Ein tiefes Geheimniss. Уилки Коллинз
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз страница 5
»Schwöre! Schwöre!« sagte Mistreß Treverton.
»Die Stimme versagte ihr, als sie dieses Wort ausgesprochen hatte. Sie mühte sich ein wenig, erlangte die Sprache wieder und fuhr fort:
»Schwöre, daß du dieses Papier nicht vernichten willst, wenn ich tot bin.«
Selbst während sie diese feierlichen Worte sprach, selbst bei diesem letzten Kampfe um Leben und Kraft bewies der unausrottbare theatralische Instinkt mit furchtbarer Hartnäckigkeit, wie fest derselbe in ihrem Gemüt wurzelte. Sara fühlte die kalte Hand, die noch auf der ihrigen lag, einen Augenblick sich heben – sie sah wie dieselbe ihr graziös winkte – fühlte, wie sie sich wieder herabsenkte und die ihrige mit zitterndem, ungeduldigem Druck umschloß. Bei dieser letzten Aufforderung antwortete sie mit schwacher Stimme:
»Ich schwöre es!«
»Schwöre auch, daß du dieses Papier nicht mit fortnehmen willst, wenn du, nachdem ich tot bin, dieses Haus verlässest.«
Wieder zögerte Sara, ehe sie antwortete – wieder machte sich der zitternde Druck auf ihrer Hand fühlbar, obschon diesmal schwächer – und wieder stammelten ihre Lippen die Worte:
»Ich schwöre es!«
»Schwöre,« begann Mistreß Treverton zum dritten Male. Die Sprache versagte ihr aber wieder und sie bemühte sich jetzt vergebens, die Herrschaft über dieselbe wiederzuerlangen.
Sara blickte auf und sah, wie Vorläufer von Konvulsionen das schöne Gesicht zu entstellen begannen. Sie sah wie die Finger der weißen, zartgeformten Hand sich krümmten, während sie nach dem Tische hinüberlangten, auf welchem die Medizinflaschen standen.
»Sie haben es ausgetrunken,« rief Sara aufspringend, als sie die Bedeutung dieser Gebärde erriet. »Herrin, liebe Herrin, Sie haben es ausgetrunken, es ist bloß noch das Opiat da. Lassen Sie mich gehen – ich will –«
Ein Blick von Mistreß Treverton tat ihr Einhalt, ehe sie weiter ein Wort sprechen konnte. Die Lippen der Sterbenden bewegten sich rasch.
Sara hielt ihr Ohr dicht an dieselben. Anfangs hörte sie nichts als keuchende, schnell aufeinander folgende Atemzüge, dann einige gebrochene, verworrene, damit gemischte Worte:
»Ich bin noch nicht fertig – du mußt schwören – komm näher heran, näher, näher – noch ein Drittes – dein Herr – schwöre, daß du ihm das Papier geben –«
Die letzten Worte starben leise hinweg. Die Lippen, welche sie so mühsam geformt, teilten sich plötzlich, schlossen sich aber nicht wieder. Sara sprang nach der Tür und rief in den Korridor hinaus nach Hilfe – dann eilte sie an das Bett zurück, ergriff den Bogen Briefpapier, auf welchen sie nach dem Diktat ihrer Herrin geschrieben, und verbarg ihn in ihrem Busen.
Der letzte Blick aus Mistreß Trevertons Augen heftete sich streng und vorwurfsvoll auf sie, indem sie dies tat, und bewahrte während der augenblicklichen Verzerrung der übrigen Züge diesen Ausdruck einen einzigen atemlosen Augenblick lang unverändert.
Dieser Augenblick ging vorüber und mit dem nächsten stahl der Schatten, welcher dem Eintritt des Todes vorangeht, sich herauf und drängte in einer einzigen ruhigen Sekunde das Licht des Lebens von dem ganzen Gesichte hinweg.
Der Arzt trat in Begleitung der Wärterin und eines der Diener in das Zimmer, eilte an das Bett, sah aber auf den ersten Blick, daß die Zeit seiner Dienste hier für immer vorüber war. Er wendete sich zuerst zu dem Diener, der ihm gefolgt war.
»Geht zu Eurem Herrn« sagte er, »und bittet ihn, in seinem Zimmer zu warten, bis ich zu ihm kommen und mit ihm sprechen kann.«
Sara stand noch, ohne sich zu bewegen oder zu sprechen, oder auf jemand zu achten – am Bett.
Die Wärterin, welche sich näherte, um die Vorhänge zusammenzuziehen, stutzte beim Anblick ihres Gesichts und wendete sich dann zu dem Arzt.
»Ich glaube, es wird gut sein, wenn diese Person das Zimmer verläßt; meinen Sie nicht auch, Herr Doktor?« sagte die Wärterin mit einem gewissen Ausdruck von Verächtlichkeit in ihrem Ton und Blick. »Sie scheint durch das, was geschehen ist, über alle Maßen angegriffen und erschreckt zu sein.«
»Jawohl,« sagte der Doktor, »es ist am besten, wenn sie sich entfernt. Ich gebe Euch den Rat, uns auf einige Zeit zu verlassen,« setzte er hinzu, indem er Sara am Arme berührte.
Sie fuhr argwöhnisch zusammen, hob eine ihrer Hände zu der Stelle empor, wo die Schrift verborgen an ihrem Busen lag, und drückte sie fest darauf, während sie die andere Hand nach einem Licht ausstreckte.
»Ihr werdet wohltun, wenn Ihr eine Weile in Eurem Zimmer ausruht,« sagte der Arzt, indem er ihr ein Licht gab. »Doch, wartet,« setzte er, nachdem er einen Augenblick nachgedacht, hinzu: »Ich stehe im Begriff, die traurige Neuigkeit Eurem Herrn mitzuteilen. Vielleicht wünscht er die letzten Worte zu hören, welche Mistreß Treverton in Eurer Gegenwart gesprochen hat. Deshalb ist es vielleicht am besten, wenn Ihr mitkommt und wartet, während ich zu dem Kapitän hineingehe.«
»Nein! Nein! – jetzt nicht, jetzt nicht, um des Himmels willen!«
Indem Sara diese Worte in leisem, raschem, bittendem Tone sprach und sich dabei wie erschrocken nach der Tür zurückzog, verschwand sie, ohne einen Augenblick zu warten, was man weiter zu ihr sagen würde.
»Eine sonderbare Person,« sagte der Arzt zu der Wärterin gewendet. »Geht ihr nach und sehr, wohin sie geht, im Fall sie gebraucht wird und wir nach ihr schicken müssen. Ich will hier warten, bis Ihr zurückkommt.«
Als die Wärterin zurückkam, hatte sie weiter nichts zu berichten, als daß sie Sara Leeson bis an ihr Schlafzimmer gefolgt sei – sie in dasselbe habe hineingehen sehen – daß sie an der Tür gehorcht und gehört habe, wie dieselbe von innen verschlossen worden.
»Eine sonderbare Person,« wiederholte der Arzt, »eine von der schweigsamen, geheimnisvollen Sorte.«
»Eine von der nicht guten Sorte,« bemerkte die Wärterin. »Sie spricht immer mit sich selbst und das ist meiner Ansicht ein schlimmes Zeichen. Ihr ganzes Aussehen gefällt mir nicht und ich habe ihr gleich von dem ersten Tage an, wo ich dieses Haus betreten, nicht getrauet.«
Zweites Kapitel
Das Verbergen des Geheimnisses
In dem Augenblick, nachdem Sara Leeson den Schlüssel in der Tür ihres Schlafzimmers herumgedreht hatte, nahm sie den Bogen Briefpapier aus dem Versteck ihres Busens. Sie schauderte, indem sie ihn herauszog, als ob schon seine Berührung sie verwundete, legte ihn offen auf ihren kleinen Ankleidetisch und heftete ihre Augen neugierig auf die Zeilen, welche der Brief enthielt.
Anfangs schwammen und verschmolzen sich dieselben vor ihren Augen durcheinander. Sie drückte ihre Hände einige Minuten lang auf die Augen und betrachtete dann die Schrift wieder. Die Buchstaben waren jetzt klar – deutlich und klar und, wie ihr vorkam, unnatürlich groß.