Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth
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Читать онлайн книгу Das Schatzhaus des Königs - Wilhelm Walloth страница 8
»Du hast ein schönes Werk vollbracht,« sagte er.
»Oh, wenn sie nur nicht so schlecht wären,« murmelte sie betrübt vor sich nieder.
Hierauf erzählte sie, da Menes es von ihr zu hören wünschte, ihren ganzen Lebenslauf. Ihre Eltern hatte sie nie gekannt. Sie erinnerte sich noch dunkel, daß sie in frühester Jugend zwischen den Säulen eines Tempelhofs gespielt und daß sie dort zuweilen von einer vornehmen Dame besucht wurde, deren kostbare Sänfte noch jetzt ihr lebhaft vorschwebte. Alle Priester und Priesterinnen wichen dieser schönen, stattlichen Dame ehrfurchtsvoll aus, verbeugten sich vor ihr und frugen mit großem Respekt nach dem Befinden des Königs. Die mächtige Frau lächelte immer, scherzte fein mit ihrer Umgebung, reichte zum Abschied dem Oberpriester jedesmal einen goldenen Ring und frug, welche Fortschritte Myrrah gemacht, worauf ihr ein ältlicher Priester jedesmal die gewünschte Auskunft erteilte. Dieser Priester bewies ihr die größte Zärtlichkeit, sie lernte ihn wie einen Vater lieben. Eines Tages ließ sich die vornehme Dame in großer Erregung in den Tempel tragen. Einer langen stürmischen Unterredung, welche sie mit dem Oberpriester hatte, folgte allgemeine Bestürzung des ganzen Priesterkollegiums; die vornehme Dame sank zu Boden und weinte, der Oberpriester zerriß sein Gewand. Rasch eilten Tempeldiener herzu, um einen Stoß von Papyrusrollen zu verbrennen, welche irgendein Geheimnis bergen mußten; Myrrah freute sich bereits auf das lustige Feuer, aber der Eintritt von dreißig königlichen Schergen tat dem Werk Einhalt. Die Schergen durchstöberten die Rollen, die Worte: Verschwörung, Unterschlag usw. schlugen an Myrrahs kindliches Ohr; der Oberpriester wurde samt der vornehmen Dame auf Befehl des Königs zu lebenslänglicher Zwangsarbeit in den äthiopischen Goldbergwerken verurteilt. Hier folgte in Myrrahs Erinnerung eine Lücke, sie findet sich in einem wilden, schwarzen Gebirge wieder, das von weißen Adern durchzogen, vielen Schachten den Weg in sein metallreiches Innere eröffnet. Tausende von Arbeitern sind dort beschäftigt, glänzendgelbes Metall aus Sand zu waschen, der zuvor in Mörsern zerstampft wurde. Die Sonne brennt, die Geißel der Aufseher treibt erbarmungslos zur Arbeit an. Sie selbst, das zarte Kind, muß Steine in Empfang nehmen, die aus den Schachten herausgewühlt werden. Ihre Hände bluten dabei, neben ihr kauert dieselbe vornehme Dame, die sich sonst in den Tempel tragen ließ, in zerrissenem Anzug, hohl, krank am Boden und gießt mit denselben Händen, die früher mit Perlen und Fächern spielten, Wasser über schmutziges Geröll. Manchmal empfängt sie einen schmerzlichen Blick von dieser Frau, manchmal einen brennenden Kuß, der ihr viel heiße Tränen an die Wangen drückt. Worte hört sie selten aus diesem blauen, welken Mund, nur von Seufzern quillt er über. Eines Tages sieht sie, wie diese Frau ein Schreiben empfängt, welches ihr ein königlicher Beamter vorliest.
»Gnade!« stammelt sie freudebebend, preßt leidenschaftlich die kleine Myrrah an ihre Brust und sinkt zu Boden.
Der Beamte beugt sich zu der Hingesunkenen nieder.
»Zu spät,« hört sie ihn gleichgültig sprechen, »die Freude hat sie getötet.«
Von diesem Zeitpunkte an bekümmerte sich keine Seele mehr um Myrrahs Dasein. Sie bettelte sich mühsam nach Memphis zurück. Dort war sie eifrigst bemüht, ihren Pflegevater aufzusuchen, jedoch vergebens. Gewerbsüchtige Ebräer bemächtigten sich des kleinen Mädchens, sie zum Tanzen oder allerlei Künsten abzurichten; dies scheiterte jedoch an der Sittsamkeit des Kindes. So lebte sie ein trauriges, gequältes Dasein dahin in den Jahren, die eigentlich der Freude geweiht sein sollten, ernährte sich mühsam durch kleine Handleistungen, Verkaufen von Blumen oder hungerte auch wohl, wenn ihre Schüchternheit zu groß war, sich auf der Straße zu zeigen. Menes hatte dies alleinstehende, verlassene Kind während ihrer Erzählung mit feuchten Augen, versunken in ihre lieblichen Züge, betrachtet. Als sie geendet, war es ihm, als spräche sie noch weiter, er wiegte sein Haupt träumerisch zu ihr hin und schien noch immer ihr Wort zu trinken.
»Der Morgen erhellt meinen Fenstervorhang bereits,« sagte sie nach einiger Zeit erstaunt, »wir haben die letzten Stunden der Nacht rasch hinweggeplaudert und es wird Zeit, daß du gehest, Menes.«
Menes fuhr aus seinem Sinnen empor. Ein Frösteln überschauerte ihn, als er darauf den Vorhang hob und die Straße in rötliches Grau getaucht vor ihm lag.
»Der kühle Morgenwind haucht vom Nil her,« sagte er ermattet, »du hast recht, Myrrah, ich muß gehen. Man wird zu Hause angstvoll meiner geharrt haben, ich werde nicht freundlichen Empfang von meiner Mutter zu erwarten haben. Aber mir gilt es gleich, durchlebte ich doch in dieser Nacht die schönsten Stunden meines eintönigen Lebens – Errettung aus Gefahr, das süße Gespräch mit dir, den Einblick in deine gute, schlichte Seele.«
Myrrah löschte die Lampe und öffnete die Fenster. Sie ward still, sie setzte sich bekümmert auf die hölzerne Truhe und schien an nichts mehr teilnehmen zu wollen, was um sie her vorging.
»Du hast mir bei meinem Abschied nichts zu sagen?« frug sie Menes zärtlich.
Das Mädchen schüttelte betrübt den Kopf.
»Wirklich nicht? Nicht, daß ich dich wiedersehen darf?«
Es erfolgte eine lange Pause. Beide standen sich, süße Qual im erregten Busen, gegenüber. Er wagte kaum verstohlen zu ihr aufzuschauen. Plötzlich schritt sie auf den Wandschrank zu, nahm ein Messer, das dort verborgen lag, legte es vor Menes nieder und hauchte abgewendet:
»Töte mich.«
Der überraschte Jüngling trat schaudernd einen Schritt zurück. Dann aber stürzte er vor, sie zu umarmen. Sie, als sie dies bemerkte, wich ihm aus.
»Wie kannst du doch solch sündhaftes Wort über deine Lippen bringen,« stammelte er vorwurfsvoll.
»Ich dich töten, der ich diesen Leib anbete, als sei er der einer Gottheit, der ich dich schützen möchte vor allem Unheil, vor Hunger, vor Schmähungen, der ich selbst der kleinsten Fliege nicht gönne, wenn sie über deine Hand laufen darf. Ich soll dich töten? Und weshalb wünschst du dir den Tod? Warum tust du mir dies Leid an, dich leiden zu sehen?«
»Bedenke, wer du bist,« fiel ihm die Jüdin ins Wort. »Willst du,« lachte sie bitter auf, »willst du deiner vornehmen Mutter sagen, du habest mit der Jüdin gesprochen, daß sie vor dir entflieht? Willst du ihr die Jüdin als Braut über ihres Hauses Schwelle tragen: O glaube mir, du achtest mich nicht, wenn du dir auch fest vornimmst, mich zu achten.«
»Lache nicht so wild, Myrrah,« rief Menes zitternd, »du tust mir weh! Wisse, daß ich dich achte, und hätte ich dich auf dem Felde die unsauberen Schweine hüten oder dich als Tänzerin den ekeln Reigen schwingen sehen. Nichts kann dich mir in Unehre bringen, nichts mich von dir vertreiben, dein Bild mir trüben, und wenn meine stolze Mutter mir darum zürnt, so mag sie es tun, ich bedarf ihrer nicht, deiner aber bedarf ich, um zu leben.«
Myrrah war in lautes Schluchzen ausgebrochen.
»Gehe! verlasse mich,« seufzte sie, »wenn du Spiel mit mir triebst, würdest du mich töten. Du stürzest mich, ich fühle es, ins Verderben. Mir wäre besser, ich hätte dich nie gesehen, oder ich stürbe gleich auf der Stelle, denn ich weiß nicht, was ich ohne dich beginnen soll, und mit dir leben darf ich nimmermehr.«
Der junge Mann versuchte die Weinende zu beruhigen, er gab ihr die zärtlichsten Namen, versicherte sie, daß er jeden Abend in ihr Haus schleichen wolle, daß er ihr einen ergebenen Diener täglich senden wolle, ihr Nahrung zu bringen, sie aber wehrte heftig alle seine Liebkosungen ab, suchte ihr tränenüberströmtes Gesicht zu verbergen und rief ein über das andere Mal: »Gehe! Oh, hätte ich dir nicht dein Leben gerettet, hätten sie dich und mich getötet.«
Nach vielen vergeblichen