Detektiv-Geschichten. Уилки Коллинз
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Читать онлайн книгу Detektiv-Geschichten - Уилки Коллинз страница 12
Die Antwort darauf war das plötzliche Schließen einer Tür. Herr Sax hatte sich vor mir in eins der Zimmer des Erdgeschosses geflüchtet. Ich war so ärgerlich, dass ich beinahe geweint hätte.
Als wir unten in den Hausflur kamen, fanden wir Frau Fosdyke, die ihren Sommerhut trug, und eine der beiden Damen, die im Hause wohnten – die Unverheiratete – wie sie ihr an der Tür des Damenzimmers etwas zuflüsterte. Die Dame – Fräulein Melbury – sah mit einer gewissen Neugier nach mir, die ich durchaus nicht verstehen konnte, und wandte sich dann plötzlich dem anderen Ende des Hausflurs zu.
»Ich will mit Ihnen und den Kindern spazieren gehen« sagte Frau Fosdyke zu mir. »Fritz, du kannst auf deinem Dreirad fahren, wenn du Lust hast.« Sie wandte sich dann zu den Mädchen. »Liebe Kinder, es ist kühl unter den Bäumen. Ihr könnt die Sprungseile mitnehmen.«
Sie hatte mir offenbar etwas Besonderes zu sagen und das Nötige angeordnet, um die Kinder von uns weg und außer Hörweite zu halten. Fritz legte seinen Weg auf seinem dreirädrigen Stahlross zurück, die Mädchen folgten ihm, indem sie lustige Sprünge machten.
Frau Fosdyke leitete ihre Geschäfte mit einer Bemerkung ein, die mich unter den gegenwärtigen Verhältnissen am meisten in Verlegenheit setzen musste. »Ich finde, dass Sie mit Herrn Sax bereits bekannt sind« begann sie, »und ich bin überrascht, zu hören, dass er Ihnen missfällt.«
Sie lächelte vergnügt, als wenn die vermeintliche Abneigung gegen Herrn Sax sie ein wenig belustigte.
Welches die »herrschende Leidenschaft« bei Männern sein möge, erlaube ich mir nicht zu untersuchen, aber mein eignes Geschlecht zu kennen, das darf ich wohl behaupten. Die herrschende Leidenschaft bei Frauen ist der Dünkel. Der lächerlichen Meinung von meiner eignen Wichtigkeit war irgendwie zu nahe getreten worden Ich nahm dabei die Miene der stolzesten Gleichgültigkeit an. »Ich bin wirklich nicht imstande, gnädige Frau« sagte ich, »von irgendwelchem Eindruck, den etwa Herr Sax auf mich hervorgebracht haben möchte, Rechenschaft zu geben. Wir begegneten uns ganz zufällig, und ich weiß gar nichts von ihm.«
Frau Fosdyke schaute mich listig an und schien mehr als je belustigt zu sein.
»Er ist ein sehr sonderbarer Mann« gab sie zu,» »aber ich kann Ihnen sagen, dass unter diesem seltsamen Äußern ein edles Gemüt verborgen ist. Indessen« fuhr sie fort, »vergesse ich, dass er mir verboten hat, in Ihrer Gegenwart von ihm zu sprechen. Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich den geeigneten Weg einschlagen, Sie beide zu lehren, sich gegenseitig zu verstehen. Sie werden mir beide dankbar sein, wenn mir dies gelingt. Indessen gibt es noch eine dritte Person, die sehr enttäuscht sein wird zu hören, dass Sie nichts von Herrn Sax zu sagen wissen.«
»Darf ich fragen, gnädige Frau, wer diese Person ist?«
»Können Sie ein Geheimnis bewahren, Fräulein Morris? Natürlich können Sie dies! Es ist Fräulein Melbury.«
(Fräulein Melbury war eine Brünette. Wenn auch nicht aus dem Grunde, weil ich selbst eine Blondine bin – denn ich glaube, über so engherzige Ansichten erhaben zu sein – so ist es nichtsdestoweniger richtig, dass ich keine Verehrerin brünetter Frauen bin.)
»Sie hörte Herrn Sax zu mir sagen, dass Sie besondere Abneigung gegen ihn hätten« fuhr Frau Fosdyke fort. »Und gerade als Sie in dem Hausflur erschienen, bat sie mich, ausfindig zu machen, welchen Grund Sie dafür hätten. Meine eigene Meinung über Herrn Sax, muss ich Ihnen sagen, befriedigt sie nicht; ich bin eine alte Freundin von ihm und stelle ihn natürlich nach meiner eignen ihm günstigen Beurteilung dar.
Fräulein Melbury ist begierig, mit seinen Fehlern bekannt gemacht zu werden, – und sie erwartet, dass Sie ein wertvoller Zeuge gegen ihn sind.«
Bis jetzt waren wir weiter gegangen. Nun aber blieben wir wie auf Verabredung stehen und sahen einander an.
Bei meinem seitherigen Verkehre mit Frau Fosdyke hatte ich nur mehr das zurückhaltende und Förmliche ihres Charakters kennengelernt. Ohne meinen Erfolg gewahr zu werden, hatte ich das Herz der Mutter gewonnen, indem ich die Zuneigung ihrer Kinder gewann. Nun schwand erst ihre Zurückhaltung und der schalkhafte Sinn der vornehmen Dame zeigte sich, während ich innerlich begierig war, zu erfahren, welcher Art wohl das außerordentliche Interesse sein möchte, das Fräulein Melbury Herrn Sax entgegenbrachte.
Da Frau Fosdyke meine Gedanken mit Leichtigkeit erriet, so befriedigte sie meine Neugier, ohne sich durch eine ausdrückliche Antwort bloßzustellen. Ihre großen grauen Augen glänzten, als sie auf meinem Antlitz ruhten, und sie summte die Melodie des alten französischen Liedes »es ist die Liebe, die Liebe, die Liebe!« Da ist nichts zu verheimlichen – etwas in dieser Enthüllung machte mich außerordentlich ärgerlich. Ärgerlich über Fräulein Melbury? oder über Herrn Sar? oder iiber mich selbst? Ich glaube, ich muss ärgerlich über mich selbst gewesen sein.
Da Frau Fosdyke fand, dass ich dazu meinerseits nichts zu sagen hatte, so sah sie auf ihre Uhr und erinnerte sich ihrer häuslichen Verpflichtungen. Zu meiner großen Erleichterung hatte unsere Unterhaltung ein Ende.
»Ich habe heute Tischgesellschaft« sagte sie, »und ich habe die Haushälterin noch nicht gesehen. Machen Sie sich schön, Fräulein Morris, und kommen Sie nach dem Mittagstisch zu uns in den Salon.«
V
Ich hatte meine beste Kleidung angelegt und mir im ganzen früheren Leben nie so viele Mühe wie diesmal mit meiner Frisur gegeben. Hoffentlich wird niemand so töricht sein zu glauben, dass ich dies wegen Herrn Sax getan hätte. Wie konnte ich mich denn um einen Mann kümmern, der mir kaum etwas anderes als ein Fremder war. Nein! Die Person, derentwegen ich mich herausputzte, war Fräulein Melbury.
Sie warf mir, als ich mich bescheiden in die Ecke setzte, einen Blick zu, der mich reichlich für die Zeit entschädigte, die ich auf meine Toilette verwendet hatte. Die Herren traten ein. Ich blickte aus reiner Neugier unter meinem Fächer hervor nach Herrn Sax. Er war durch den Gesellschaftsanzug sehr zu seinem Vorteil verändert. Als er meiner in der Ecke gewahr wurde, schien er zweifelhaft zu sein, ob er sich mir nähern solle oder nicht. Ich erinnerte mich unserer ersten seltsamen Begegnung und konnte nicht umhin, darüber in Gedanken zu lächeln. Glaubte er vielleicht, dass ich ihn zum Nähertreten ermuntern wolle? Ehe ich mir diese Frage beantworten konnte, nahm er den leeren Platz neben mir auf dem Sofa ein. Bei jedem anderen Manne würde dies nach dem am Morgen zwischen uns Vorgefallenen ein recht keckes Benehmen gewesen sein. Er aber sah so peinlich verlegen aus, dass es eine Art Christenpflicht für mich wurde, Mitleid mit ihm zu haben. »Wollen Sie mir nicht die Hand reichen?« sagte er, gerade so, wie er es in Sandwich getan hatte. Ich blickte unter meinem Fächer hervor nach Fräulein Melbury und nahm wahr, dass sie nach uns herübersah. Ich reichte Herrn Sax die Hand.
»Was für eine Empfindung haben Sie « fragte er, »wenn Sie einem Manne die Hand reichen, den Sie hassen?«
»Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen« erwiderte ich in treuherziger Weise, »denn ich habe so so etwas nie getan.«
»Sie wollten in Sandwich nicht mit mir frühstücken« erklärte er, »und wollen mir nun auch nach der demütigsten Entschuldigung meinerseits das nicht verzeihen, was ich diesen Morgen tat. Soll ich unter diesen Umständen glauben, dass ich nicht ein besonderer Gegenstand Ihres Widerwillens bin? Ich wünsche, ich wäre Ihnen nie begegnet! In meinem Alter kränkt es einen Mann, wenn er unfreundlich behandelt wird und dies nicht verdient hat. Ich darf wohl sagen, Sie verstehen das nicht.«
»O ja, ich verstehe