Die Blinde. Уилки Коллинз

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Die Blinde - Уилки Коллинз

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Sie wieder!« sagte sie plötzlich, während sie ihre Hand noch vor meinem Gesichte hielt.

      Ich fing an etwas zu sagen, aber sie verschloß mir den Mund alsbald mit einem Kuß, indem sie vergnügt ausrief: »Nicht weiter. Ihre Stimme sagt meinen Ohren, was Ihr Gesicht meinen Fingern sagt. Ich weiß, Sie werden mir gefallen. Kommen Sie und sehen Sie sich die Zimmer an, die wir zusammen bewohnen werden.«

      Als ich aufstand, schlang sie ihren Arm um meine Taille, zog ihn aber sogleich wieder zurück und machte eine ungeduldige Bewegung mit den Fingern, als ob sie dieselben verletzt habe.

      »Haben Sie sich an einer Nadel gestochen?« fragte ich.

      »Nein, nein, was für eine Farbe hat das Kleid, das sie tragen?«

      »Dunkelviolett.«

      »O, das wußte ich; bitte, tragen Sie keine dunklen Farben. Ich habe in meiner Blindheit einen wahren Abscheu gegen Alles, was dunkel ist. Bitte, liebe Madame Pratolungo, tragen Sie mir zu Gefallen hübsche helle Farben!«

      Dabei umschlang sie wieder liebkosend, dieses Mal jedoch – meinen Nacken, wo ihre Hand auf meinem leinenen Kragen ruhen konnte.

      »Sie ziehen sich vor Tisch anders an, nicht wahr?« flüsterte sie. »Lassen Sie mich für Sie auspacken und ein Kleid wählen, daß mir gefällt.«

      Jetzt konnte ich mir die glänzende Decoration des Corridors erklären!

      Wir betraten die Zimmer, ihr Schlafzimmer, mein Schlafzimmer und unser zwischen beiden liegendes Wohnzimmer. Ich war darauf gefaßt, sie so zu finden wie sie wirklich waren, so freundlich, wie Spiegel, Vergoldungen, hellfarbige Verzierungen und heitere Nippes aller Art sie machen konnten. Sie glichen mehr den Zimmern in meiner Heimath als den Zimmern des schmuck und farblosen England. Das einzige, was mich noch in Erstaunen setzte, war der Gedanke, daß all dieser schöne gefällige Einige Schmuck in Lucilla’s Wohnung eigens auf den Wunsch eines jungen Mädchens angeordnet war; das nicht sehen konnte. Spätere Erfahrungen sollten mich lehren, daß die Blinden ein Phantasieleben führen können und ihre Lieblingsideen und Illusionen haben wie wir Anderen auch.

      Um mein dunkelviolettes Kleid nach Lucilla’s Wunsch wechseln zu können, mußte ich nothwendig erst meine Koffer haben. Soviel ich wußte, hatte der Junge, der mich hergebracht, mein Gepäck zugleich mit dem Pony nach dem Stall gebracht. Noch bevor Lucilla klingeln konnte, um sich nach dem Verbleib meiner Sachen zu erkundigen, erschien die ältliche Frau, die mich hinaufgeführt, uns aber schweigend verlassen hatte, als wir miteinander auf dem Corridor sprachen, wieder, gefolgt von dem Jungen und einem Stallknecht, welche meine Sachen brachten. Außer meinem Gepäck brachten sie auch noch verschiedene Packete von in der Stadt gekauften Sachen für ihre junge Herrin und eine in weißes Papier gewickelte Flasche mit, welche wie eine Medicinflasche aussah, und welche im Laufe des Tages noch ihre Rolle spielen sollte.

      »Das ist meine alte Amme,« sagte Lucilla, indem sie mir ihre Aufwärterin vorstellte. »Zillah versteht sich ein wenig auf Alles, Kochen mit einbegriffen Sie hat darin in einem Londoner Clubhause Unterricht genommen. Sie müssen Zillah um meinetwillen gern haben, Madame Pratolungo. Sind Ihre Koffer offen?«

      Indem sie das fragte, legte sie sich vor den Koffern auf die Knie. Kein Mädchen im vollsten Besitz seiner Sehkraft hätte sich mehr damit amüsiren können als es Lucilla that. Dieses Mal jedoch sollte sie die wunderbare Feinheit ihres Tastsinns im Stiche lassen. Von zweien meiner Kleider, welche zufällig ein ganz gleiches Gewebe, aber eine verschiedene Farbe hatten, wählte sie das dunkle als das vermeintlich helle aus. Ich sah daß ich sie tief betrübte, als ich sie auf ihr Versehen aufmerksam machte. Die nächste Vermuthung jedoch, die sie aussprach, gab ihr ihre Zuversicht auf das sichere Gefühl ihrer Fingerspitzen wieder. Sie entdeckte die Streifen in einem Paar heller Strümpfe und wurde dadurch wieder heiter gestimmt.

      »Halten Sie sich nicht lange bei Ihrer Toilette auf,« sagte sie, indem sie mich verließ. »Wir essen in einer halben Stunde zu Mittag. Französische Gerichte zu Ehren Ihrer Ankunft. Ich esse gern gut; ich bin was man bei Ihnen Gourmand nennt. Und hier sehen Sie die traurigen Folgen.« Damit legte sie einen Finger an ihr hübsches Kinn. »Ich werde fett; ich bin mit einem Doppelkinn bedroht und das mit zweiundzwanzig Jahren! Abscheulich! Abscheulich!«

      Mit diesen Worten verließ sie mich. Und das war der erste Eindruck, den ich von »dem armen Fräulein Finch« empfing.

       Viertes Kapitel.

      Begegnung mit dein Manne im Zwielicht

      Unser kleines angenehmes Diner war schon lange vorüber. Wir hatten geplaudert und zwar, wie es Frauen zu thun pflegen, nur über uns selbst. Der Tag ging seinem Ende entgegen. Die untergehende Sonne ergoß eben ihren letzten rothen Schimmer über unser hübsches Wohnzimmer, als Lucilla, wie wenn ihr plötzlich etwas einfiele, aufsprang und klingelte.

      Zillah erschien. »Die Flasche aus der Apotheke,« sagte Lucilla. »Ich hätte schon vor Stunden daran denken sollen.«

      »Wollen Sie die Flasche Susannen selbst bringen, liebes Kind?«

      Es freute mich zu hören, daß die alte Amme so so familiär mit ihrer jungen Herrin verkehrte. Es war das so durchaus unenglisch. Nieder mit dem teuflischen System der Sonderung der Stände in diesem Lande!

      »Jawohl, ich will sie selbst hinbringen.«

      »Soll ich mit Ihnen gehen?«

      »Nein, nein. Dazu ist gar keine Veranlassung.« Dann wandte sie sich zu mir mit den Worten: »Sie sind wohl nach Ihrem Marsche über die Hügel zu müde, um noch auszugehen?«

      Ich hatte zu Mittag gegessen; und etwas geruht, war daher völlig bereit, wieder auszugehen und sagte das.

      Lucilla’s Gesicht erheiterte sich. Aus irgend einem besonderen Grunde war ihr ersichtlich daran gelegen gewesen, mich zu überreden, mit ihr auszugehen.

      »Es handelt sich nur um einen Besuch bei einer armen gichtischen Frau im Dorfe,« sagte sie. »Ich habe etwas zum Einreiben für sie und kann ihr das nicht gut schicken, sie ist alt und eigensinnig. Wenn ich es ihr selbst bringe, so glaubt sie an die Heilkraft des Mittels, wenn es ihr aber ein Anderer bringt, so wirft sie es unfehlbar bei Seite. Ueber unserem angenehmen langen Geplauder hatte ich die Frau ganz vergessen. Wollen wir uns fertig machen?«

      Kaum hatte ich die Thür meines Schlafzimmers hinter mir geschlossen, als an dieselbe geklopft wurde. War es Lucilla? Nein, es war die alte Amme, die mit einer geheimnißvollen Miene, den Finger, wie zu einer vertraulichen Mittheilung, auf den Mund gelegt, auf den Fußspitzen eintrat.

      »Verzeihen Sie, Madame,« fing sie flüsternd an: »Mir scheint, Sie sollten wissen, daß meine junge Herrin einen besonderen Zweck dabei hat, daß sie heute Abend mit Ihnen ausgeht. Sie brennt wie wir Alle vor Neugierde. Gestern Abend hat sie mich mit sich genommen, und bediente sich meiner Augen, um damit zu sehen, aber meine Augen haben sie nicht befriedigt. Nun will sie es mit Ihren Augen versuchen.«

      »Was erregt denn Fräulein Lucilla’s Neugierde so sehr,« fragte ich.

      »Das ist natürlich genug, das arme liebe Kind,« fuhr die Alte fort; indem sie ihren Gedankengang verfolgte, ohne die geringste Notiz von meiner Frage zu nehmen. »Keiner von uns kann etwas über ihn herausbringen Er geht gewöhnlich in der Dämmerung spazieren, Sie können daher ziemlich sicher darauf rechnen, ihn heute Abend zu treffen und selbst beurtheilen, Madame, was mit einem so unschuldigen Geschöpf, wie Fräulein Lucilla, am Besten bei der Sache zu thun ist.«

      Diese sonderbare Antwort erweckte nun meine Neugierde auf’s Aeußerste.

      »Beste

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