Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг

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Gesammelte Werke von Stefan Zweig - Стефан Цвейг

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der selig Besiegten sein?

       Gott hat ihm den irdischen Blick verschlossen,

       Daß er besser schaue sein ewiges Reich,

       Oh, Brüder, wer war je von Davids Sprossen

       Diesem als König der Duldenden gleich?

      ZEDEKIA:

       Wohin führest du mich? Was geschieht mir?

      JEREMIAS:

      Hebet ihn auf,

       Den Hingesenkten,

       Ehrt den Gekränkten

       Mit sorgender Liebe!

       Hüllet um ihn

       Königsgewande

       Und erneuet

       Der Zeichen Gewalt,

       Ehret, oh ehret

       In ihm euer Leiden,

       Als der Erste schreite er aus.

       Zäumet die Rosse,

       Rüstet die Sänfte,

       Fürchtigen Armes

       Hebet ihn hoch,

       Denn er ist

       Heiligste Bürde,

       Israels Hort und königlich Haus.

      (EINIGE führen mit allen Zeichen der Ehrfurcht den König hinab und betten den Blinden in eine Sänfte.) (EINE POSAUNE schallt mächtig aus der Ferne her als ungeheurer Ruf, der gleichsam von der Stadt selbst auszutönen scheint. Der Tag ist inzwischen angebrochen und überleuchtet mit rötlicher Glut die geschwärzten Mauern. Eine große Helle geht, immer sich steigernd, vom morgendlichen Himmel aus.) (DIE MENGE in mächtigem Aufschwall beim Ruf der Posaune, die Hände gen Osten gereckt, flutet ekstatisch durcheinander.)

      STIMMEN:

       Die Posaune… die Posaune… Gott ruft uns… der Tag ist angebrochen… der Tag unserer Prüfung… die Sonne nahet Jerusalem… rüstet die Tiere… rüstet die Herzen… Gott ruft uns… wir kommen, wir kommen… Auszug… Auszug… oh Einkehr und Wiederkehr… Jerusalem… Jerusalem!

      JEREMIAS (gewaltig auf der Höhe der Stufen aufgerichtet. Alle um ihn sind zurückgetreten, so daß er, einsam auf der Höhe, noch gewaltiger scheint. Seine Arme sind erhoben, seine Stimme bebend in Überraschung):

      Auf, ihr Verstoßenen,

       Auf, ihr Besiegten,

       Rüstet zur Reise!

       Wandervolk, Gottesvolk, welterwähltes,

       Hebe dein Herz!

      (DIE MENGE gerät in gewaltige Bewegung.)

      JEREMIAS (zur Stadt hingewandt):

      Zum letztenmal glänzen

       Jerusalems Zinnen

       In eure Tränen,

       Leuchtet euch Höhe

       Des heiligen Bergs!

       Einmal noch hebet

       Brennende Blicke,

       Trinket der Heimat

       Verlorenes Bild!

       Trinket die Zinnen,

       Trinket die Mauern,

       Trinket die Türme

       Der ewigen Stadt,

       Trinket das Dürsten,

       Sie wieder zu schauen,

       Trinket, oh trinket Jerusalem!

      STIMMEN:

       Glüh ein in uns, daß wir entbrennen… wie könnt ich dich vergessen, Bild der Bilder… möge darren meine Rechte, wenn ich dein vergäße, Jerusalem… oh, Heimat unserer Herzen… Zion, Zion, du heilige Stadt!

      JEREMIAS:

      Einmal noch beuget

       Fromm euch der Erde,

       Einmal noch rühret

       Die Grube der Väter

       Fürchtiger Hand!

       Erde, oh Erde, die ich verlasse,

       Du blutgetränkte,

       Du tränenversengte,

       Sehet, ich fasse

       Sie fromm mit liebenden Händen an.

       Erde, Erde, ich schlinge dich,

       Erde, Erde, durchdringe mich!

       Bitteren Kloß

       Würg ich die schluchzende Kehle hinab,

       Doch deine Bitternis innen im Leibe

       Entbrenne mir Seele und Eingeweide,

       Daß ich ewig deiner gedenke,

       Ewig deiner teilhaftig werde!

       Erde, du heilige Vätererde,

       Schenke

       Mir ewig Begehren und ewigen Brand,

       Ewigen Hunger und Heimverlangen

       Nach Zion, unserm verlorenen Land!

      DIE MENGE (sich niederwerfend und wie Jeremias von der Erde einen Kloß schlingend):

       Oh, teure Erde, Scholle der Väter… dring ein in mich… würg meine Seele, wie ich dich würge… oh, verloren Land… Sarg meiner Väter… oh, dich lassen… Erde, Erde, du heilige Erde…

      JEREMIAS (sich erhebend):

      Doch nun du gespeiset

       Bittere Sehnsucht,

       Doch nun du getrunken

       Brennendes Bild,

       Wandervolk, Gottesvolk, hebe dich auf!

       Lasset die Toten,

       Sie haben den Frieden,

       Lasset die Mauern,

       Sie stehen nicht auf,

       Du doch erstehest

       Ewig und ewig

       Aus deinen Tiefen

      

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