Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman - Viola Maybach страница 26
»Welchen?«
»Bevor er aus der Kirche gestürzt ist, hat er gesagt: »Ich werde dich immer lieben, Lara.«
»Und dann hat er sich umgedreht und ist weggelaufen?«
Lara nickte. »Ich weiß nicht, was ihn dazu gebracht hat, mich zu verlassen, Lucie, aber ich werde es herausfinden, verlass dich drauf.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Das weiß ich noch nicht. Hilf mir, nachzudenken – zu zweit fällt einem vermutlich mehr ein als allein, meinst du nicht?«
»Keine Ahnung«, murmelte Lucie. »Im Augenblick ist mein Kopf völlig leer, wenn du es genau wissen willst.«
Ein plötzliches Lächeln erhellte Laras Gesicht. Sie beugte sich vor und griff nach der Hand ihrer Freundin. »Meiner auch, Lucie«, sagte sie mit warmer Stimme. »Aber du sollst wissen, wie froh ich bin, dass du bei mir geblieben bist gestern. Ganz allein wäre ich nicht gern gewesen an meinem Hochzeitstag, nur wollte ich das meinen Eltern gegenüber nicht zugeben.«
Sie blieben noch eine Weile so sitzen, jede in ihre eigenen Gedanken vertieft. Lucie fragte sich, ob Lara mit ihrer Einschätzung Recht hatte – und Lara machte sich Sorgen um Lorenz: Wo hielt er sich jetzt auf, was tat er, weshalb war er geflohen?
Sie hoffte sehr, in nächster Zeit Antworten auf diese Fragen zu finden.
*
»Uli!«, sagte Baron Friedrich von Kant erfreut, als er den Mann erkannte, der in diesem Augenblick den Pferdestall betrat, in dem er gerade einen neuen Hengst in Augenschein nahm.
Kriminalrat Ulrich von Wandel umarmte seinen älteren Freund herzlich. »Wurde ja mal wieder Zeit für einen Besuch, Fritz, oder?«, fragte er.
»Kann man so sagen, ja.« Der Baron wies auf den Hengst. »Was sagst du dazu?«
»Ein wundervolles Tier«, erklärte der Kriminalrat. Ulrich von Wandel verstand etwas von Pferden, er war selbst auf einem Gestüt aufgewachsen. Seine Eltern hatten die Pferdezucht allerdings bereits vor geraumer Zeit aufgegeben. »Wenn ich mich hier so umsehe, wird mir immer ganz wehmütig ums Herz, muss ich sagen. So viele Erinnerungen steigen dann in mir auf. Ist ja schon lange her mit unserem Gestüt, aber für mich als Kind war es das Paradies.«
»Du bist herzlich eingeladen, dich öfter hier blicken zu lassen, damit du in Erinnerungen schwelgen kannst. Bleibst du über Nacht?«
»Nein, das wird leider nicht gehen, ich habe viel Arbeit und muss rechtzeitig nach Hause zurück, weil ich morgen sehr früh im Büro sein will. Aber wenn ihr mich zum Abendessen einladet, sage ich nicht nein.«
»Ist hiermit geschehen«, erklärte der Baron. »Hast du Lust, dir noch weitere Pferde anzusehen? Es gibt noch einige, die ich dir gerne zeigen würde.«
Ulrich von Wandelt lachte. Er war ein wenig kleiner als der Baron, sein Haar wurde, obwohl er noch keine vierzig war, an den Schläfen bereits grau, und seine blasse Haut verriet, dass er seine Zeit überwiegend am Schreibtisch verbrachte. Wohl aus diesem Grunde wölbte sich unter seiner Jacke ein kleiner Bauch, den er jedoch mit Eleganz und Würde zu tragen wusste. Er war kein eigentlich gut aussehender Mann, dennoch wirkte er auf Frauen überaus anziehend, weil er charmant und lebhaft war, klug und amüsant erzählen, aber auch geduldig zuhören konnte.
Trotz dieser Vorzüge war er noch immer allein, was nicht nur er, sondern auch seine Freunde und Bekannten auf seinen Beruf schoben: Keine Frau mochte es, wenn ihr Mann zu den unmöglichsten Zeiten Dienst hatte und oft genug mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt wurde. Ganz abgesehen davon, dass er sich sehr veränderte, wenn ein Fall ihn stark beschäftigte – dann verwandelte er sich unversehens in einen stillen und verschlossenen Menschen. So war es auch zu erklären, dass er in recht jungen Jahren bereits Kriminalrat geworden war – es hatte nicht nur mit seinem scharfen Verstand, sondern auch mit seinem unbedingten Arbeitswillen zu tun.
»Du weißt genau«, sagte er jetzt, »dass ich einem solchen Angebot unmöglich widerstehen kann. Pferde sind noch immer meine ganze Leidenschaft – nur fehlt mir normalerweise leider die Zeit dafür.«
Während die beiden Männer ihren langsamen Rundgang durch die Ställe begannen, berichteten sie einander, was sie seit ihrem letzten Treffen erlebt hatten. Dabei machten sie immer wieder vor einzelnen Boxen Halt, weil der Baron sei-
nem Gast die Gelegenheit geben wollte, die jeweiligen Pferde zu bewundern. Irgendwann fragte der Kriminalrat: »Und Chris? Wie geht es ihm jetzt, nachdem etliche Monate seit dem Unglück vergangen sind?«
Er spielte damit auf das tragische Ende von Christians Eltern an: Das Fürstenpaar von Sternberg war bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Seitdem war Christian Vollwaise und lebte in der Familie von Kant – Sofia war eine Schwester seiner Mutter gewesen.
»Wir sind stolz auf ihn«, antwortete der Baron schlicht. »Er ist natürlich stiller geworden, auch reifer.«
»Wenn man mit fünfzehn Jahren beide Eltern verliert«, murmelte Ulrich, »kann einen das vollkommen aus der Bahn werfen, glaube ich.«
»Ja, aber das ist zum Glück nicht passiert«, erwiderte Friedrich. »Wir haben Angst genug um ihn gehabt – zum Beispiel, dass er depressiv werden könnte, Uli.«
»Die Gefahr bestand sicher auch.«
»Vielleicht. Aber er ist stark, und er hat seine eigene Methode entwickelt, die Erinnerung an seine Eltern zu pflegen.«
»Methode?«, fragte Ulrich verwundert.
Der Baron lächelte. »Er besucht seine Eltern jeden Tag auf dem Familienfriedhof und erzählt ihnen, was ihn bewegt.«
»Er redet mit ihnen? Laut?«
»Nein, in Gedanken. Togo, sein Boxer, begleitet ihn. Chris bleibt meistens eine Viertelstunde auf dem Hügel, dann kommt er zurück und macht in der Regel einen ruhigen und gefassten Eindruck. Man könnte es vielleicht mit der Wirkung einer Meditation vergleichen.«
Sie verließen den Pferdestall und sahen unwillkürlich hinüber zu dem kleinen Hügel, der sich am Rande des Schlossparks erhob: Dort wurden seit Generationen alle Familienmitglieder bestattet.
»Nennen ihn die Leute noch immer ›der kleine Fürst‹?«, erkundigte sich Ulrich.
»Ja, natürlich. Das wird sicher auch so bleiben, bis er volljährig ist.«
»Und damit der nächste Fürst von Sternberg«, murmelte Ulrich.
»Lass uns zurückgehen«, schlug der Baron vor. »Du hast doch Sofia und die Kinder noch gar nicht begrüßt – oder?«
»Nein, nur Herrn Hagedorn«, erklärte Ulrich. »Danke für den Rundgang, Fritz – es war mir ein großes Vergnügen.«
In bestem Einvernehmen machten sich die beiden Männer auf den Weg zum Schloss.
*
»Bist du allein, Papa?«, fragte Lorenz.
Baron Moritz zu Hirtenberg schnappte hörbar