Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 36
»Trotzdem haben wir uns geküßt. Sie sah so rührend und hilflos aus, da mußte ich sie einfach in die Arme nehmen. Und auf einmal ist es passiert. Aber es war so, als ob ich meine Schwester küsse, nicht so aufregend wie bei dir.«
»Wirklich nur ein Kuß?«
»Ehrenwort!« versicherte Falk noch einmal.
»Wie kannst du wissen, wie es ist, eine Schwester zu küssen, wenn du gar keine hast?« fragte Leslie daraufhin schelmisch.
Unterschwellig hatte sie die ganze Zeit gespürt, daß ihm etwas auf der Seele brannte, und nach seinem Geständnis erfüllte sie eine unendliche Erleichterung.
Statt einer Antwort suchten seine Lippen in der Dunkelheit die ihren, und er küßte sie lange und leidenschaftlich. Zumindest dieses Problem war aus der Welt geschafft, und er hoffte inständig, daß das ein gutes Zeichen war.
*
Isabel konnte sich an diesem Abend davon überzeugen, daß Daniel Norden recht hatte mit seiner Behauptung, es gäbe viele wirksame Mittel gegen Nervosität. Nachdem es ihr trotz aller Bemühungen nicht gelungen war einzuschlafen, brachte die Nachtschwester ihr nach seiner Anweisung ein kleines Fläschchen Baldrian, von dem sie vorsichtig ein paar Tropfen einnahm. Sie schmeckten fürchterlich bitter, doch schon nach kurzer Zeit stellte sich die beruhigende Wirkung ein.
»Scheußlich sind die Tropfen schon, aber die Wirkung ist beeindruckend«, erklärte sie, als Schwester Iris kurze Zeit später noch einmal hereinschaute.
»Wie fühlen Sie sich?«
»Viel besser«, gab Isabel unumwunden zu. »Und ehrlich gesagt sind mir Naturheilmittel viel lieber als das chemische Zeug.«
»Die Wirkung natürlicher Heilmittel sollte allerdings auch nicht unterschätzt werden«, warnte Schwester Iris lächelnd. »Viele von ihnen haben bei Überdosierung eine ebenso toxische Wirkung wie rein chemische Präparate.«
»Allein der Geschmack hindert einen daran, zuviel davon einzunehmen.« Isa musterte das unscheinbare Fläschchen mit unverhohlenem Widerwillen.
»Dann ist es ja gut. Wenn Sie morgen früh aufwachen und wieder so nervös sind, dann nehmen Sie einfach auf nüchternen Magen noch einmal ein Löffelchen voll. Das sollte reichen.« Die Schwester nickte noch einmal freundlich, dann zog sie sich zurück, um nach ihren anderen Schützlingen zu sehen.
Isabel ließ sich zurück in die Kissen sinken und versuchte, an etwas anderes als ihre Krankheit zu denken. Am Abend war ihre Freundin Gaby noch bei ihr gewesen, die Isa telefonisch über die Geschehnisse informiert hatte. Sie war sofort herbeigeeilt, um der Freundin Mut zu machen für die bevorstehende Operation. Tatsächlich fühlte sich Isabel von ihren Worten wieder einmal seltsam getröstet und dachte jetzt voll Dankbarkeit daran, wie wertvoll echte Freundschaft doch war. Erst jetzt stellte sie überrascht fest, daß Chris Bachmann dieselbe beruhigende Wirkung auf sie gehabt hatte.
Über diesen tröstlichen Gedanken fielen ihr endlich die Augen zu und sie schlief tief und traumlos bis zum nächsten Morgen.
»Einen schönen guten Morgen!« Mit diesen Worten wurde Isabel am Samstag um sieben Uhr von Daniel Norden geweckt. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst in die Klinik zu kommen, obwohl er nicht bei der Operation anwesend sein würde.
»Wo bin ich?« Schlaftrunken rieb Isabel sich die Augen, und es dauerte eine ganze Weile, ehe sie sich orientiert hatte. Doch plötzlich kehrte sie in die Realität zurück, und schlagartig war sie sich wieder der Bedrohung bewußt.
»Sie sind in der Klinik. Wie geht es Ihnen?« erkundigte sich Daniel fürsorglich, als auch schon Jenny zusammen mit Dr. Pfaller hereinkam, um die Einzelheiten zu besprechen.
»Sie müssen keine Angst haben, wir passen gut auf Sie auf«, erklärte der Arzt, als er Isabels schreckgeweitete Augen sah.
»Ich weiß gar nicht, wovor ich mich mehr fürchten soll, vor der Operation oder dem Befund«, gestand sie leise.
»Nur nicht nervös werden«, beruhigte sie auch Jenny. »Wir erledigen eines nach dem anderen. Jetzt werden Sie für die Operation vorbereitet. Im OP zeichnen wir den Schnitt an, und danach schickt sie unser Anästhesist in einen wohltuenden Schlaf. Sie haben ihn ja gestern abend schon kennengelernt, und er wird Ihnen sicher gesagt haben, daß Sie nichts spüren werden.«
»Das ist es ja, wovor ich die meiste Angst habe«, gestand Isabel mit zitternder Stimme.
Dann wurde sie, begleitet von Daniels guten Wünschen, in den OP geschoben. Alle beteiligten Ärzte und Schwestern waren über ihre Ängste informiert und tröstete sie, solange sie noch bei Bewußtsein war.
»Sie sind alle so lieb«, flüsterte sie Christoph zu, der langsam das Narkotikum in die Infusion laufen ließ. Wie versprochen wich er nicht von ihrer Seite, und seine kräftige Hand lag beruhigend auf ihrem Arm.
»Ich hoffe doch, daß ich besonders lieb bin, oder?« fragte er lächelnd. Schon am Vortag hatte ihn ihre kindliche Angst gerührt, und er hatte sich vorgenommen, ihr beizustehen.
»Passen Sie auch auf, daß ich wieder wach werde?« Sie schlief schon fast, doch krampfhaft versuchte sie die Augen offen zu halten, so sehr faszinierte sie sein fast zärtlicher Blick.
»Wenn Sie wollen, besuche ich Sie heute nachmittag, damit Sie sehen, daß Ihre Befürchtungen umsonst waren.« Ein Lächeln umspielte seinen Mund, als er sie weiter betrachtete, wie sie gegen den Schlaf ankämpfte.
»Versprechen Sie es?« fragte sie noch, doch bevor er eine Antwort geben konnte, fielen ihr die Augen endgültig zu.
»Sie schläft!« verkündete Chris einige Minuten später, als er sicher sein konnte, daß sich Isabel im Tiefschlaf befand.
»Ist das Ihre Art, Ihren Patientinnen schöne Träume zu verschaffen?« spottete Dr. Pfaller freundschaftlich, doch Chris Bachmann ließ sich von dieser Bemerkung überhaupt nicht beeindrucken.
»Der Zweck heiligt die Mittel«, erklärte er lakonisch und warf einen heimlichen Blick auf Isabel. Er verriet mit keinem Wort, daß ihn die junge Frau auf dem Operationstisch in seinem Innersten berührt hatte und daß noch niemals eine Patientin vor ihr so tief in seine Augen geschaut hatte.
Ernst Pfaller war ein sehr erfahrener Chirurg und setzte den Schnitt zügig und sicher. Die Operation ging schnell voran, und bald darauf hatte er die rechte Schilddrüse ohne Komplikation entfernt. Das Organ wurde sofort ins Labor geschickt, um anhand eines Schnellschnittes eine erste Biopsie des Gewebes zu erhalten. Bis das Ergebnis, das zu neunzig Prozent sicher war, feststand, wurde Isabel in Narkose gehalten, um bei einem bösartigen Befund sofort die andere Schilddrüse und vorsichtshalber auch gleich die Lymphknoten im Halsbereich entfernen zu können. Bange Minuten des Wartens vergingen, in denen alle Beteiligten tatenlos am Operationstisch stehen mußten. Endlich kam das erlösende Ergebnis, Isabel litt nicht wie befürchtet an einem C-Zell-Karzinom.
Jenny und Ernst lächelten sich erleichtert zu, bevor der Chirurg damit begann, die entstandene Wunde fachgerecht zu versorgen. Niemand schenkte in diesem Moment dem Anästhesisten Beachtung, dessen Augen vor Freude strahlten, bevor seine ganze Aufmerksamkeit wieder den Geräten galt, die Isabels Zustand verläßlich überwachten.