Reisen zur Entdeckung des Nils. James Bruce
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reisen zur Entdeckung des Nils - James Bruce страница 13
Ich überreichte ihm meinen Firman. Der größte Pascha im türkischen Reich wäre bei dieser Gelegenheit aufgestanden, hätte ihn geküsst und an die Stirn gedrückt, und ich erwartete auch von Omar Aga, dass er seinem Monarchen diesen Respekt erwies. Er aber nahm ihn nicht einmal in die Hand, sondern schob ihn mir mit den Worten wieder zurück: »Lest ihn mir Wort für Wort vor!« Ich entgegnete, es sei Türkisch, wovon ich kein Wort lesen könne. »Ich ebenso wenig«, antwortete er, »und ich denke, ich werde es auch nie können.« Darauf übergab ich ihm die Briefe von Metical Aga, vom Scherif, vom Ali Bey und den Janitscharen. Er nahm sie allesamt in beide Hände, legte sie ungeöffnet vor sich hin und sagte: »Ihr hättet einen Mullah13 mitbringen sollen; bildet Ihr Euch ein, dass ich alle diese Briefe lesen werde? Das nähme mir einen ganzen Monat Zeit weg.« Dabei sah er mich mit einem wilden Blick und offenem Mund wie ein Geistesgestörter an, sodass ich alle Mühe hatte, gefasst zu bleiben, und lediglich antwortete: »Wie es Euch beliebt, Ihr müsst es am besten wissen.« Anfangs tat er so, als verstünde er kein Arabisch, und redete durch einen Dolmetscher in der Sprache von Massaua, die ein Dialekt von der in Tigre ist, als er aber merkte, dass ich ihn verstand, sprach er Arabisch, und zwar recht gut. Auf diese kurze Unterredung folgte ein Stillschweigen, das mir Gelegenheit gab, mein Geschenk zu überreichen, welches ihm nicht zu missfallen schien; aber vermutlich hielt er es unter seiner Würde, mir dies zu erkennen zu geben. Ich verabschiedete mich von dem Naybe und war von meiner Aufnahme und der geringen Achtung, die er meinen Briefen und mir selbst entgegenbrachte, nicht sehr erbaut. Umso zufriedener war ich aber, dass meine Briefe an Janni abgefertigt waren, die sich nun schon längst außerhalb der Reichweite des Naybe befanden.
Am 15. Oktober kam der Naybe nach Massaua, fertigte das Schiff ab, welches mich herübergebracht hatte, und schickte noch in derselben Nacht nach mir und ließ mir sagen, ich solle mich auf ein schönes Geschenk an ihn gefasst machen. Er gab mir eine lange Liste von Gegenständen, deren Wert ziemlich hoch war, und verlangte, ich solle diese in drei Teile teilen und drei Tage lang hintereinander überreichen. Einen Teil verlangte er als Naybe von Arkeeko, einen als Omar Aga, der die Person des Großherrn vertritt, und einen, weil er unser Gepäck undurchsucht passieren ließ, besonders den großen Quadranten. Ich für meinen Teil wünschte, er hätte alles gesehen, weil er vermutlich auf Kupfer und Eisen keinen großen Wert gelegt haben würde.
Weil mir Achmets Versicherung, mich zu schützen, Mut machte, gab ich ihm zur Antwort: Da ich den Firman vom Kaiser und Briefe von Metical Aga hätte, wäre es bloße Freigiebigkeit, wenn ich überhaupt nur das geringste Geschenk an ihn, sei es nun als Naybe oder als Omar Aga, machte; ich sei kein Kaufmann, der kaufe und verkaufe, hätte auch keine Waren an Bord gehabt und folglich keine Zölle zu bezahlen. Hierauf ließ er mich zu sich rufen. Ich traf ihn sehr aufgebracht an, und es wurden viele unnütze Worte auf beiden Seiten gewechselt. Zuletzt sagte er mir sehr bestimmt: Falls ich nicht am nächsten Montag, wenn er wieder von Arkeeko käme, dreihundert Unzen Gold für ihn bereithielte, wolle er mich in ein Gefängnis sperren lassen, wo ich weder Licht noch Luft noch Essen und Trinken bekommen sollte, bis meine Knochen durch die Haut stächen.
Ich antwortete standhaft: »Weil Ihr Euer Wort gegenüber dem Großherrn, der Regierung von Kairo, gegenüber dem Pascha von Jidda und dem Metical Aga gebrochen habt, werdet Ihr auch ohne Zweifel mit mir nach Eurem Gutdünken verfahren, aber Ihr könnt darauf rechnen, eines Morgens bei Tagesanbruch das englische Kriegsschiff, den ›Löwen‹ vor Arkeeko zu sehen.« – »Und ich wünschte«, versetzte der Naybe, »das Schiff vor Arkeeko oder Massaua zu erblicken, und käme jemand, der so viel Geschriebenes, wie auf dem Nagel meines Daumens liegen kann, von Euch nach Jidda nehmen wollte, so würde ich ihm erst das Hemd und dann die Haut abziehen und alsdann vor Eurer Tür aufhängen lassen, um Euch mehr Vorsicht zu lehren.« – »Meine Vorsicht«, erwiderte ich, »hat mich gelehrt, diesem vorzubeugen. Mein Brief nach Jidda ist bereits fort, und wenn von dem Tag an, da er geschrieben ist, in zwanzig Tagen kein zweiter Brief von mir folgt, so werdet Ihr die Folgen davon schon sehen. Unterdessen mache ich Euch hiermit bekannt, dass ich auch Briefe vom Metical Aga und dem Scherif von Mekka an Michael Suhul, den Statthalter von Tigre, und an den König von Abessinien abgeschickt habe. Deswegen wünsche ich, dass Ihr diese Männern unwürdige Zänkereien, die zu nichts führen, unterbrecht und mich meine Reise fortsetzen lasst.« – »Wie?«, sagte der Naybe mit leiser Stimme zu sich selbst. »Wie? Auch an Michael? So geht Eures Weges und denkt an das Übel, welches Euch bevorsteht.«
Ich drehte mich um und ging fort, ohne ein Wort zu sagen oder Abschied zu nehmen. Kaum war ich zu Hause angekommen, als der Naybe einen Mann schickte und zwei Flaschen Aquavit verlangte. Ich gab dem Diener zwei Flaschen Zimtwasser, die er aber nicht mitnehmen wollte, bevor er sie nicht gekostet hatte. Dem Naybe aber schmeckten sie nicht und sie wurden wieder zurückgeschickt.
Ich hatte mich die ganze Zeit über gewundert, was aus Achmet geworden sein könnte, der mit Mahomet Gibberti in Arkeeko geblieben war. Endlich hörte ich von einem Diener des Naybe, dass er mit Fieber zu Bett liege. Gibberti hatte bis jetzt sein Wort gehalten und nichts von meiner Kenntnis der Arzneiwissenschaft verlauten lassen und auch nicht erzählt, dass ich Arzneimittel bei mir hatte. Ich ließ inzwischen den Naybe um Erlaubnis bitten, nach Arkeeko gehen zu dürfen, und erhielt die trotzige Antwort, ich könne gehen, wenn ich ein Boot fände. Er hatte aber seine Anordnungen schon so getroffen, dass kein Boot für Geld oder gute Worte zu haben war.
Kaum war meine Mittagsmahlzeit vorbei, als ein Diener von Achmet aus Arkeeko kam. Er brachte mir die Nachricht von der Krankheit seines Herrn. Achmet sei traurig, weil ich ihn nicht besuchen käme, wo ihm doch Mahomet Gibberti inzwischen versichert habe, dass ich ihm helfen könne. Er bat mich also, ich möge den Überbringer dieser Nachricht mit in mein Haus nehmen und die Türe durch ihn bewachen lassen, bis er selbst nach Massaua kommen könne. Ich lernte jetzt die Treulosigkeit des Naybe kennen. Er verbot mir zwar nicht seinen Neffen zu besuchen, aber er untersagte weiterhin allen Booten, mich nach Arkeeko zu bringen.
Der Diener reiste in der Nacht wieder ab. Er drang darauf, das Tor fest zu verriegeln, und ließ uns einen anderen Mann zurück, der den Befehl hatte, keinen Menschen einzulassen. Zugleich gab er uns den Rat, uns zu wehren, wenn jemand mit Gewalt einzudringen versuchte, denn niemand hätte des Nachts draußen etwas zu tun.
Am 4. November kam Achmets Diener mit vier Janitscharen in einem Boot aus Arkeeko zurück. Achmet war noch immer nicht gesund und wünschte mich zu sehen. Er vermutete, entweder vergiftet oder behext worden zu sein, und hatte bereits allerlei Zaubermittel ohne Wirkung versucht. Wir langten um 11 Uhr in Arkeeko an, marschierten am Haus des Naybe vorbei, ohne dass man uns aufhielt, und fanden den Achmet mit Wechselfieber daniederliegen, auf das Elendeste behandelt. Er befürchtete sehr, zu sterben oder die Bewegungsfähigkeit seiner Gliedmaßen zu verlieren. Ich gab Achmet geeignete Mittel, um seine Schmerzen und seinen Magen zu erleichtern, und fing den folgenden Morgen mit einer Chininkur an. Diese hat hier eine kräftige Wirkung.