Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг страница 69
Wandervolk, Gottesvolk, rüste zur Reise,
Blick in die Ferne,
Blick nicht zurück!
Die verweilen,
Haben die Heimat,
Doch die wandern,
Haben die Welt!
Auf, ihr Gebeugten,
Auf, ihr Besiegten,
Hebet die Stirnen
Über die Nöte
Wider die ewigen Morgenröten
Und der Gestirne
Wanderndes Zelt.
Gott hat die Straßen,
Die ihr beschreitet,
Wissend bereitet,
Wandervolk, Gottesvolk, auf in die Welt!
(DIE MENGE rüstet ringsum zur Wanderung, Getümmel der Menschen und Tragtiere, erregte, eifernde Bewegung.) EINER (vortretend):
Doch sage, du Führer, dulde die zage Klagende Frage,
Werden die Tale uns wieder gehören,
Wird einstens Israel wiederkehren,
Sag, schauen wir wieder Jerusalem?
STIMMEN:
Ja… sage… künde, verkünde… schauen wir wieder Jerusalem?
JEREMIAS:
Ewig wird inwendig es schauen,
Wes Seele nicht Knecht seiner Knechtschaft ist,
Und mit dem Maß seines Gottvertrauens
Die Tiefe allirdischen Leidens durchmißt.
Ihm glänzet urmächtig, am innersten Grunde
Des Herzens Zion zu jeglicher Stunde,
Schöner als wir es vordem gekannt,
Jede Fremde wird ihm das Gottesland!
Oh, wer vertrauet, dem ist es erbauet,
Wer glaubt, schaut immer Jerusalem!
STIMMEN:
Wir glauben… wir glauben… ewig werden wir es schauen… Der Glaube ist unser Jerusalem!
EIN ANDERER (vortretend):
Doch sage, du Führer, wer wird es uns bauen?
JEREMIAS:
Die Inbrunst des Sehnens, die Nacht unsrer Kerker,
Und das Leiden, das euch gelehrigt hat,
Ihr selber werdet die heiligen Werker,
Umschafft ihr die Seelen zur seligen Stadt.
Aus euern Trauern erhebet die Mauern,
Und je tiefer die Völker euch niederbeugen,
Um so höher werden sie gottwärts aufsteigen,
Um so schöner erstehet Jerusalem!
STIMMEN:
Ja, laßt es uns bauen… das Senkblei niederwerfen in unsere Leiden… laßt uns die Steine bebauen unseres Schmerzes… zu Gott die Richtschnur erhoben… bauen wir Jerusalem.
EIN ANDERER:
Doch sage, du Führer, wird es dann dauern?
JEREMIAS:
Steine bröckeln, es stürzen die Mauern
Irdischer Werke, die Reiche veralten,
Städte verschwemmen im Strome der Zeit,
Doch was die Seelen in Leiden gestalten,
Dauert in Gottes Allewigkeit.
Wer kann sie zerstören,
Die unsichtbaren,
Innen geschauten,
Tränenerbauten
Zinnen der heiligen Zuversicht,
Wer kann ihn uns rauben
Den seligen Glauben,
Wer stürzet des Herzens Jerusalem?
STIMMEN:
Ewig währet Jerusalem… wer kann es zerstören… heilig, heilig unsrer Herzen Haus… heilig die Stätte unsrer Not… oh, Tröstung… oh, Zuversicht…
EIN ANDERER:
Doch sage, du Führer, wo sollen wirs finden,
Wo schauet die Seele Jerusalem?
JEREMIAS:
Wo immer ihr euch in euch selber aufrichtet
Und feurig von Furcht und Fremdnis erhebt,
Da ist es aus Wunsch in die Welt gedichtet,
Da ist der Traum unseres Heimwehs erlebt,
An jeglichem Orte,
Wo euch Glaube inwohnet,
Überwölbt euch hell seine mauerne Krone:
Wer glüht, sieht ewig Jerusalem!
STIMMEN:
Oh, Tröstung des Glaubens… Gottes selige Knechtschaft… zerstört hat er die Stadt, daß sie uns ewig in den Herzen erstehe… überall wollen wir sie finden… laßt sie uns aufbauen in den Herzen… ewig ist unser Jerusalem… Oh, ewiger Auszug und Wiederkehr…
(DIE POSAUNE schallt mächtig zum zweiten Male. Es ist ganz hell geworden, offen regt sich der unübersehbare Tumult der wanderbereiten Massen, die mit einem gewaltigen Schrei der Ungeduld und der Erhebung das Zeichen des Auszuges grüßen.)
JEREMIAS (hoch über ihnen):
Wandervolk, Leidvolk – im heiligen Namen
Jakobs, der von Gott einst dir Segen entrang –
Hebe dich auf, in die Welt zu fahren,
Rüste und schreite unendlichen Gang!
Wirf deinen Samen
Willig ins Dunkel der Völker und Jahre,