Ein tiefes Geheimniss. Уилки Коллинз
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз страница 4
»Das Geheimnis muß offenbar werden,« antwortete Mistreß Treverton. »Mein Gatte muß es wissen und soll es wissen. Ich versuchte, es ihm zu sagen, aber der Mut entsank mir. Daß du es ihm sagen werdest, nachdem ich nicht mehr bin, darauf kann ich mich nicht verlassen. Es muß niedergeschrieben werden. Nimm du die Feder; meine Augen sehen kaum noch, meine Finger fühlen nicht mehr. Nimm die Feder und schreibe, was ich dir sage.«
Sara verbarg, anstatt zu gehorchen, ihr Gesicht in der Bettdecke und weinte bitterlich.
»Du bist seit meiner Vermählung bei mir,« fuhr Mistreß Treverton fort. »Du bist mehr meine Freundin als meine Dienerin gewesen. Willst du mir meine letzte Bitte abschlagen? Du willst! Törin, blicke auf und höre mich an. Es geschieht auf deine eigene Gefahr, wenn du dich weigerst, die Feder zu ergreifen. Schreib oder ich habe keine Ruhe im Grabe. Schreib oder, so wahr der Himmel über uns ist, ich suche aus der andern Welt dich heim!«
Mit einem unterdrückten Schrei richtete Sara sich empor.
»Ihre Worte erfüllen mich mit Schaudern,« flüsterte sie, indem sie ihre Augen mit abergläubisch entsetztem Blick auf das Gesicht ihrer Herrin heftete.
In demselben Augenblicke begann die in allzureichlicher Dosis genommene aufregende Medizin ihre Wirkung auf Mistreß Trevertons Gehirn zu äußern. Sie warf ihren Kopf unruhig von einer Seite des Pfühls auf die andere, sprach gedankenlos einige Zeilen aus einem der alten Theaterstücke, die sie von ihrem Bett hatte hinwegnehmen lassen, und hielt der Dienerin plötzlich die Feder hin, indem sie theatralisch die Hand bewegte und einen Blick nach einer eingebildeten Galerie von Zuschauern emporwarf.
»Schreib!« rief sie mit dem hohlen, schauerlichen Pathos ihrer frühern Bühnenstimme, »schreib!«
Und die schwache Hand bewegte sich wieder mit einer matten, unsichern Nachahmung der alten Theatergebärde. Mechanisch die Finger um die Feder schließend, welche hineingesteckt ward, wartete Sara, deren Augen immer noch die abergläubische Furcht verrieten, welche die Worte ihrer Herrin erweckt hatten, auf den nächsten Befehl.
Es vergingen einige Minuten ehe Mistreß Treverton wieder sprach. Sie war noch hinreichend bei Besinnung, um sich, wenn auch unklar, der Wirkung bewußt zu sein, welche die Medizin auf sie äußerte, und die ferneren Fortschritte zu bekämpfen, ehe sie ihre Ideen gänzlich verwirrte.
Sie verlangte daher zuerst ihr Riechfläschchen und dann Eau de Cologne. Dieses letztere, welches sie sich auf ihr Taschentuch gießen und dann auf die Stirn legen ließ, schien ihre Geisteskräfte zum Teil wieder herzustellen. Ihre Augen gewannen wieder den intelligenten, ruhigen Blick und als sie ihre Zofe wieder anredete und zu ihr nochmals sagte: »Schreib!« war sie im Stande, dem Befehle dadurch Nachdruck zu geben, daß sie sofort in ruhigem, besonnenem und entschlossenem Tone zu diktieren begann.
Saras Tränen rannen; ihre Lippen murmelten abgebrochene Worte, in welche Bitte und Ausdruck von Reue und Furcht sich auf seltsame Weise mischten, aber sie schrieb gehorsam weiter in schwankenden Zeilen, bis sie beinahe die ersten beiden Seiten des Briefbogens vollgeschrieben hatte.
Dann hielt Mistreß Treverton inne, sah das Geschrieben durch, ergriff die Feder und unterzeichnete es mit ihrem Namen.
Bei dieser Anstrengung schien ihre Macht des Widerstands gegen die aufregende Wirkung der Medizin ihr wieder untreu zu werden. Die tiefe Röte begann wieder ihre Wangen zu färben und sie sprach hastig und unsicher, als sie die Feder wieder ihrer Dienerin einhändigte.
»Unterschreibe!« rief sie, indem sie mit der Hand matt auf die Bettdecke schlug. »Unterschreibe: ‚Sara Leeson als Zeugin.’ Don nein; schreib: ‚als Mitschuldige.’ Nimm deinen Anteil auf dich; ich will nicht, daß auch dieser mir zugewälzt werde. Unterschreibe! Ich bestehe darauf; unterschreibe, wie ich dir sage !«
Sara gehorchte und Mistreß Treverton nahm ihr das Papier aus der Hand und zeigte mit derselben wehmütigen theatralischen Geste darauf, die ihr vorhin entschlüpft war. »Dies wirst du deinem Herrn geben, wenn ich tot bin,« sagte sie, »und jede Frage, die er dir vorlegt, so wahrheitsgetreu beantworten, als ob du vor dem Richterstuhl des Höchsten stündest.«
Die Hände faltend, sah Sara ihre Herrin zum ersten Male mit ruhigen Augen an und sprach zum ersten Male in ruhigem Tone mit ihr.
»Wenn ich wüßte, daß ich zum Sterben geschickt wäre,« sagte sie »o wie gern wollte ich mit Ihnen tauschen.«
»Versprich mir, daß du das Papier deinem Herrn geben willst,« wiederholte Mistreß Treverton. »Versprich – doch nein! Deinem Versprechen traue ich nicht – schwören sollst du es mir. Hole die Bibel – die Bibel, deren sich der Geistliche bediente, als er diesen Morgen hier war. Hole sie oder ich habe keine Ruhe im Grabe. Hole sie oder ich komme aus der andern Welt zu dir.«
Die Herrin lachte, während sie diese Drohung wiederholte. Die Dienerin schauderte, während sie dem Befehl gehorchte, dem diese Drohung Nachdruck geben sollte.
»Ja, ja – die Bibel, deren sich der Geistliche bediente,« fuhr Mistreß Treverton halb gedankenlos fort, als das Buch zur Stelle gebracht war. »Der Geistliche – ein guter schwacher Mann – ich erschreckte ihn, Sara. Er sagte: ‚Sind Sie mir allen Menschen in Frieden?’ und ich antwortete: ‚Mit allen bis auf einen.’ Du weißt, wen.«
»Des Kapitäns Bruder. O, sterben Sie nicht in Feindschaft mit irgend jemandem. Sterben Sie auch mit ihm in Freundschaft!« bat Sara.
»Das sagte der Geistliche auch,« entgegnete Mistreß Treverton, indem ihre Augen kindisch im Zimmer herumzuschweifen begannen, während ihr Ton plötzlich leiser und verworrener ward. »‚Sie müssen ihm vergeben’, sagte der Geistliche. Und ich sagte: ‚Nein. Ich verzeihe allen Menschen, aber dem Bruder meines Gatten nicht.’ Der Geistliche stand ganz erschrocken von seinem Stuhle auf, Sara. Er sagte, er wolle für mich beten und wiederkommen. Wird er wiederkommen?«
»Ja, ja,« antwortete Sara, »er ist ein guter Mann – er wird wiederkommen – und o, sagen Sie ihm, daß Sie dem Bruder des Kapitäns verzeihen. Jene schändlichen Worte, die er, als Sie vermählt wurden, von Ihnen sprach, wird er schon einmal entgelten müssen. Vergeben Sie ihm – vergeben Sie ihm, ehe Sie sterben.«
Indem Sara diese Worte sagte, versuchte sie zugleich die Bibel behutsam aus den Augen ihrer Herrin zu entfernen. Diese Bewegung entging aber Mistreß Trevertons Aufmerksamkeit nicht und erweckte ihre sinkenden Kräfte zur Beobachtung der sie umgebenden Dinge.
»Halt!« rief sie, während wieder ein Schimmer der alten Entschlossenheit aus ihren schon vom Tode umflorten Augen leuchtete. Sie packte Sara krampfhaft bei der Hand, legte dieselbe auf die Bibel und hielt sie darauf fest. Ihre andere Hand tastete eine Weile auf der Bettdecke umher, bis sie endlich dem an ihren Gatten gerichteten beschriebenen Papier begegnete. Ihre Finger erfaßten es und ein Seufzer der Erleichterung entrang sich ihren Lippen.
»Ha,« rief sie, »jetzt weiß ich, wozu ich die Bibel haben wollte. Ich sterbe bei vollem Verstande, Sara; du kannst mich auch jetzt noch nicht täuschen.«
Sie hielt wieder inne, lächelte ein wenig und flüsterte dann hastig bei sich selbst: »Warte, warte, warte!«
Dann setzte sie laut mit der alten theatralischen Stimme und Gebärde wieder hinzu:
»Nein, auf dein Versprechen hin traue ich dir nicht. Ich