Max Havelaar oder Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft. Multatuli

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Max Havelaar oder  Die Kaffee-Versteigerungen der NiederländischenHandels-Gesellschaft - Multatuli

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Korrespondenz mit den Prinzipalen, liegt nicht in meiner Thätigkeit, und doch fühlte ich, daß ich schreiben mußte, weil vielleicht die Zukunft der Branche davon abhängt.

      Die Aufklärungen, die ich in Sjaalmans Bündel fand, sind nicht von der Art, daß sie Last & Co. für sich allein behalten könnten; wenn das so wäre, begreift jeder, sollte ich wohl nicht ein Buch drucken lassen, das Busselinck & Waterman auch zu lesen bekommen; denn wer einem Konkurrenten vorwärts hilft, ist ein Narr, das ist ein festes Prinzip von mir. Nein, ich sah ein, daß da eine Gefahr droht, die den ganzen Kaffeemarkt verderben kann; eine Gefahr, die nur durch die vereinten Kräfte aller Makler abgewehrt werden kann. Und es ist sogar möglich, daß diese Kräfte dazu noch gar nicht ausreichen, und daß auch die Zuckerraffinadeure (Frits sagt Raffineure, aber ich schreibe »nadeure«, das thun die Rosemeyers auch, und die machen in Zucker,  ich weiß wohl, daß man sagt: »ein raffinierter Schurke«, und nicht »ein raffinadierter«, aber das kommt davon, daß man sich bei Schurken, wenn man schon mit ihnen zu thun hat, so wenig wie möglich aufhält)  daß also auch die Raffinadeure und die Indigohändler dabei nötig sein werden.

      Wie ich so beim Schreiben nachdenke, kommt es mir so an, daß sogar die Schiffsreedereien einigermaßen davon betroffen werden, und die Kauffahrteiflotte … gewiß, das ist wahr. Und die Segelmacher auch, und der Finanzminister, und die Armenverwaltung, und die anderen Minister, und die Pastetenbäcker, und die Kurzwarenhändler, und die Frauen, und die Schiffsbaumeister, und die Großhändler, und die im Kleinen verkaufen, und die Hausbewahrer, und die Gärtner.

      Und  sonderbar, wie einem so beim Schreiben die Gedanken kommen  mein Buch geht auch die Müller an, und die Geistlichen, und die, die Hollowaypillen verkaufen, und die Schnapsbrenner, und die Ziegelbrenner, und die von der Staatsschuld leben, und die Pumpenmacher, und die Seiler, und die Weber, und die Schlächter, und die Schreiber auf einem Maklerkontor, und die Teilhaber der Niederländischen Handelsgesellschaft, und eigentlich, genau genommen, alle anderen auch …

      Und den König auch … ja, den König erst recht

      Mein Buch muß in die Welt. Daran ist nichts zu ändern  mögen dann Busselinck & Waterman es auch zu lesen bekommen … Mißgunst ist meine Sache nicht; aber Pfuscher und Schleicher sind sie, das sage ich. Ich habe es noch heute dem jungen Stern gesagt, als ich ihn in »Artis« einführte; er kann's seinem Vater schreiben.

      So saß ich vor ein paar Tagen wieder da und brütete über meinem Buche, und sieh, Frits hat mich auf den Weg gebracht. Ich habe es ihm selbst nicht gesagt, denn man muß keinen merken lassen, daß man Verpflichtungen gegen ihn hat, das ist ein Prinzip von mir, aber wahr ist es. Er sagte, daß Stern so ein heller Bursche wäre, daß er so schnelle Fortschritte im Holländischen mache, und daß er deutsche Verse von Sjaalman ins Holländische übersetzt habe. Ihr seht, es war verkehrte Welt in meinem Hause: der Holländer hatte deutsch geschrieben, und der Deutsche übersetzt es ins Holländische; hätte sich jeder bei seiner Sprache gehalten, wäre Arbeit gespart worden. Aber, dachte ich, wenn ich nun mein Buch durch diesen Stern schreiben ließe  wenn ich etwas hinzuzufügen habe, schreibe ich selber von Zeit zu Zeit ein Kapitel. Frits kann auch helfen; er hat eine Liste von Wörtern, die mit zwei e geschrieben werden, und Marie kann es ins Reine schreiben. Da hat der Leser gleich eine Gewähr gegen alle Unsittlichkeit, denn das versteht sich doch, daß ein anständiger Makler seiner Tochter nichts in die Hände geben wird, was nicht mit Sitte und Anstand zusammenstimmt.

      Ich habe dann mit den beiden Jungen über meinen Plan gesprochen, und sie fanden ihn gut. Nur schien Stern, der, wie alle Deutschen, einen Stich ins Litterarische an sich hat, in der Art und Weise der Ausführung eine Stimme zu verlangen. Das gefiel mir nun nicht, aber weil die Frühjahrsversteigerung noch bevorsteht und ich von Ludwig Stern noch keine Aufträge habe, wollte ich im nicht zu stark widersprechen. Er sagte: »wenn die Brust ihm glühe für das Wahre und Schöne, solle keine Macht der Welt ihn hindern, die Töne anzuschlagen, die mit solch einem Gefühl übereinstimmten, und er wolle lieber schweigen, als seine Worte umklammert zu sehen von den entehrenden Fesseln der Alltäglichkeit.« Ich fand das ganz verrückt von Stern, aber mein Fach geht mir über alles, und der Alte ist ein gutes Haus.

      Wir setzten also fest:

      1. daß er alle Woche ein paar Kapitel für mein Buch liefern sollte;

      2. daß ich in seinem Geschreibe nichts ändern sollte;

      3. daß Frits die Sprachfehler verbessern sollte;

      4. daß ich das Recht haben sollte, von Zeit zu Zeit ein Kapitel zu schreiben, um dem Buche einen soliden Charakter zu geben;

      5. daß der Titel sein sollte: Die Kaffeeversteigerungen der Niederländischen Handelsgesellschaft;

      6. daß Marie eine saubere Abschrift machen sollte vor der Drucklegung; daß man aber mit ihr Geduld haben sollte, wenn die Wäsche käme;

      7. daß die fertiggearbeiteten Kapitel alle Woche in der Gesellschaft vorgelesen werden sollten;

      8. daß alle Unsittlichkeit vermieden werden sollte;

      9. daß mein Name nicht auf dem Titel stehen sollte, weil ich Makler bin;

      10. daß Stern eine deutsche, eine französische und eine englische Übersetzung sollte herausgeben dürfen, weil man, wie er behauptet, sich im Auslande auf solche Werke besser verstände als bei uns;

      11. daß ich (darauf drang Stern sehr stark) Sjaalman ein Ries Papier, ein Groß Federn und eine Kruke Tinte schicken sollte.

      Ich ließ mir alles gefallen, denn es war Eile nötig Stern hatte den folgenden Tag sein erstes Kapitel fertig,  und so kommt es, lieber Leser, daß ein Makler in Kaffee (Lauriergracht Nr. 37) ein Buch schreibt, das wie ein Roman aussieht.

      Kaum aber hatte Stern seine Arbeiten angefangen, da stieß er auch schon auf Schwierigkeiten. Außer der Schwierigkeit, aus so vielen Baustoffen das Nötige auszusuchen und zu ordnen, kamen fortgesetzt in den Manuskripten Wörter und Ausdrücke vor, die er nicht verstand, und die auch mir fremd waren. Meist war es javanisch oder malayisch; auch waren hie und da Abkürzungen angebracht, die schwer zu entziffern waren. Ich sah ein, daß wir Sjaalman brauchten, und da ich es nicht gut finde, wenn ein junger Mensch verkehrte Beziehungen anknüpft, wollte ich weder Stern noch Frits hinschicken. Ich nahm etwas Zuckerzeug mit, was vom letzten Gesellschaftsabend übrig geblieben war, denn ich denke immer an alles, und suchte ihn auf. Blendend war seine Behausung nicht; aber die Gleichheit aller Menschen, was auch ihre Wohnung angeht, ist ein Hirngespinst. Er hat das selbst gesagt in seiner Abhandlung über das Recht auf Glück. Übrigens, ich liebe Menschen nicht, die immer unzufrieden sind.

      Es war in einem Hinterzimmer in der Lange-Leidschen Querstraße. Im unteren Stock wohnte ein Trödler, der allerlei Dinge verkaufte, Tassen, Schüsseln, Möbel, alte Bücher, Glassachen, Bilder von van Speyk und dergleichen. Ich hatte Furcht, etwas zu zerbrechen, denn in solchem Falle fordern die Menschen immer mehr Geld für das Zeug, als es wert ist. Ein kleines Mädchen saß auf der Schwelle und kleidete ihre Puppe an. Ich fragte, ob Herr Sjaalman da wohne; sie lief davon, und die Mutter kam hervor.

      »Ja, der wohnt hier, M'neer. Gehn Se man die Treppe ruf nach's erste Portal, un denn die Treppe nach's zweete Portal, un denn noch 'ne Treppe, denn sin Se da. Mijntje, geh, sag', es ist 'n Herr da. Wer soll se sagen, daß da is?«

      Ich sagte, daß ich Mijnheer Droogstoppel wäre, Makler in Kaffee, von der Lauriergracht, aber ich wollte mich schon selbst anmelden. Ich kletterte so hoch, als sie gesagt hatte, und hörte auf dem dritten Flur eine Kinderstimme singen: »Bald kommt der Vater, der süße Papa.« Ich klopfte, und die Thür wurde geöffnet durch eine Frau oder Dame  ich wußte selbst nicht recht, was ich aus ihr machen sollte. Sie sah sehr bleich aus,

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