.

      »Mein Herr,« sagte er, »erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß Sie nicht das Alter eines Soldaten von Philippsburg zu haben scheinen. Es sind acht und zwanzig Jahre seit dieser Belagerung und Sie zählen höchstens dreißig, wenn ich mich nicht täusche.«

      »Ei, mein Gott! wer zählt nicht dreißig Jahre?« sagte der Reisende mit gleichgültigem Tone.

      »Ich, bei Gott!« rief der Baron, »denn ich bin gerade um dreißig Jahre älter.«

      Andrée schaute den Fremden mit einer Starrheit an, welche die unwiderstehliche Anziehungskraft der Neugierde kundgab. Dieser seltsame Mensch offenbarte sich ihr in der That jeden Augenblick unter einem neuen Lichte.

      »Mein Herr, Sie bringen mich in Verwirrung,« sagte der Baron, »vorausgesetzt wenigstens, daß Sie sich nicht täuschen, was wohl möglich ist, und Philippsburg mit einer andern Stadt verwechseln. Wie ich Sie sehe, sind Sie höchstens dreißig Jahre alt, nicht wahr, Andrée?«

      »In der That,« antwortete diese, welche abermals den mächtigen Blick ihres Gastes auszuhalten suchte, was ihr auch diesmal nicht gelang.

      »Nein, nein,« sprach der Letztere, »ich weiß, was ich sage, und sage, wie es sich verhält. Ich rede von der berühmten Belagerung von Philippsburg, wo der Herr Herzog von Richelieu im Duell seinen Vetter, den Prinzen von Liren, getödtet hat. Es geschah bei der Rückkehr vom Laufgraben, auf der Landstraße; meiner Treue, am Rande dieser Straße, linker Hand, stieß er ihm seinen Degen durch den Leib. Ich ging gerade vorüber, als ihn der Prinz von Zweibrücken im Todeskampfe in seinen Armen hielt. Er saß am Rande des Grabens, während Herr von Richelieu ruhig seinen Degen abwischte.«

      »Mein Herr, Sie setzen mich bei meiner Ehre im höchsten Maaße in Erstaunen,« rief der Baron. »Es geschah genau, wie Sie sagen.«

      »Sie hörten wohl die Sache erzählen?« fragte Balsamo ruhig.

      »Ich war dabei, ich hatte die Ehre als Zeuge des Herrn Marschalls, der damals noch nicht Marschall war, dem Duell beizuwohnen.«

      »Warten Sie doch einen Augenblick,« sprach Balsamo, den Baron fest anschauend.

      »Was?«

      »Trugen Sie damals nicht die Uniform eines Kapitäns?«

      »Ganz richtig.«

      »Sie waren bei dem Regiment der Königin-Chevaulegers, welche bei Fontenoy beinahe ganz aufgerieben wurden.«

      »Waren Sie auch bei Fontenoy?« versetzte der Baron, der einen Spaß zu machen suchte.

      »Nein,« antwortete ruhig Balsamo; »bei Fontenoy war ich todt.«

      Der Baron riß die Augen weit auf, Andrée schauerte, Nicole machte das Zeichen

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