Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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Auf, du Gottvolk! Beginn deine wunderbare

       Heimkehr durch Welt in die Ewigkeit!

      (DIE MENGE gerät in mächtige Bewegung. Schweigend ordnet sich ein ungeheurer Zug. Voran tragen sie den König in einer Sänfte, dann schreiten ernst und feierlich, Geschlecht um Geschlecht, die geordneten Gruppen den Weg gegen die Tore. Ihre Blicke sind aufwärts gerichtet, sie singen im Schreiten, und ihr Ausziehen hat die ernste Feierlichkeit einer Opferhandlung. Keiner drängt sich vor, keiner bleibt zurück, ohne Eile und Hast schreiten die Reihen dahin und schwinden im Vorbeigehen. Immer neue kommen ihnen nach, und es ist, als ginge eine Unendlichkeit hier aus dem Dunkel in die Ferne.)

      STIMME DER SCHREITENDEN:

      In fremden Häusern werden wir wohnen

       Und brechen ein tränensalzenes Brot.

       Auf Schemeln der Schande werden wir sitzen

       Und ängstend schlafen an feindlichem Herd.

       Dunkel der Jahre wird über uns fallen,

       Der Könige Fron und der Herrschenden Haft,

       Doch unsere Seelen entwandern der Fremde

       Und ruhen allzeit in Jerusalem.

      ANDERE STIMMEN DER SCHREITENDEN:

      Aus weiten Wassern werden wir trinken,

       Die bitter brennen dem sehnenden Mund,

       Mit Fremdnis werden uns Bäume umschatten

       Und Stimmen des Ängstens wehen der Wind,

       Doch keine Fremde wird uns zur Ferne,

       Denn von den Sternen wehet uns Tröstung;

       Träume der Heimat enttauchen den Nächten,

       Und unsere Seele erstehet gekräftigt

       Von der heiligen Zehrung Jerusalem!

      ANDERE STIMMEN DER SCHREITENDEN:

      Auf fremden Straßen werden wir fahren,

       Durch Land und Länder stößt uns der Wind,

       Heimat um Heimat reißen die Völker

       Uns von den brennenden Sohlen fort,

       Nirgends ist Wurzel dem stürzenden Stamme,

       Wanderschaft stets unsere wandelnde Welt,

       Doch selig, selig wir Weltbesiegten,

       Denn sind wir auch nur Spreu aller Straßen,

       Nirgends verschwistert und keinem genehm,

       Ewig doch geht unser Zug durch die Zeiten

       Zu unserer Seelen Jerusalem!

      (EINIGE CHALDÄER, unter ihnen ein Hauptmann, sind halbtrunken aus dem Palaste herausgekommen. Ihre Stimmen fahren laut und grell über das dunkle Sprechen der Schreitenden hin.)

      DER HAUPTMANN DER CHALDÄER:

       Hört ihr sie murren? Sie wollen nicht ausziehen! Mit der Peitsche schlag unter sie, wenn sie trotzig sind!

      EIN CHALDÄER:

       Herr, siehe, sie ziehen schon ohne Geheiß! Und sie murren nicht!

      DER HAUPTMANN:

       Wenn sie klagen, schlag die Klage entzwei in ihrem Munde.

      DER CHALDÄER:

       Herr, sie klagen nicht.

      EIN ANDERER CHALDÄER:

       Siehe… wie sie schreiten… wie die Sieger gehen sie einher… es leuchtet in ihren Blicken.

      DIE CHALDÄER:

       Was ist mit diesem Volke… sind sie die Besiegten nicht… hat sie einer genarrt mit falscher Botschaft der Befreiung… hört, was sagen sie… was singen sie… seltsam ist dies Volk… unverständlich in seinem Trotz und seiner Ergebung… wer begreifet dies Volk… in dieser Milde ist eine Kraft, die gefährlich ist… ein Einzug ist dies eines Königs und nicht Auszug der Geknechteten… nie sah die Welt ein Volk wie dieses…

      STIMMEN (vereint sich ablösend, in immer neuen, weiterschreitenden Zügen, in die auch Jeremias unscheinbar eingegangen ist):

      Wir wandern durch Völker, wir wandern durch Zeiten

       Unendliche Straßen des Leidens entlang,

       Ewig sind wir die ewig Besiegten,

       Hörig dem Herde, an dem wir ausrasten,

       Niedrige Knechte niedrigen Frons,

       Doch die Städte, sie sinken, es gleiten

       Völker ins Dunkel wie stürzende Sterne,

       Und die hart unsere Rücken zerschlugen,

       Werden zuschanden Geschlecht um Geschlecht.

       Wir aber schreiten und schreiten und schreiten

       Tiefer hinein in die eigene Kraft,

       Die sich aus Erden die Ewigkeiten

       Und aus ihrem Leiden den Gott entrafft.

      DER CHALDÄISCHE HAUPTMANN:

       Sieh… sieh… wie die Tänzer schreiten sie her… ein Taumel ist über sie gekommen… haben wir sie denn nicht besiegt… sind sie nicht in Schande… warum klagen sie nicht…

      EIN CHALDÄER:

       Ein Geheimnis muß in ihnen sein, das sie verwandelt, ein Unsichtbares, das sie verzückt…

      EIN ANDERER CHALDÄER:

       Ja… sie glauben an das Unsichtbare… das ist ihr Geheimnis…

      DER CHALDÄISCHE HAUPTMANN:

       Wie kann man das Unsichtbare schauen, wie glauben, was man nicht sieht… ein Geheimnis muß in ihnen sein wie in unsern Sterndeutern… man müßte es lernen von ihnen…

      DER CHALDÄER:

       Man kann es nicht lernen. Man kann es nur glauben, und sie sagen, es sei ihr Gott.

      DIE STIMMEN DER AUSZIEHENDEN (sich mächtig erhebend, da nun die Letzten unter ihnen auszuschreiten beginnen):

      Wir wandern den heiligen Weg unserer Leiden,

       Von Prüfung und Prüfung zur Läuterung,

       Wir ewig Bekriegte und ewig Besiegte,

       Wir ewig Verstrickte und ewig Befreite,

       Wir ewig Zerstückte und ewig Erneute,

      

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