Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman - Kathrin Singer Heimatkinder Staffel

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      Ein paar Sekunden lang verharrte die Dreiundzwanzigjährige reglos, eine Hand auf der offenen Wagentür. Und in diesen Sekunden geschah etwas Rätselhaftes, etwas völlig Unerklärliches. Die Welt und ihre Gesetze gerieten aus den Angeln. Es war, als stoppe das Schicksal selbst den Lauf der Erde – wie ein Kind, das die Hand auf den rotierenden Globus legt.

      In diesen Sekunden, in denen ihr Blick in den dunklen Augen des Fremden versank, war es Bettina, als gleite sie durch undenkliche Zeiträume, allein mit diesem Unbekannten.

      Er lächelte nicht. Es schien, als begegne sie unvermutet einem verlorenen Freund.

      Und dann war das Wunder vorbei. Ihr Großvater rüttelte Bettina aufgeregt am Arm. »Komm doch, Betti.«

      Er stieß den Wagenschlag zu, umklammerte das Handgelenk seiner Enkeltochter und zog sie mit sich.

      Während der Krönungszeremonie, als ihre Nachfolgerin ihr das golden schimmernde Krönchen aufs Haar setzte, als der Bürgermeister ihr den purpurnen Mantel um die Schultern legte, sah Bettina den Fremden wieder. Er stand in der Menge, eingekeilt zwischen den Dorfbewohnern, den Schaulustigen und Touristen. Doch sie sah nur ihn, als stehe er einsam auf dem leeren Festplatz. Diesmal war ein kleines amüsiertes Lächeln in seinen Augen, und unwillkürlich lächelte Bettina zurück. Nur ihm galt dieser Gruß, und er begriff, das signalisierte er mit einem kaum merklichen Kopfnicken.

      Während der folgenden Stunden, da sie ihren »Pflichten« als neugewählte Heidekönigin nachkommen musste, sah sie den Unbekannten immer wieder. Zufall? Verfolgte er sie? Allmählich wurde Bettina unruhig. Wie er sie musterte! Abschätzend? Frech? Herausfordernd?

      Wer war dieser Mensch? Warum ließ er sie nicht aus den Augen? War er allein zum Heideblütenfest gekommen?

      Wenn Bettina seine Blicke anfänglich auf seltsame Weise verzaubert hatten, so machten diese bohrenden dunklen Augen sie nun zunehmend nervöser und verlegener. Sie wusste ja kaum noch, wohin sie schauen sollte! Wenn das Fest doch endlich zu Ende wäre. Aber noch stand ihr das Schlimmste bevor, der große Festball.

      Am liebsten wäre Bettina geflüchtet. Doch sie wurde von einem Tänzer zum anderen weitergereicht, vom Bürgermeister zum Lehrer und Vorsitzenden des Festkomitees, vom Feuerwehrhauptmann zum Fremdenverkehrsdirektor.

      Und dann, nachdem sie mit sämtlichen Honoratioren ihre Ehrentänze absolviert hatte, als das freundliche Lächeln auf ihrem Gesicht schon wie eingefroren wirkte, stand er plötzlich vor ihr.

      »Darf ich bitten?«, fragte er höflich.

      Bettina bekam plötzlich weiche Knie. Wo war ihre Selbstsicherheit geblieben?

      Stumm und betroffen stand sie da.

      »Oder tanzen Eure Durchlaucht nicht mit hergelaufenen Fremden?«, fragte er mit freundlichem Spott und einem ungemein gewinnenden Lächeln.

      »O doch, sicher«, stammelte sie und kam ihm einen halben Schritt entgegen.

      Lässig und elegant nahm er sie in die Arme. Auf der gedrängt vollen Fläche war es jedoch unmöglich, schwungvoll zu tanzen, wie der Mann es zunächst vorhatte. Bald bewegten sie sich nur noch mit kleinen Schritten durch die wogende Menge.

      »Nun, wie fühlt man sich als Königin?«, begann der Unbekannte nach einer Weile das Gespräch.

      Bettina warf den Kopf in den Nacken. »Die armen Königinnen! Für mich ist glücklicherweise morgen alles vorbei. Das Repräsentieren liegt mir doch weniger, als ich dachte.«

      »Dafür haben Sie Ihre Sache aber sehr gut gemacht. Alle Achtung! Meine Bewunderung, Durchlaucht.«

      »Sie haben sich alles ganz genau angeschaut, nicht wahr? Sind Sie vielleicht von der Zeitung?«

      »Bewahre! Nein, ich bin als Privatmann hier. So, es ist Ihnen also aufgefallen, dass ich zu Ihren ausdauerndsten Bewunderern zählte, Hoheit?«

      »Hm – Sie waren nicht zu übersehen.«

      »Erstaunlich! In der Menge.«

      Bettina musterte ihren Tänzer mit schräg geneigtem Kopf. Er sah aus der Nähe noch hinreißender aus.

      »Was möchten Sie denn nun gerne hören?«, fragte sie belustigt und mit blitzenden Augen.

      »Aus Ihrem Munde – alles!«

      »Ach nein! Zum Beispiel, dass man einen Charakterkopf wie den Ihren auch in der Masse unmöglich übersehen kann?«

      »Ich nehme an, es lag eher daran, dass ich einen halben Charakterkopf größer bin als die meisten!«

      »Immerhin, Sie sehen nicht so aus, wie man sich den durchschnittlichen Besucher eines Heideblütenfestes vorstellt. Wieso sind Sie hier, zudem noch so ausdauernd, viele Stunden lang.«

      »Einzig und allein, um die neue Heidekönigin kennenzulernen!«

      »Ach nein, wie aufregend!« Bettina musterte ihn ironisch. Er schien zu den gutaussehenden Draufgängern zu gehören, die sich ihrer Wirkung auf Mädchen und Frauen voll bewusst sind und erwarten, dass ihnen eine jede zu Füßen sinkt. Diese Sorte von Männern hatte Bettina nie gemocht.

      »Ich glaubte schon, all die seriösen Herren würden Sie überhaupt nicht mehr freigeben. – Aber gestatten Sie, dass ich mich erst einmal vorstelle.«

      »Ich gestatte.«

      »Danke, Hoheit. Mein Name ist Warner. Ulrich Warner. Und ich schätze mich überglücklich, nun doch noch die Bekanntschaft der Königin Bettina gemacht zu haben, die als die schönste und zauberhafteste Heideblüten-Durchlaucht eingehen wird.«

      Ein Alarmsignal zuckte in Bettina auf.

      »Brechen Sie sich bloß keine Verzierungen ab, Herr Warner.«

      »Mitnichten. Leider bin ich kein Dichter, sodass mir die passenden Worte fehlen. Sie haben sich vielleicht gewundert, dass ich Ihnen auf Schritt und Tritt folgte.«

      »Allerdings.«

      »Ich konnte mich von Ihrem Anblick einfach nicht losreißen. So etwas ist mir noch nie im Leben passiert, das dürfen Sie mir glauben. Ich war einfach hingerissen.«

      »Erzählen Sie das allen Mädchen, die Sie gern kennenlernen möchten?«

      Er schüttelte den Kopf und sagte irgendetwas, das Bettina nicht verstand, denn die Musiker gerieten gerade in Ekstase.

      Ulrich Warner neigte sich zu ihr.

      Seine Lippen berührten ihr lose rieselndes Haar.

      Widerstreitende Gefühle erfüllten Bettina. Einerseits faszinierte sie dieser Mann, andererseits fühlte sie ganz deutlich, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hatte einfach zu viel Leinwand gesetzt. Segelte mit zu hoher Geschwindigkeit.

      »Ich glaube, ich habe mich in Sie verliebt, Bettina«, flüsterte Ulrich Warner ihr ins Ohr.

      Sie zuckte zusammen. Nicht vor Glück.

      Vor Enttäuschung.

      »Sie sind

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