Butler Parker 155 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Sie beschämen meine Wenigkeit. Ist es erlaubt, noch mal zu fragen, ob Sie die sogenannte Tigerin sind?«
»Natürlich«, lautete die Antwort, »wie ich Sie einschätze, werden Sie sich nicht nur um Ihren eigenen Dreck kümmern, oder? Sie werden weiterhin versuchen, diese Lomings zu beschützen, nicht wahr? «
»Sie scheinen Miß Ann Lomings nicht sonderlich zu schätzen.«
»Ich werd’ sie schlicht und einfach umbringen, Parker! Und Sie werden das nicht verhindern, glauben Sie mir...«
»Wie Sie zu meinen belieben«, entgegnete der Butler, »fairerweise sollte man Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie bereits einige gravierende Fehler begingen.«
»Kommen Sie mir doch nicht mit diesem uralten Bluff, Parker«, verwahrte sich die dunkle Frauenstimme. »Und welche Fehler sollen das sein?«
»Sie sollten darüber reflektieren«, schlug der Butler vor, »soviel aber sei gesagt, es geht nicht um das Kennzeichen des kleinen Sportwagens, das zu merken ich mir erlaubte. Dieser Wagen wurde sicher gestohlen oder dient dazu, meine Wenigkeit auf eine falsche Spur zu lenken.«
»Wer weiß, Parker, wer weiß?« Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte leise.
»Man erlaubt sich, Ihnen noch einen harmonischen Verlauf des Resttages zu wünschen«, meinte der Butler und legte dann auf. Er stellte das Telefon nach unten in seine Souterrainwohnung und begab sich dann in «eine Gemächer. Es wurde Zeit, den Tee für Mylady zu richten.
Er hatte seine Wohnung im Souterrain noch nicht ganz erreicht, als das Telefon schon wieder klingelte. Parker dachte allerdings nicht im Traum daran, erneut zu reagieren. Nach seinen einschlägigen Erfahrungen war ein gereizter Gegner ein relativ leichter Gegner.
*
»Sie hätten mich selbstverständlich vorher informieren müssen«, räsonierte Agatha Simpson, »wäre ich mitgekommen, Mr. Parker, hätte ich diesen sogenannten Tiger bereits ausgeschaltet.«
»Meine Wenigkeit wollte Mylady nicht stören.« Parker hatte den Tee und dazu einige kleine Backwaren serviert. Darunter befand sich ein Früchtekuchen, der mit Rum getränkt war. Lady Agatha schnupperte angetan und nickte wohlwollend.
»Obst ist immer gesund«, sagte sie und ließ sich ein Stück reichen. Sie befand sich im Salon des Hauses und hatte sich gerade Parkers Bericht angehört.
»Dieser Tiger ist also eine Frau«, meinte sie, nachdem sie ausgiebig gekostet hatte, »das schränkt den Täterkreis erheblich ein.«
»Eine Feststellung, Mylady, die man nur als trefflich bezeichnen kann«, antwortete der Butler gemessen.
»Ich werde mich in diesen Fall selbstverständlich einschalten«, verkündete die passionierte Detektivin, »aber wie gesagt, er wäre bereits gelöst, wenn ich mitgekommen wäre.«
»Meine Wenigkeit würde niemals widersprechen, Mylady.«
»Warum sollten Sie auch? Tatsachen sind und bleiben Tatsachen, Mr. Parker! Aber nachdem Sie alles unnötig verfahren haben, braucht dieser Fall jetzt eine ordnende Hand.«
»Mylady werden wieder beispielgebend sein.«
»Ich weiß, ich weiß.« Sie nickte wohlwollend. »Übrigens würde ich gern noch etwas Obst essen, Mr. Parker. Dieses Stückchen Kuchen aber jetzt etwas dicker, wenn ich bitten darf.«
Parker hielt sich an die Anordnung und schnitt dreifingerbreit ab. Lady Agatha nickte wohlwollend, als der Butler ihr den gefüllten Kuchenteller reichte.
Sie war eine große, majestätische Erscheinung, die man füllig nennen konnte. Sie hatte das sechzigste Lebensjahr zwar überschritten, doch sie nahm dies einfach nicht zur Kenntnis. Sie verfügte über die Dynamik eines außer Kontrolle geratenen Panzers und genoß es, sich ungeniert und unkonventionell zu geben.
Lady Agatha, schon seit vielen Jahren verwitwet, war eine vermögende Frau, die sich jedes noch so ausgefallene Hobby leisten konnte. Seitdem Josuah Parker in ihren Diensten stand, betrachtete sie sich als Amateurdetektiv und nutzte jede sich bietende Gelegenheit, den Kriegspfad zu beschreiten.
Ein Gefühl für Gefahr oder Angst war ihr völlig fremd. Wo immer sie sich auch aufhielt, Lady Agatha bestach durch ihre robuste Ungeniertheit und Direktheit. Sie nannte die Dinge stets beim Namen und verblüffte ihre Gegner immer wieder durch ihr Temperament.
»Ich werde mir diese Artistin ansehen«, meinte sie, während sie das wirklich sehr große Kuchenstück dezimierte, »wahrscheinlich haben Sie ihr die falschen Fragen gestellt, Mr. Parker.«
»Dies, Mylady, sollte man nicht ausschließen.« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Haltung war für ihn oberstes Gebot.
»Es wird sich um eine Eifersuchtsgeschichte handeln«, mutmaßte die ältere Dame weiter, »dieses fahrende Volk, ob es nun zum Zirkus, zum Film oder zum Fernsehen gehört, ist doch nur zu bekannt dafür. Man sieht es doch immer wieder in den Kriminalfilmen.«
»Möglicherweise verzichtet Miß Lomings auf Hilfe«, warf der Butler ein.
»Papperlapapp, Mr. Parker! Das steht überhaupt nicht zur Debatte«, grollte sie prompt, »sie wird erst gar nicht gefragt ... Natürlich braucht sie meine Hilfe, wenn sie nicht umgebracht werden will. Oder könnte es sich hier um einen raffinierten Reklametrick handeln? Haben Sie auch daran schon gedacht?«
»Sehr wohl, Mylady«, lautete Parkers Antwort.
»Aber Sie glauben natürlich nicht daran, wie? Ich weiß doch, wie schnell Sie sich von einem unschuldigen Gesicht täuschen lassen, Mr. Parker. Was Sie brauchen, ist Menschenkenntnis. Nehmen Sie sich an mir ein Beispiel! Eine Lady Simpson kann man nicht hinter’s Licht führen!«
»Dies kann man nur bewundernd zur Kenntnis nehmen, Mylady.«
»Wo finde ich die Artistin?« fragte die ältere Dame noch mal, »ich denke, ich werde sie mir umgehend ansehen.«
»Miß Ann Lomings wohnt in Southwark«, beantwortete Parker die Frage, »und morgen wird Miß Loming einen «recht gefährlichen Stunt in Dorking ausführen.«
»Sehr interessant. Und um was handelt es sich?«
»Miß Dorking hat die feste Absicht, vom Kühler eines Jeeps auf die Ladefläche eines Trucks umzusteigen.«
»Was ist denn das schon?« Agatha Simpson schüttelte den Kopf, »ich kann nur hoffen, daß beide Fahrzeuge sich dabei auch bewegen.«
»Dies ist allerdings beabsichtigt«, antwortete Parker gemessen.
»Wahrscheinlich wird man das alles im Zeitlupentempo drehen«, sagte sie verächtlich, »man kennt doch die Tricks. Sprang sie tatsächlich von diesem Flachdach?«
»Unbezweifelbar, Mylady.«
»Das müßte ich mal versuchen«, sagte sie nachdenklich, »erinnern Sie mich bei Gelegenheit daran, Mr. Parker.«
»Mylady können sich fest darauf verlassen«, lautete Parkers Antwort. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos.
*