Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer
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Читать онлайн книгу Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman - Kathrin Singer страница 3
»Wie bitte? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Tobias und ich, wir sind Freunde geworden!«
»Eben darum. Der Junge begeistert sich für dich und schwärmt von dir, dass man meinen könnte, du kämst in der Rangordnung nicht weit hinter dem Herrgott persönlich.«
»Du übertreibst, mein Lieber. Tobias und ich mögen uns, das ist alles.«
»Streiten wir nicht um Worte. Tatsache ist, dass du Tobias seinen zukünftigen Adoptiveltern mehr und mehr entfremdest. So geht es nicht weiter. Es geht schließlich um die Zukunft des Jungen, die du ihm doch nicht verbauen möchtest.«
»Auf keinen Fall! Ich weiß nur nicht, ob Tobias mit ungeliebten Eltern wirklich eine so rosige Zukunft hat, wie du sie siehst.«
»Um es kurz zu machen, ich bitte dich, einen Schlussstrich zu ziehen und dich fernerhin nicht mehr mit Tobias zu treffen, auch nicht heimlich hinter meinem Rücken.«
»Sag mal, ist dir eigentlich klar, was du von mir verlangst, Olaf? Ich habe Tobias inzwischen lieb, als ob er mein eigener Sohn wäre!«
Der Heimleiter seufzte. »Schön und gut, aber du kannst ihn nicht adoptieren, und wenn du ihn noch so gern hast.«
»Warum eigentlich nicht? Es gibt heutzutage schon viele Väter, die allein für ihre Kinder sorgen! Außerdem würde ich eine nette Haushälterin engagieren! Das wäre doch die Lösung!«
Olaf Neumann schüttelte lächelnd den Kopf. »Du bist schon ein komischer Heiliger. Du musst wirklich einen Narren an Tobias gefressen haben. Denn bisher warst du doch, wie man hörte, alles andere als der Typ eines treusorgenden Familienvaters.«
»Mein lieber Freund, ich bin ein hart arbeitender Unternehmer, und die Klischees, die dir im Kopf herumspuken, stammen offenbar aus der Mottenkiste. Sicher, ich habe nicht wie ein Mönch gelebt, das hat auch niemand von mir verlangt. Es gab ein paar mehr oder weniger unbedeutende Abenteuer. Aber daraus kannst du doch unmöglich schließen, dass ich für den Jungen nicht anständig sorgen würde. Also, was ist, stellst du dich hinter mich, wenn ich eine Adoption beantrage?«
»Ulrich, das wäre reine Zeitverschwendung. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Junggeselle …«
»Ja, zum Teufel, dann muss ich eben heiraten!«, entfuhr es Ulrich. Seine Wangen röteten sich. Seine dunklen Augen blitzten.
»Ach, da ist etwas im Busch? Eines von deinen Abenteuern?«
Ulrich Warner winkte verächtlich ab. »Natürlich nicht. Ich habe nicht die Absicht, meinem Tobias eine flotte Biene als Mutter unterzujubeln. Es müsste ein nettes Mädchen sein, eines zum Liebhaben und zum Heiraten.«
»Vielleicht versuchst du es mit einer Annonce?« Der Heimleiter lächelte spöttisch.
»Viel zu riskant und zeitraubend. Weißt du, es müsste ein Mädchen sein, von dem man weiß, dass es Kinder gernhat zum Beispiel eine von diesen Helferinnen, die hin und wieder freiwillig bei euch im Heim Dienst tun. Ich habe nämlich davon gehört. Wenn ich nicht irre, handelt es sich dabei um junge Mädchen, die vor der Berufsausbildung oder dem Studium ein Jahr oder auch nur ein halbes überbrücken möchten und im Kinderheim oder in anderen sozialen Einrichtungen einspringen, für ein Taschengeld oder auch ganz ohne Bezahlung. Das finde ich fantastisch! So ein Mädchen wäre die Richtige!«
Olaf Neumann nickte. »Du bist gut informiert. Ja, es sind die nettesten und patentesten Mädchen, die zu uns kommen.«
Ulrich war plötzlich wie elektrisiert. »Und sie sind durchweg unverheiratet, nicht war? Wie kann ich sie kennenlernen?«
»In den letzten Jahren waren zwar etliche Helferinnen bei uns, im Moment haben wir jedoch keine Einzige.« Olaf Neumann kramte in den Schubladen seines Schreibtisches, zog einen Aktendeckel hervor und schlug ihn auf. »Hier habe ich die Namen und Adressen …« Er unterbrach sich selbst, knallte den Ordner zu und meinte: »Das ist doch Unsinn! Bin ich Heiratsvermittler?«
Ulrich beugte sich erregt über den Schreibtisch. »Olaf, ich flehe dich an, gib Tobias und mir eine Chance! Sag mir, wer die Mädchen sind!«
»Ich weiß nicht einmal, ob ich das darf, ob es korrekt wäre.«
»Aber ich bitte dich! Was soll denn daran nicht korrekt sein! Ich will doch dieses oder jenes Mädchen nicht entführen, sondern nur kennenlernen, um eine gute Mutti für Tobias zu finden! Hätte ich denn eine echte Chance, Tobias zu bekommen, wenn ich verheiratet wäre?«
»Wenn sich zwei Paare, die beide die Voraussetzungen erfüllen, um ein Kind bewerben, würden wir selbstverständlich jenen Eltern den Vorzug geben, zu denen sich das betreffende Kind am meisten hingezogen fühlt.«
»Ich bin dreißig Jahre alt. Es ist sowieso die höchste Zeit zu heiraten! Olaf, ich bitte dich, schau dir die Liste der Mädchen einmal in Ruhe an und sage mir, welche nach deiner Meinung am ehesten infrage käme! Für mich und Tobias.«
Ulrich Warner sprach so beschwörend auf den Heimleiter ein, dass der den Aktendeckel tatsächlich wieder öffnete und mit gerunzelter Stirn die Namen und Adressen durchzugehen begann.
»Tja, ich weiß nicht«, meinte er nach einer Weile. »Sie waren alle nett, sympathisch und hübsch. Kinderlieb sowieso, sonst hätten sie bei uns gar nicht angefangen.«
»Alle durch die Bank?«, rief Ulrich aufgeregt. »Ja, weißt du was?« Er griff nach den Notizzetteln, die in einem Behälter auf dem Schreibtisch standen. »Dann lassen wir doch einfach das Los entscheiden! Wir schreiben auf jeden Zettel einen Namen nebst Adresse. Und dann soll mir die Glücksgöttin beistehen!«
»Bitte!« Ulrich drehte den Aktendeckel halb herum und begann hektisch, die Namen auf die Zettelchen zu schreiben.
Olaf lehnte sich zurück. »Wenn du unbedingt willst, aber ich wasche meine Hände in Unschuld.«
»Sicher! Wenn du schweigst, wird kein Mensch jemals erfahren, wie ich die Bekanntschaft des betreffenden Mädchens gemacht habe. Alles muss wie Zufall aussehen, das ist sogar sehr wichtig!«
»Ja, das ist wichtig, denn das Mädchen wäre nicht besonders glücklich darüber, als Heiratskandidatin aus dem Lostopf gezogen zu sein.«
»Aus dem Lostopf …« Ulrich sah sich im Büro um und entdeckte eine leere Blumenvase auf dem Schrank. Rasch holte er sie herunter, faltete die Zettel zusammen, warf sie hinein und schüttelte sie tüchtig durcheinander.
»So, jetzt!« Er schloss die Augen und griff in die Vase. »Fortuna, hilf mir, die Richtige zu finden.«
Er hob die Hand und sah, dass er zwei Lose herausgezogen hatte, die aneinanderhingen. »Oje!« Er betrachtete die weißen Zettelchen wie einen gefährlichen Sprengsatz. »Zwei Stück? Liebe Güte, ich will doch keinen Harem! Vielleicht eines zur Reserve.« Kurz entschlossen traf Ulrich seine Wahl und steckte ein Los in die Brieftasche, ohne es anzusehen. Das andere faltete er mit zitternden Fingern auseinander.
»Bettina Lühr«, las er und sah seinen ehemaligen Schulkameraden forschend an. »Wer ist Bettina Lühr?«
»Bettina – ja, ich erinnere mich genau. Sie war schon etwas älter als die meisten Mädchen, die zu uns kamen.«
»O weh, eine alte