Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
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Nicole betrachtete Andrée mit einem letzten Zweifel. Bediente sich Andrée, indem sie so sprach, einer tiefen Heuchelei, oder überließ sie sich ihrer vollkommenen Unschuld?
Andrée hatte vielleicht Gilbert nicht angeschaut, das sagte sich Nicole; aber sicherlich, sagte sie sich ebenfalls, hatte Gilbert Andrée angeschaut.
Sie wollte in jeder Hinsicht besser unterrichtet sein, ehe sie die Frage, die sie im Sinne hatte, versuchen würde.
»Kommt Gilbert nicht mit uns nach Paris, mein Fräulein?« fragte Nicole.
»Warum?« versetzte Andrée.
»Weil . . .«
»Gilbert ist kein Diener; Gilbert kann nicht der Intendant eines Pariser Hauses sein. Die, Müßiggänger von Taverney, mein lieber Nicole, sind wie die Vögel, die in den Zweigen meines Gärtchens und in den Hecken der Alleen zwitschern. Die Sonne, so ärmlich sie auch sein, mag, ernährt sie. Doch ein Müßiggänger in Paris kostet zu viel, und wir vermöchten den Nichtsthuer dort nicht zu dulden!«
»Wenn ich ihn jedoch heirathe?« stammelte Nicole.
»Nun, Nicole, wenn Du ihn heirathest, so bleibst Du mit ihm in Taverney,« sagte Andrée mit festem Tone, »und Ihr werdet das Haus hüten, das meine Mutter so sehr liebte.«
Nicole war ganz betäubt von dem Schlage; es ließ sich unmöglich das geringste Geheimniß in den Worten von Andrée finden. Andrée verzichtete auf Gilbert ohne einen Hintergedanken, ohne einen Schatten von einem Bedauern; sie überließ einer Andern denjenigen, welchen sie am Tage zuvor noch mit ihrer Bevorzugung beehrt hatte; das war unbegreiflich.
»Ohne Zweifel sind die Fräulein von Stand so gemacht,« sagte Nicole zu sich selbst; »deshalb habe ich so wenig tiefen Kummer in dem Kloster der Annonciaden gesehen, und was für Intriguen gab es doch!«
Andrée errieth wahrscheinlich das Zögern von Nicole; wahrscheinlich sah sie auch ihren Geist zwischen dem Trachten nach den Pariser Vergnügungen und der ruhigen, sanften Mittelmäßigkeit von Taverney schweben, denn sie sprach mit mildem, aber festem Tone:
»Nicole, der Entschluß, den Du zu fassen im Begriff bist, entscheidet vielleicht über Dein ganzes Leben; überlege, mein Kind; es bleibt Dir nur noch eine Stunde zu Deinem Entschluß. Ich weiß, eine Stunde ist sehr wenig, doch ich halte Dich für rasch in Deinen Entschließungen: wähle zwischen Deinem Dienst und Deinem Gatten, zwischen mir und Gilbert, Ich will nicht von einer verheiratheten Frau bedient werden, denn ich hasse die Geheimnisse des Ehestands.«
»Eine Stunde mein Fräulein!« wiederholte Nicole; »eine Stunde!«
»Eine Stunde.«
»Nun, das Fräulein hat Recht, so viel brauche ich wohl.«
»Vorwärts, lege alle meine Kleider zusammen, füge die meiner Mutter bei, die ich, wie Du weißt, als Reliquien verehre, und komm’ dann zurück und sage mir Deinen Entschluß. Wie er auch lauten mag,’ hier sind Deine fünfundzwanzig Louis d’or. Wenn Du ihn heirathest, so ist es Deine Mitgift; wenn Du mir folgst, so ist es der Lohn von Deinen zwei ersten Jahren.«
Nicole nahm die Börse aus den Händen von Andrée und küßte sie.
Ohne Zweifel wollte sie keine Secunde von der Stunde verlieren, die ihr von ihrer Gebieterin bewilligt worden war, denn sie eilte aus dem Zimmer, stieg rasch die Treppe hinab, durchschritt den Hof und verlor sich in der Allee.
Andrée schaute ihr nach und murmelte:
»Arme Närrin, die so glücklich sein könnte! Ist denn die Liebe so süß?«
Ohne Zweifel immer um keine Zeit zu verlieren, klopfte Nicole fünf Minuten nachher an die Scheiben des Erdgeschosses, das Gilbert bewohnte, der so großmüthig von Andrée mit dem Namen eines Müßiggängers und von dem Baron mit dem eines Taugenichts geschmückt worden war.
Gilbert wandte diesem Fenster, das nach der Allee ging, den Rücken zu und beschäftigte sich im Hintergrunde des Zimmers mit Gott weiß was.
Bei dem Geräusch der auf die Scheiben trommelnden Finger von Nicole, verließ er, wie ein auf der Thal ertappter Dieb, das Werk, das ihn in Anspruch nahm, und wandte sich rasch um, als wenn ihn eine Stahlfeder in Bewegung gesetzt hätte.
»Ah!« machte er, »Sie sind es, Nicole?«
»Ja, ich bin es abermals,« antwortete das junge Mädchen durch die Scheiben mit einer entschlossenen Miene, doch dabei lächelnd.
»So seien Sie mir willkommen, Nicole,« sagte Gilbert, während er das Fenster öffnete.
Empfänglich für diese erste Kundgebung von Gilbert reichte ihm Nicole die Hand; Gilbert drückte sie.
»Das geht gut,« dachte Nicole, »Adieu Reise nach Paris!«
Und wir müssen hier Nicole aufrichtig loben, denn sie begleitete diese Betrachtung nur mit einem einzigen Seufzer.
»Sie wissen,« sprach das junge Mädchen, sich mit dem Ellenbogen auf das Fenster stützend, »Sie wissen, Gilbert, daß man Taverney verläßt.«
»Ich weiß es,« antwortete Gilbert.
»Sie wissen, wohin man geht?«
»Man geht nach Paris.«
»Sie wissen auch, daß ich mitreise?«
»Nein, das wußte ich nicht.«
»Nun?«
»Nun, ich wünsche Ihnen Glück, wenn Ihnen die Sache gefällt.«
»Wie haben Sie gesagt?« fragte Nicole.
»Ich habe gesagt: »«wenn Ihnen die Sache gefällt,’ « das ist klar, wie mir scheint.«
»Sie gefällt mir . . . je nachdem,« versetzte Nicole.
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen, es hinge von Ihnen ab, daß mir die Sache nicht gefiele.«
»Ich verstehe nicht,« sprach Gilbert und setzte sich so auf das Fenster, daß seine Kniee die Arme von Nicole streiften, und daß Beide ihr Gespräch halb verborgen durch Verschlingungen von Winden und Kapucinern, die sich um ihre Köpfe rollten, fortsetzen konnten.
Nicole schaute Gilbert zärtlich an.
Aber Gilbert machte ein Zeichen mit dem Halse und dem Kopfe, welches bedeuten wollte, er verstehe den Blick ebenso wenig als die Worte.
»Es ist gut . . . da ich Ihnen Alles sagen muß, so hören Sie,« sprach Nicole.
»Ich höre,« versetzte Gilbert mit kaltem Tone.
»Fräulein Andrée machte mir das Anerbieten, ihr nach Paris zu folgen.«
»Gut,« sagte Gilbert.
»Wenn ich nicht . . .«
»Wenn nicht? . . .« wiederholte der junge Mann.
»Wenn ich nicht