Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Fee hat mir trotz ihrer schweren Grippe eingeschärft, darüber mit dir zu sprechen. Sie möchte unbedingt verhindern, daß das Mädchen zurück ins Heim muß, bevor nicht die Umstände ihrer Flucht geklärt sind.«
Schorsch wiegte nachdenklich den Kopf. »Yasmin macht in der Tat einen sehr verstörten und verängstigten Eindruck. Allerdings ist sie nicht sehr gesprächig. Bis jetzt habe ich kein Wort aus ihr herausgebracht, und den Schwestern geht es nicht anders.«
»Hast du nicht jemanden, der Zeit genug hat, um ihr Vertrauen zu gewinnen?«
»Darüber wollte ich auch mit dir sprechen. Meine Schwestern haben soviel Arbeit, daß ihnen so eine zusätzliche Belastung nicht zuzumuten ist. Aber ich habe da eine andere Idee.«
»Dann schieß los«, erklärte Daniel.
Hans-Georg Leitner stellte seinem Freund mit knappen Worten die Situation dar.
»Verstehe ich richtig, daß du die Frau mit der Fehlgeburt zu Yasmin ins Zimmer legen möchtest, die mit ihrer Schwangerschaft unglücklich zu sein scheint?« fragte Daniel sicherheitshalber noch einmal nach.
»Genauso ist es«, bestätigte Schorsch.
»Ist das nicht ein sehr gewagter Versuch? Womöglich fällt Frau Gordon in tiefe Depressionen, wenn sie diese Ungerechtigkeit der Natur erfaßt.«
»Ich weiß. Aber meinst du nicht, daß es einen Versuch wert ist? Vielleicht ist es eine Chance für beide.«
»Es könnte sein. Allerdings sollte man es etwas sensibler einfädeln, als die beiden kurzerhand in ein Zimmer zu legen. Besteht denn die Möglichkeit, daß sie sich zufällig in der Caféteria kennenlernen?«
»Das ist die Idee! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?«
Doch darauf ging Daniel nicht weiter ein.
Seine Gedanken waren schon woanders. »Das Problem ist, daß wir das Heim davon überzeugen müssen, daß Yasmin in der Klinik bleiben muß«, gab er zu bedenken.
»Das sollte nicht schwer sein. Tatsächlich ist ihr Allgemeinzustand nicht so gut, daß man sie in dieser Phase der Schwangerschaft ohne ärztliche Kontrolle lassen sollte.«
»Das Heim wird einwenden, daß sie sich eine Privatklinik nicht leisten können.«
»Das laß mal meine Sorge sein«, erklärte Schorsch eindringlich. »In solchen Dingen habe ich mehr Erfahrung als du.«
»Das ist auch gut so«, lachte Daniel. »So ergänzen wir uns perfekt.«
Nachdem sie noch ein paar private Worte gewechselt hatten, beendeten sie in großem Einverständnis das Telefonat.
*
Zufrieden schritt Elisabeth Weinzierl in ihrem Büro auf und ab, während sie auf ihre Mitarbeiterin Fanny Schmiedel wartete. Seit fünf Jahren leitete sie nun schon das Kinderheim in der Schmidtstraße. Zwar hatte sie sich mit ihrer autoritären Art bei den Kindern nicht gerade beliebt gemacht, doch auf diese Weise hatte sie sich zumindest Respekt verschafft. Das Leben im Heim verlief in streng geregelten Bahnen, was die Kinder einerseits etwas einengte, ihnen andererseits aber die Sicherheit gab, die die oft vernachlässigten Kleinen so schmerzlich vermißten. Es kam nicht häufig vor, daß sich ein Kind so unwohl fühlte, daß es ausriß. Bei Yasmin Pecher lagen durch ihre Schwangerschaft besondere Umstände für ihre Flucht vor, davon war Frau Weinzierl felsenfest überzeugt. Sie war sehr erleichtert gewesen, als die Polizei sie davon unterrichten konnte, daß sich Yasmin in einer gynäkologischen Privatklinik befand und wohlauf war.
Es klopfte, und Elisabeth wurde aus ihren Gedanken gerissen.
»Da sind Sie ja, Fanny, kommen Sie nur herein!« forderte sie die junge Erzieherin auf.
»Gibt es Neuigkeiten über Yasi?« erkundigte sich diese mit angstvoll geweiteten Augen, doch Elisabeth Weinzierl konnte sie schnell beruhigen.
»Sie ist in der Leitner-Klinik, einer gynäkologischen Privatklinik. Ihr und dem Kind geht es gut. Die Polizei hat mich gerade informiert.«
»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte Fanny erleichtert. Seit Beginn der Schwangerschaft hatte sie sich große Sorgen um ihren Schützling gemacht, die sich sehr verändert hatte. Aus dem fröhlichen, stets gut gelaunten Mädchen war beinahe über Nacht eine in sich gekehrte, bedrückte junge Frau geworden. So sehr sich Fanny auch bemüht hatte, Yasmin wollte ihr nicht erzählen, was vor Monaten auf der Party eines Klassenkameraden geschehen war.
»Ich bin auch sehr erleichtert«, unterbrach Elisabeth Weinzierl Fannys Gedanken. »Ich habe bereits mit dem Leiter der Klinik gesprochen und einen Termin mit ihm vereinbart. Deshalb habe ich Sie rufen lassen. Ich möchte, daß Sie mich begleiten.«
Das war eine sehr ungewöhnliche Vorgehensweise von Frau Weinzierl, die die Dinge immer gern selbst regelte.
Fanny sah sie erstaunt an.
»Sie finden es vielleicht merkwürdig, aber in diesem speziellen Fall möchte ich keinen Fehler machen. Sie sind Yasmins Vertrauensperson und können sicher besser auf sie eingehen als ich«, erklärte Elisabeth schnell, als sie Fannys Blick bemerkte.
»Leider kann ich das heute nicht mehr behaupten. Seit ihrer Schwangerschaft ist Yasi so verändert. Sicher ist es ein tiefer Einschnitt in ihr Leben, aber irgend etwas ist vorgefallen, das sie zutiefst erschüttert hat. Das Problem ist, daß sie mit niemandem darüber sprechen will.«
»Wir werden sehen. Vielleicht kann uns Herr Dr. Leitner mehr darüber berichten. Gehen wir.« Frau Weinzierl griff nach ihrer Handtasche.
»Jetzt gleich?« fragte Fanny verwundert.
»Natürlich. Gibt es ein Problem?«
»Andrea ist allein mit den Kindern. Ich muß sie zumindest verständigen, daß ich fort bin und wann sie wieder mit mir rechnen kann.«
»Das wird meine Assistentin erledigen. Kommen Sie jetzt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Mit diesen Worten öffnete Elisabeth die Tür und ließ Fanny vorausgehen.
Auf der Straße vor dem Heim wartete bereits das Taxi, das die beiden zur Leitner-Klinik bringen sollte.
*
Yasmin lag gedankenverloren in ihrem Klinikbett und blickte aus dem Fenster. Der Himmel war wolkenverhangen, doch die Temperaturen waren sommerlich mild, so daß das Fenster weit geöffnet war.
Die Vögel zwitscherten, doch selbst dieses fröhliche Geräusch konnte sie nicht aus ihren tristen Gedanken reißen.
»Hallo, Yasmin«, begrüßte sie Schwester Renate, die mit dem CTG hereinkam.
Das Mädchen zuckte zusammen.
»Woher wissen Sie meinen Namen?« fragte sie ängstlich, als Renate ihr sanft das Oberteil des Schlafanzugs hochschob, um die Gurte um den Bauch zu legen, an denen der Schallkopf befestigt war.
»Die Polizei hat dich gesucht und schließlich hier gefunden. Das ist doch ganz einfach«, erklärte die Schwester, die von Schorsch Leitner bis ins Detail über Yasmin informiert war. »So,