Der Schutzgeist des Kaisers von Birma. Ugo Mioni
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Читать онлайн книгу Der Schutzgeist des Kaisers von Birma - Ugo Mioni страница 6
Der Elefant lag da, schweratmend und mit halb geschlossenen Augen. Vier bloßfüßige Birmanen knieten um ihn und hielten vier Sonnenschirme aus Goldbrokat über sein Haupt ausgebreitet.
›Seine Hoheit‹ ist auch der Eigentümer eines großen Lehengutes, dessen Einkünfte zur Bestreitung seines Unterhaltes verwendet werden. Er wird gehegt und gepflegt wie ein wirklicher Prinz; dreißig Lakaien sind allein für seinen Dienst bestimmt.
»Wie geht es dem ›Herrn‹?« erkundigte sich der Wongy sofort nach seinem Eintritte in den Tempel.
»Der Herr leidet sehr,« erwiderten die Diener.
Der Wongy wandte sich zu mir. »Willst du so freundlich sein, Seine Hoheit zu untersuchen?« bat er.
Ein einziger Blick auf die Bestie überzeugte mich, daß es mit ihr zu Ende ging. Sie war alt und unterlag nun der Last der Jahre. Doch um dem Wongy zu genügen, beugte ich mich zu dem Tiere nieder und untersuchte es auf das eingehendste.
»Nun?« fragte Mangvé, als ich mich wieder aufrichtete, in banger Spannung.
»Mangvé, du bist ein Mann —,« sagte ich ernst.
»Der Herr —?« stieß er angstvoll hervor.
»Er wird den Tag nicht überleben.«
»Es ist keine Hilfe mehr für ihn?«
»Leider keine.«
Der Wongy ließ meine Hand fahren, die er krampfhaft zwischen den seinen gepreßt hatte und brach in ein schmerzliches Stöhnen aus. Auch die vier Diener zeigten sich durch meine Worte niedergeschmettert. Sie ließen die Schirme fallen und ergingen sich in langen Jammerrufen. Der Tod des Elefanten bedeutet ja auch den ihren.
Es tat mir weh, die Schmerzensausbrüche dieser Männer mit anhören zu müssen.
Ich näherte mich dem Wongy und legte meine Hand auf seine Schulter. »Fasse dich, Mangvé! Deine Lage ist noch nicht so verzweifelt, als es dir scheint. Noch hast du Zeit zum Handeln,« sagte ich.
»Nicht so verzweifelt? Mit mir ist es vorbei,« entgegnete er mit dumpfer Ergebung. »Der Elefant stirbt. Mein Leben, meine Familie, meine Güter – alles, alles ist verloren!«
»Der Kaiser weiß noch nichts von dem bedenklichen Zustand des Herrn. Noch hast du Zeit – benütze sie, um zu fliehen.«
»Fliehen? Wohin denn? Die Macht des Kaisers reicht weit, und wenn er erzürnt ist, läßt er keine Milde walten. Er würde mich überall zu finden wissen.«
»Auch jenseits der Grenzen von Birma? Fliehe in ein fernes Land, wohin die Macht des Kaisers nicht reicht, und du hast nichts mehr zu fürchten.«
»Dein Rat ist der eines Freundes,« entgegnete der Wongy und wiegte nachdenklich den Kopf. »Aber ich kann ihn nicht ausführen.«
»Warum nicht? Bedenke, daß es sich um dein Leben handelt.«
»Ich weiß es wohl. Aber ich bin nicht nur ein Edelmann, sondern auch ein Krieger. Alle Krieger ziehen den Tod der Schande vor. Wenn ich nun fliehe, wird man mich feige schelten, ja vielleicht sogar mutmaßen, daß ich den Tod des Herrn böswilligerweise herbeigeführt habe, während mein Tod alle Flecken tilgt, die jetzt noch auf meinem Namen sind, so daß derselbe für ewige Zeiten ehrenvoll in dem Gedächtnis meiner Mitbürger haften wird.«
Ich konnte nun zwar diese Ansichten des Wongy nicht teilen, mußte ihn aber dessenungeachtet um derselben willen bewundern.
Ich wollte eben nochmals in ihn dringen, doch meinem Rate zu folgen, als von der Straße her wirres Geräusch an mein Ohr schlug. Eine Menge Stimmen riefen durcheinander und dann ertönte ein Kommandoruf: »Grüßt den Kaiser!«
Waffen klirrten aneinander und Hunderte von Menschen schrien: »Es lebe der Kaiser! Gautama schütze den Kaiser!«
»Zur Erde!« erklang wieder der Kommandoruf, der all diese Stimmen übertönte.
Wieder vernahm ich ein Geräusch, als ob sich eine große Menge mit Gewalt zur Erde würfe.
Als der Wongy dieses Geräusch hörte, erbleichte er tief.
»Der Kaiser kommt!« stieß er bebend hervor.
»Flieh, flieh! Noch hast du Zeit!« rief ich.
»Niemals!« entgegnete er fest. »Aber du mußt dich verbergen. Wehe dir, wenn dich der Kaiser bewaffnet in dem Tempel des Herrn fände.«
»Ich fürchte euren Kaiser nicht. Ich bin ein Europäer und er darf es nicht wagen, mir ein Leid zuzufügen.«
»Der Kaiser ist furchtbar in seinem Zorne. Aber wenn du auch nichts für dich fürchtest, so flieh um meinetwillen. Ich bin verloren, wenn du hier bleibst.«
Diese Worte bewogen mich, zu gehen. Ich tat es zwar sehr ungern, aber ich durfte doch den ohnedies schon so schwer heimgesuchten armen Alten nicht noch tiefer ins Unglück stürzen.
»Wir sehen uns wieder,« sagte ich also zu dem Wongy, und eilte hinaus.
Kaum hatte mich der Garten aufgenommen, da wurde die Haupttüre des Tempels geöffnet und Hunderte von Stimmen riefen: »Der Kaiser! Der Kaiser tritt in den Tempel!«
Ich blieb an der Seitenpforte stehen. Der eine von deren beiden Flügel war nur leicht angelehnt, was mir nicht nur gestattete, alles zu hören, sondern auch die Vorgänge in demselben zu beobachten.
Was ich zuerst hörte, waren die regelmäßigen Schritte einer großen Anzahl Leute; dann wurde die große Pforte mit Ungestüm geschlossen.
»Stille!« befahl eine tiefe Baßstimme, deren Kommando ich schon früher vernommen hatte.
Eine Totenstille entstand, nur unterbrochen von den regelmäßigen Atemzügen der Menschen.
Vorsichtig bog ich mich zur Seite und lugte durch die Spalte der Türe in den Tempel.
Ich sah einen vornehm gekleideten Mann auf einem Thronsessel sitzend, leider mit dem Rücken gegen mich gewandt, so daß ich ihm nicht in das Gesicht blicken konnte. Es war offenbar der Kaiser selbst. Zwei Diener hielten große goldbrokatene Schirme über ihn ausgespannt, das Zeichen seiner Würde.
Was sich sonst noch in dem Tempel befand, lag auf dem Fußboden, das Gesicht in den Staub gedrückt; eine Ausnahme machten nur die vier Diener des Elefanten, die in ihrer knienden Stellung verblieben waren und ihre Schirme wieder aufgenommen halten, aber das Haupt tief gesenkt hielten.
Die tiefe Stille wurde lange nicht unterbrochen. Endlich ließ sich die Baßstimme wieder hören: »Im Auftrage Seiner erhabenen und glorreichen