Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Schatzhaus des Königs - Wilhelm Walloth страница 7
»Du sprachst sanft mit mir,« erwiderte sie, in sich versunken, »du verachtest mich doch nicht wie die anderen?«
»Du tust mir weh, Myrrah, wenn du also fragst? Warum soll ich dich verachten?«
»Ich wußte es,« rief sie, ihren Schützling mit freudigleuchtenden Blicken betrachtend, »deshalb rettete ich dir das Leben.«
»Einem dir völlig Fremden würdest du es nicht gerettet haben?« frug er, um ihren Charakter zu ergründen.
»Ich weiß es nicht,« sagte das Mädchen nachsinnend, »wenn er mich geschmäht, mich mißhandelt, wie die anderen Ägypter – oh! warum hätte ich ihm das Leben retten sollen?« setzte sie dann fast wild hinzu. Gleich darauf fuhr sie weicher fort:
»Aber dir, der du sanft und gut bist, hätte ich es bewahrt dein Leben, selbst wenn du mich nicht geachtet, denn dein Leben« – sie zögerte, ein Lächeln erblühte dann auf ihren Lippen, als sie fortfuhr, »dein Leben ist mir kostbar, ich wollte, es wäre eine seltene Blume, die ich unter Glas hüten und pflegen dürfte! Aber ich weiß nicht, warum ich das alles sage.« Sie ward ernst. Sie zürnte sich selbst. Hierauf nahm sie die Lampe und leuchtete ihrem Freund hastig in die erblaßten Züge.
»Dein Auge ist tief und edel, es blickt wie euer Sonnengott,« sprach sie träumerisch mehr zu sich selbst, als zu ihm, »dir würde ich in allen Stücken trauen, du kannst nicht betrügen. Sprichst du zu mir: lege dich vor den Rachen des hungernden Krokodils, ich würde es tun; würdest du mir zürnen, würdest du diese meine Brust schlagen oder bespeien, ich würde stolz darauf sein, von dir mißhandelt zu werden! Aber auch nur von dir – deine Grausamkeit wäre nur Wollust – jeden anderen aber, der dasselbe wagte, würde ich« – – in ihrem Auge brannte edler Zorn, sie hatte unwillkürlich die schöne, kleine Hand geballt. Da fiel ihr Auge auf seine Hand.
»Aber du blutest,« rief sie erbleichend aus, nach dieser Hand fassend. Ihr vorher so stolz blickendes Auge verdunkelte sich, als das feuchte Rot an ihren Fingern haften blieb; ein schmerzvoller Ton entrang sich ihrer Brust.
»Es ist nichts, Mädchen,« flüsterte Menes mit Anstrengung, denn das Benehmen Myrrahs hatte ihn, wie in einen süßen Halbschlaf gewiegt, »ich schlug meinem Angreifer auf den Mund; seine Zähne ritzten mir das Fleisch.«
»Das ist gut,« lächelte sie unter Tränen zu ihm empor, »du bist mutig.«
Diese Freudigkeit verwandelte sich sogleich wieder in die besorgteste Unruhe. Wasser war bald zur Hand, ein Tuch ebenfalls. Nun kniete sie nieder und streifte den Ärmel vom Gewand des Jünglings zurück, um sein Blut, das bis an den Ellbogen hinabgeflossen, aufzuwaschen. Als ihr dabei die schön gerundeten Muskeln seines Armes entgegenblühten, überzog ein ängstliches Rot ihre weißen Züge; nun erst schien ihr das Bedenkliche der ganzen Lage klar zu werden. Rasch strich sie das Gewand wieder über den Arm, stand auf, eilte an die Türe und sagte abgewendet:
»Bleibe du hier, ich will heute nacht auf der Matte des Hausflurs zubringen.«
»Eben erst sagten mir deine Lippen, Myrrah,« erwiderte ihr der errötende junge Mann, »daß du mir in allen Stücken trautest – es scheint, du traust mir dennoch nicht?«
»Das ist wahr,« lächelte sie nun, »ich war recht töricht.«
Menes, durch den Blutverlust geschwächt, stützte sich müde auf den Tisch, indem seine Glieder schlaff herabhingen.
»Armer Mann, leidest du Schmerzen?« frug sie besorgt. Er lächelte ermattet. Darauf schritt sie vertraulich zu Menes heran, setzte die Lampe auf den Tisch, holte aus einer Holztruhe ein altes kleines Brot hervor und stellte daneben ein Gefäß mit Milch nebst einigen Datteln.
»Dies ist meine Feiertagsmahlzeit,« sagte sie, »nimm, was dir die Armut bieten kann, du wirst hungern.«
Obgleich anfangs Menes, gerührt von der Einfachheit des Mahles und der Gutmütigkeit des Mädchens, dankend die Berührung der Speisen ablehnte, mußte er schließlich, um seine nötigende Wirtin nicht zu beleidigen, von der Milch etwas zu sich nehmen.
»Es ist keine Schweinemilch, die aussätzig macht,« hatte sie in traurigem Tone gelispelt, als Menes sich geweigert zuzugreifen. Daraufhin natürlich trank er. Kaum hatte Menes das Gefäß niedergesetzt und den Trank gelobt, so ließen sich auf der Treppe, die in das zweite Stockwerk führte, Tritte vernehmen. Erschrocken fuhr Myrrah empor.
»Man kommt von oben,« hauchte sie, »ich muß dich verbergen.«
Sie sah sich verlegen in dem Gemache um, das außer einem niedrigen, streuartigen Ruhelager, nebst einer Truhe, Stuhl und Tisch, nichts bot, hinter welchem sich Menes hätte verstecken sollen. Jedoch die Tritte kamen näher, die Not wuchs.
»Das ganze Haus ist von Juden bewohnt,« klagte die Jungfrau, »wenn sie dich erblicken – weh dir! weh mir! wir sind beide verloren.«
Nun hielten die Schritte an, dreimal pochte es an die Türe des Gemachs.
»Lösche die Lampe,« riet Menes leise, »ich kaure mich hinter die Truhe, stelle du dich, oder besser setze du dich auf dieselbe.«
Er sprang rasch hinter die Holzkiste, Myrrah zauderte, die Lampe zu löschen, jedoch schließlich blieb ihr, da es zum zweiten Male anpochte, nichts anderes übrig. Darauf eilte sie an die Tür, machte sie zwei Finger breit auf und frug: wer draußen sei, sie in ihrem Schlaf zu stören?
»Ich bin es –«
»Wer?«
»Ich! Isaak.«
»Du?« frug das Mädchen. »Und wie steht es um deinen kranken Vater?«
»Rebekka, meine Schwester, ist bereits seit vier Tagen nicht nach Hause gekommen,« jammerte Isaak, dessen Bekanntschaft wir bereits gemacht. »Sie schwärmt draußen umher, während ihr Vater im Sterben liegt, die gottlose Tänzerin.«
»Heute erst,« fiel ihm Myrrah ins Wort, »verkehrte ich mit ihr, sie hat sich manches erworben, sogar Gold. Ein reicher Bewunderer ihres Tanzes gab ihr drei goldene Ringe, sie könnte euch beide ernähren, wenn sie wollte.«
»Sie tut es nicht,« klagte Isaak, »ich muß meinen armen Vater hungern lassen. Da wir nicht mehr an den Pyramiden arbeiten können, wird uns auch die Nahrungslieferung entzogen, die uns sonst zuteil ward. Ich bin gekommen, gute Myrrah, – dein mildes Herz – nicht wahr, es ist unrecht, daß ich mitten in der Nacht –«
»Laß es nur gut sein,« sagte das Mädchen mit fast rauher Stimme, »du weißt zwar, daß ich dich nicht leiden mag, Isaak, aber deinen würdigen Vater kann ich nicht hungern lassen. Nimm hier den letzten Rest Milch nebst diesem Brot.«
Sie reichte dem demütig vor ihr stehenden Isaak die Speisen.
»Jehova mög' es dir danken,« stammelte er, »wenn ich dir einst ebenso aus der Not helfen könnte, es wäre der schönste Augenblick meines Lebens, gutes Kind.«
Angeekelt von seinem kriechenden Wesen wandte sich Myrrah ab und frug nur: »Liegt dein Vater noch immer stumm?«
»Du bist sehr gütig, daß du nach meinem Vater fragst,« sagte Isaak unterwürfig, das Brot mit gierigen Blicken betrachtend, »der alte Mann hat ein paar Worte gesprochen, jedoch er ist sehr matt, Rebekkas Lebenswandel stürzt ihn in die Grube.«
Myrrah