Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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Selig der Himmel, der dich rauschend umstellt,

       Selig dein lauschender Spiegel, die Welt,

       Selig die Sterne, die sie strahlend umschweben,

       Selig der Tod und selig das Leben!

      BARUCH (auf die Knie zu dem Knienden stürzend):

       Jeremias, mein Meister, Jeremias! Nicht uns allein lasse leuchten dein Wort. Auf dem Markte harret das Volk, und sie vergehen in Ängsten, ihre Seele lischt in Zagen und Klagen. Sie wollen sterben und vergehen um Jerusalems willen. Meister, mein Meister, gib ihnen Leben, gib ihnen Gott zurück! Richte auf die Verzagten, und die Durstigen tränke mit den Wassern des Lebens!

      DER ÄLTESTE:

       Ja, richte auf der Wankenden Knie, belebe die zagenden Herzen! Gieß aus dein Wort über die Schmachtenden, gieß es aus!

      STIMME:

       Auf… zu den Brüdern… zu unsern Brüdern… erwecke sie… gib ihnen Trost, wie du uns gegeben… gib Verkündigung… gib Verheißung…

      JEREMIAS (sich aufrichtend):

       Wohlan, meine Brüder, führet mich zu ihnen! Der Getröstete Gottes bin ich gewesen, nunab will ich ein Tröster sein! Laßt uns gehen, meine Brüder, vielleicht ist der Verworfene gewählet, laßt uns gehen zu den Brüdern, den verzagten, daß wir den Tempel in ihren Herzen aufrichten, daß wir ihnen bauen das ewige Jerusalem!

      (JEREMIAS geht mit starken Schritten gegen den Ausgang.)

      DIE ANDERN (umringen ihn jauchzend, einige eilen voraus, ihre Stimmen klingen ekstatisch durcheinander): Jerusalem… oh, das ewige Jerusalem… Verkündigung… Auf, Bauherr Gottes… Ewig währet Jerusalem…

      IX. Der ewige Weg

       Inhaltsverzeichnis

       »Denn ich weiß wohl, was für Gedanken ich über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, daß ich euch gebe das Ende, dessen ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen, und ich werde euch erhören. Denn so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr, und will euer Gefängnis wenden.«

      Jer. XIX, 11–14.

      Der gleiche große Platz vor dem Tempel wie im ersten Bilde, doch nun mit allen Zeichen der Vernichtung und Zerstörung.

      Auf dem Platze stauen sich in wirrem Geschiebe Karren mit Hausrat beladen, aufgezäumte Tragtiere, Wagen und Gefährte, dazwischen der strömende Schwarm der flüchtigen Menschen, die zum großen Aufbruch rüsten. Immer neue Gruppen drängen aus den Gassen her, immer lauter wird das Geschwirre der Stimmen. Auf den Stufen hocken teilnahmlos Greise und Frauen, indes die Männer die Maulesel zäumen; chaldäische Krieger in voller Rüstung schreiten stolz und herrisch durch das Getümmel, sich Platz mit den Speeren stoßend, und wachen über die Vertriebenen.

      Über dem wirr geschäftigen tragischen Treiben hängt das Dunkel einer mondverwölkten Nacht, die allmählich in das Ungewiß der nahenden Dämmerung übergeht. Manchmal löst sich ein Glanz von Licht weißlich aus den Wolken los und erhellt das Bild der Verwirrung, indes von Osten schon als rötlicher Rauch der Frühschein des Morgens sich kündet.

      STIMMEN:

       Hier ist der Platz… wie viele ihrer schon sind… haltet euch zusammen, Söhne Rubens… wie es doch dunkel ist… hier voran, daß ihr die ersten seid…

      ANDERE STIMMEN:

       Was drängt ihr… unser ist die Stelle… seit Abend stehen unsere Mäuler hier gegürtet… Unser ist die Stelle… immer will Ruben voran sein…

      EIN ALTER:

       Nicht streitet… lasset Ruben voran, so will es das Gesetz…

      DIE ANDERN STIMMEN:

       Es gibt kein Gesetz mehr… verbrannt ist die Schrift… wer bist du, daß du uns gebieten willst… die Priester ruft, die Priester… Es gibt keine Priester mehr… alle raffte sie das Schwert… Hananja ist entkommen… nein, am Pfahle verdarb er… führerlos sind wir… verlassen von allen… wer wird uns gebieten… oh, Qual der Knechtschaft… wer wird die Opfer empfangen zu Babel… wer uns deuten das Wort… ausgerottet ist Aarons Geschlecht… weh uns Verwaisten… daß wir die Lade doch hätten und die Rolle des Gesetzes… sie ist verbrannt… nein, Gottes Wort verbrennt nicht… selbst sah ich sie kohlen im Feuer, wie eine Schlange sprang sie hoch… wehe, sie ist verbrannt… verbrannt das Gesetz… nein, es kann nicht wahr sein, Gottes Wort verbrennet nicht… ist sein Haus nicht verbrannt, sein Altar nicht gestürzt… ließ er nicht sinken seine heilige Stadt… Ja… ja… hat er nicht uns in Knechtschaft gegeben… ja… ja… gebrochen hat er den Bund, vernichtet die Verheißung… lästert nicht… lästert nicht… ich fürchte ihn nicht mehr… lästert nicht… wer gebietet mir… führerlos sind wir… daß doch Mose uns erstünde… daß ein Richter unter uns wäre… der König, wo ist er… der Geblendete… blind ist er immer gewesen… er hat uns hinabgestoßen… oh, Ende Israels, Ende Jerusalems… was ziehen wir aus ohne Gott und Gesetz, ohne Führer, der uns weise… oh, Simson, Simson… warum kommt er nicht, der uns ausführet mit starker Hand… nie war größer die Not… ach, er kommt nicht, verloren sind wir… Gott ist gesunken mit seinem Tempel… lästere nicht… lästere nicht… daß er doch käme, der Verkünder, der Befreier…

      EINE NEUE GRUPPE (aus dem Dunkel):

       Hier ist des Marktes Mitte… wer seid ihr… Benjamin sind wir… die Letzten, reihet euch an… nein… nein… wir wollen nicht fressen von eurem Staube… und wir nicht den euren… fort mit den Tieren, führt sie am Zaume… ihr tretet die Frauen… weichet aus… wehe, was stoßet ihr… es ist so dunkel… ach, daß es schon Morgen würde, daß ausginge diese Nacht… wehe, wie Arges wünschest du, bete, daß ewig sie währte, denn die letzte ist sie auf Zions Berge… ja… ja… segne die Nacht, sie birgt unsere Tränen, sie hüllt unsere Schmach… die Sonne von morgen wird uns entblößen und unsere Scham den Heiden zeigen… wehe… betet, daß der Morgen nie komme über unser beladen Haupt… ich kann nicht beten mehr… meine Seele ist starr geworden in Schrecken und mein Herz steinern vor Grauen… selig die unten liegen im Dunkel für ewig und Ruhe haben, selig die Toten Israels, sie dürfen weilen im Schatten der Heimat… ins Diensthaus müssen wir ziehen… ach, bräche doch nie dieser Tag über uns… wehe uns, weh unsern Kindern, den Knechten der Fremde…

      (GELÄCHTER UND TUMULT aus dem Palast. Heraus treten, beleuchtet von Fackeln, die trunkenen chaldäischen Fürsten, grölend und lachend. In ihrer Mitte haben sie einen, den sie fortstoßen, einer zum andern, daß er zwischen ihnen schwankt und immer zu fallen droht.)

      DIE CHALDÄISCHEN KRIEGER (durcheinander):

       So geh doch wider Nabukadnezar… Auf, Erstürmer Babels… nicht falle, du Säule Israels… geh… stoßt ihn weg… er ödet uns… nicht kann er tanzen, wie David, der König… nicht schlägt er die Psalter… lasset ihn… kommt zurück zum Weine… an seinen Weibern erletz ich mich lieber… lasset ihn Dunkel trinken, und trinken wir Wein… kommt… kehret… laßt ihn…

      (DIE KRIEGER kehren lachend und lärmend in den Palast zurück. Der Verlassene bleibt unsicher

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