Reisen zur Entdeckung des Nils. James Bruce
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Die Insel selbst ist sehr klein, kaum eine Dreiviertelmeile lang und eine halbe breit. Ein Drittel der Fläche nehmen die Häuser ein, das zweite die Zisternen zum Auffangen des Regenwassers, und das letzte Drittel dient als Begräbnisplatz für die Toten. In der Stadt findet man eine beträchtliche Menge von Waren, die zur Ausfuhr bestimmt sind. Diese Waren stammen durchweg aus den umliegenden weitläufigen Gebirgsgegenden, wohin Ausländer wegen der Ungeselligkeit ihrer Bewohner nur sehr selten gelangen.
Die wichtigsten Artikel, die in früheren Zeiten von hier ausgeführt wurden, waren Elfenbein, Gold, Elefanten- und Büffelhäute und vor allem Sklaven. Letztere waren das wichtigste Ausfuhrgut, denn die hier gehandelten wiesen bessere Eigenschaften auf als Menschen anderer Abstammung, die mit ihnen dieses unglückliche Schicksal teilten. Und längs der Küste wurden Perlen von vorzüglicher Größe gefunden, ferner gab es hier eine Reihe guter Wasserstellen. Wegen des günstigen Ankerplatzes und der Vielzahl von Waren, die man hier bekommen konnte, entwickelte sich Massaua zu einem bedeutenden Ort des Warenumschlags in dieser Gegend, trotz des hier herrschenden Wassermangels, der das Leben der Menschen hier seit Weltenbeginn erschwert. Solange der Handel blühte, war Massaua eine Stadt voller Leben. Seit ihrer Unterdrückung durch die Türken freilich sank sie mehr und mehr zur Bedeutungslosigkeit herab. Die Türken hatten nämlich letzte Hand gelegt an den Ruin des Handels im Roten Meer, nachdem dieser mit der Umschiffung des Kaps der Guten Hoffnung einige Jahre zuvor und mit den Niederlassungen der Portugiesen auf dem indischen Festland seinen Anfang genommen hatte.
Massaua
Der erste türkische Statthalter von Massaua war ein Pascha, der aus Konstantinopel hergeschickt worden war. Eine Zeit lang waren von Massaua aus verschiedene Versuche zur Eroberung von Abessinien unternommen worden, freilich niemals mit durchschlagendem Erfolg. Der Ort verlor also nicht nur seine frühere Bedeutung als Handelsumschlagplatz, sondern auch im Hinblick auf die militärische Besetzung, sodass die Türken mit der Zeit zu der Auffassung gelangten, es lohne sich nicht länger der Aufwand, hier eine eigene Regierung unter einem Pascha zu unterhalten.
Der wichtigste Beistand, welcher den Türken bei der Eroberung von Massaua geleistet wurde, kam von den Belowee, einem mohammedanischen Hirtenstamm, welcher an der Küste des Roten Meeres bei den Bergen von Habab um den 14. Breitengrad wohnte. Zur Belohnung für diese Hilfe räumten die Türken deren Häuptling die bürgerliche Regierung von Massaua und dem dazugehörigen Gebiet unter dem Titel eines Naybe von Massaua ein; und nach dem Abzug des Paschas blieb dieser im Grunde unumschränkter Herr des Ortes. Um jedoch wenigstens zum Schein die türkische Oberherrschaft zu wahren, wurde dem türkischen Sultan ein jährlicher Tribut versprochen, wofür der Naybe einen Firman von der Pforte erhielt. Das einmal auf die Insel verlegte Janitscharenkorps, weiterhin seinen Sold aus Konstantinopel beziehend, blieb freilich hier. Die Janitscharen verbanden sich mit den Weibern dieses Landes, und die Söhne wurden wieder Janitscharen und behielten den Sold. Durch Heiraten untereinander wurden sie mit der Zeit Eingeborene von Massaua und waren gewöhnlich miteinander verwandt.
Dem Naybe war bewusst, dass er von seinen Beschützern, den Türken in Arabien auf der anderen Seite des Roten Meeres, sehr weit entfernt war, zumal ihre Besatzungen zahlenmäßig täglich abnahmen und oft sogar gänzlich abgezogen wurden. Zudem wusste er, wie sehr er von der Gewalt der Abessinier, seiner Feinde und nächsten Nachbarn, abhing. Er sah also ein, dass es besser war, sich im eigenen Land Sicherheit zu verschaffen und sich denjenigen, in deren Händen er war, gefällig zu zeigen. Es wurde also abgemacht, dass der Naybe die eine Hälfte der Abgaben und Zölle an den König von Abessinien auszahlen sollte, wofür dieser ihn in seiner Statthalterschaft nicht beeinträchtigen wollte. Es ist bereits gesagt worden, dass Massaua an völligem Wassermangel litt und alle Arten von Lebensmitteln nirgendwo anders herbekommen könnte als aus dem gebirgigen Land von Abessinien.
Nachdem sich der Naybe der Freundschaft Abessiniens versichert hatte, begann er bei der täglich abnehmenden Macht der Türken in Arabien sich allmählich der Entrichtung des Tributs an den Pascha von Jidda, zu dessen Statthalterschaft die seine geschlagen worden war, zu entziehen. Er nahm den Firman nur der Form halber an, machte dafür Geschenke von geringem Wert, dachte aber an keinen Tribut; und in unruhigen Zeiten, oder wenn in Tigre ein schwacher Statthalter saß, bezahlte er gar nichts, weder an den Pascha einen Tribut noch an den König von Abessinien den versprochenen Anteil der Zölle. So war der Stand der Dinge, als ich in Abessinien ankam. Es hatte eine große Revolution in diesem Reich gegeben, deren wichtigster Urheber Michael gewesen war. Als er nach Gondar gerufen und dort zum Minister gemacht wurde, blieb die Provinz Tigre ohne Truppen und ohne Statthalter.
Der neue König Hatze Hannes11, den Michael nach Joas Ermordung auf den Thron gesetzt hatte, war nicht aus jenem Holz geschnitzt, der Regierung neues Leben zu geben. Hannes war bei seiner Thronbesteigung über siebzig Jahre alt, Michael, sein Minister, war lahm und fast schon achtzig. Der Naybe, ein Mann von achtundvierzig Jahren, beurteilte danach die abessinische Regierung; damit sollte er sich freilich auf einem gewaltigen Irrweg befinden.
Michael hatte ihm bereits kundgetan, dass er im nächsten Feldzug Arkeeko und Massaua so verheeren wolle, bis beide Städte der Wüste von Samhar gleichkämen. Weil man wusste, dass er in seinem ganzen Leben Versprechungen dieser Art sehr genau gehalten hatte, flohen viele der ausländischen Kaufleute nach Arabien. Dessen ungeachtet ließ der Naybe öffentlich keine Furcht erkennen und schickte keinen Heller, weder an den König von Abessinien noch an den Pascha von Jidda.
Der türkische Pascha hatte den Metical Aga beauftragt, Michael vom Verhalten des Naybe Nachricht zu geben und ihn um Beistand zur Durchsetzung der Forderungen zu bitten. Zu gleicher Zeit ließ er den Naybe auch wissen, dass er nicht nur dieses getan habe, sondern überdies im folgenden Jahr in ganz Arabien den Befehl ausgeben werde, die mohammedanischen Kaufleute wie auch die Güter festzuhalten, die nach Arabien kämen. Zugleich mit dieser Nachricht schickte er den Firman aus Konstantinopel und verlangte die Bezahlung des Tributs und außerdem Geschenke.
Der im vorigen Kapitel erwähnte Abd el-Kader, der die Botschaft und den Firman überbrachte und Statthalter auf der Insel Dahalac war, war zusammen mit mir losgesegelt und dabei Zeuge der Ehrungen geworden, die meinem Schiff beim Auslaufen aus dem Hafen von Jidda zuteilgeworden waren. Weil er direkt nach Massaua hinübersegelte und lange vor mir dort eintraf, hatte er genügend Zeit, das, was er gesehen hatte, mit vielen Übertreibungen zu erzählen: Ein Prinz und sehr naher Verwandter des Königs von England werde kommen, der kein Handelsmann sei, sondern nur die Länder und ihre Einwohner betrachten wolle.
Der Naybe hatte, wie wir später erfuhren, oft mit seinen Ratgebern überlegt, was mit diesem Prinzen zu machen sei. Einige waren für den kürzesten und in Massaua üblichen Weg der Behandlung von Fremden, nämlich sie zu ermorden und ihre Habseligkeiten unter sich aufzuteilen. Andere drangen darauf, zu warten und erst zu sehen, was für Briefe ich aus Arabien nach Abessinien mitbrächte, damit dieser Mord das Ungewitter nicht noch schlimmer mache, welches vonseiten des Metical Aga und Michael Suhul im Begriff war, über sie hereinzubrechen.
Aber Achmet, der Neffe des Naybe, wandte dagegen ein, dass es eine Torheit wäre, zu glauben, ein Mann wie ich hätte keinerlei Schutz. Ich möge aber nun welchen haben oder nicht, mein Rang müsse mich doch an jedem Ort, wo nur irgendeine Regierung sei, schützen, sogar unter Mördern und Dieben, die sich in den Wäldern und Bergen aufhielten. Es sei schon genug Blut von Fremden des Plünderns wegen vergossen worden, und er glaube, Fluch und Armut seien die Folge davon gewesen. Diejenigen, die das Kanonieren der Schiffe gehört hätten, könnten unmöglich wissen, ob ich Geleitbriefe nach Abessinien hätte oder nicht. Es wäre besser, zu erwägen, ob ich nicht bei den Kapitänen, welche die Kanonen abgefeuert hätten, in