Reisen zur Entdeckung des Nils. James Bruce
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Am 8. Juli 1769 verließ ich den Hafen von Jidda an Bord meines vorigen Schiffes. Ich erlaubte dem Rais9, eine kleine Ladung auf eigene Rechnung mitzunehmen, jedoch unter der Bedingung, keinem einzigen Passagier die Mitreise zu gestatten. Der Wind war günstig, und wir segelten zwischen der vor Anker liegenden englischen Flotte hindurch. Der Rais wunderte sich ungemein über die Ehre, die seinem kleinen Boot widerfuhr, da jedes Schiff, wenn wir an seinem Heck vorbeifuhren, die Flagge hisste und mit elf Schüssen grüßte, ausgenommen das Schiff meines schottischen Freundes, welches zwar auch die Fahne wehen ließ, aber keinen Schuss abfeuerte. Er stand jedoch auf dem Verdeck und rief durch sein Sprachrohr: »Der Kapitän wünscht dem Herrn Bruce eine glückliche Reise.« Ich stand ebenfalls an Deck und antwortete durch mein Sprachrohr: »Herr Bruce wünscht dem Kapitän … eine baldige völlige Rückkehr seines Verstandes!«
Über Loheia und Mokka segelte Bruce an der jemenitischen Küste südwärts, besuchte einige Inseln und verbrachte seine Zeit vorwiegend mit astronomischen Berechnungen und kartografischen Aufnahmen. Es war ihm bekannt, dass kurz zuvor der dänische Forscher Carsten Niebuhr einige Zeit im Jemen geweilt hatte und mit ausgezeichneten Ergebnissen nach Hause gekommen war. Aus diesem Grund widmete Bruce dem Land selbst wenig Aufmerksamkeit. Auch die Furcht seines Kapitäns vor Seeräubern konnte ihn nicht davon abbringen, bis Bab el-Mandeb weiterzusegeln, der Meerenge zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean.
Darauf fuhr James Bruce wieder zurück nach Loheia und wartete wie verabredet auf die Ankunft seines Freundes Mahomet Gibberti.
Am 1. September traf Mahomet Gibberti ein und brachte den Firman für den Naybe von Massaua und die Briefe von Metical Aga an Ras Michael mit. Ferner hatte er auch einen Brief an mich und einen anderen an Achmet, den Neffen und künftigen Nachfolger des Naybe, bei sich. In diesem Brief wurde mir geraten, dem Naybe nicht zu sehr zu trauen, aber vor seinem Neffen, der gewiss mein Freund sein würde, nichts geheim zu halten.
Nachdem alles zur Abreise in Ordnung gebracht war, zogen wir am 3. September vor Loheia die Segel auf. Weil der Wind aber nachließ, sahen wir uns genötigt, das Schiff hinauszuziehen und Anker zu werfen. Der Hafen von Loheia ist bei Weitem der größte im Roten Meer, aber jetzt so seicht und versandet, dass nur ein schmaler Kanal zum Ein- und Aussegeln übrig ist, der nirgends mehr als drei Faden10 Tiefe, an manchen Stellen aber nicht einmal halb so viel hat.
Unser Rais hatte als Fremder, ohne Verbindungen in der Stadt, große Schwierigkeiten, genügend Wasser für die Reise zu bekommen. Wir hatten nur mehr einen geringen Vorrat übrig. Wenn unser Schiff auch nur sechzig Fuß Länge hatte, waren wir doch ungefähr vierzig Menschen an Bord. Ich hatte es zwar nur für mich gemietet, erlaubte dem Rais nun aber, noch eine Anzahl ihm bekannter Passagiere mitzunehmen. Es war gefährlich, sich an unserem Bestimmungsort Feinde zu machen, indem wir jemanden von der Rückreise abhielten. Auf der anderen Seite war es ebenso bedenklich, Fremde mitzunehmen, deren Trachten es sein könnte, meine Absichten zu vereiteln.
Wir hatten beschlossen, unseren Kurs nordwärts nach einer Insel zu richten, wo gutes Wasser im Überfluss zu bekommen sein sollte. Am 6. gingen wir früh um 5 Uhr unter Segel. Wir litten an Wassermangel, wie wir vorausgesehen hatten. Abends ankerten wir bei Foosht in zwei Faden Wassertiefe östlich der Stadt. Den folgenden Tag blieben wir hier liegen, weil die Matrosen damit beschäftigt waren, die Schläuche zu füllen. Andere Gefäße sind auf diesem Meer nicht üblich.
Nachdem für unseren großen und so wesentlichen Bedarf an Wasser hinlänglich gesorgt war, begaben wir uns alle wieder an Bord, fanden aber, dass uns noch etwas sehr Wichtiges fehlte, nämlich Feuerholz. Das Holz ist am Roten Meer überhaupt sehr selten, es wird nur in geringen Mengen gefunden und in solchen auch verwendet. Man wusste, dass ein wenig auf der nordwärts liegenden Insel Zimmer zu finden war, doch inzwischen war auf unserem Schiff eine Unruhe von ganz besonderer Art entstanden, wovon ich nichts erfuhr, bis ich wieder an Bord kam.
Man hatte nämlich einen Abessinier, der an Bord starb und beim Aussegeln aus der Bai von Loheia begraben wurde, seit zwei Nächten auf dem Bugspriet gesehen, worüber die Matrosen in großen Schrecken gerieten. Auch den Rais beunruhigte es nicht wenig, wenn er auch nicht sicher berichten konnte, ihn selbst gesehen zu haben. Dennoch beklagte er sich bitter, als ich mich zu Bett gelegt hatte, über die schlimmen Folgen, die entstehen könnten, wenn das Gespenst seinen Platz behauptete. Er bat mich deswegen, zu dem Geist zu gehen und mit ihm zu reden. »Guter Rais«, entgegnete ich, »ich bin müde, und mein Kopf schmerzt mir von der heftigen Sonne. Ihr wisst, dass der Abessinier für seine Überfahrt bezahlt hat. Wenn er also dem Schiff nicht zu schwer ist – und ich denke, er müsste jetzt leichter sein, denn als wir ihn an Bord nahmen –, können wir es dem Geist billigerweise nicht verwehren, seine Reise nach Abessinien fortzusetzen, da wir nicht wissen, was er dort vielleicht für wichtige Geschäfte hat.« Der Rais fing an sich glücklich zu preisen, dass er von diesen Geschäften nichts wüsste. »Wenn Ihr also«, fuhr ich fort, »nicht findet, dass er das Schiff vorne zu sehr belastet, so lasst ihn doch in Ruhe. Käme er sonst irgendwo im Schiff hin oder bestünde er darauf, mitten unter Euch zu sein, würde er Euch bei Eurer gegenwärtigen Gemütsverfassung wohl weit beschwerlicher sein als auf seinem jetzigen Platz.« Der Rais fing an, sich zu segnen und einen Vers aus dem Koran herzusagen: »Bismilla sheitan rejem« (Um Gottes willen, nimm den Teufel von mir). »Nun Rais«, fing ich abermals an, »wenn er uns keinen Schaden zufügt, lasst ihn doch ruhig auf dem Bugspriet reiten, bis er müde wird oder bis er nach Massaua kommt. Ich schwöre Euch, solange er uns weder schadet noch beunruhigt, glaube ich keine Veranlassung zu haben, aus meinem Bett aufzustehen und ihm lästig zu sein. Gebt aber nur Acht, dass er uns nichts stiehlt.«
Dies schien der Rais sehr übel zu nehmen und sagte, dass er für seine Person um sein Leben nicht besorgter sei als sonst jemand an Bord. Wenn er sich nicht vor einem unvermuteten heftigen Wind fürchte, so möge der Geist immer auf dem Bugspriet reiten und zum Teufel gehen. Er habe aber stets gehört, dass gelehrte Männer mit Geistern reden könnten. »Seid so gut, Rais«, sagte ich, »und meldet dem Gespenst, ich sei im Begriff, Kaffee zu trinken. Es wäre mir lieb, wenn er in die Kajüte käme und mir entdeckte, was er mitzuteilen habe.« Der Rais ging hinaus, hatte aber nicht den Mut, wie mir ein Diener sagte, zum Geist zu gehen. Er konnte auch niemanden finden, der sich statt seiner getraut hätte. Er kam jedoch zurück und trank Kaffee mit mir. Ich fühlte mich sehr übel und befürchtete einen Sonnenstich bekommen zu haben. »Geht hin«, sagte ich zum Rais, »und sagt dem Mahomet Gibberti, ich sei ein Christ und hätte den Geistern auf dem Roten Meer nichts zu befehlen.«
Mahomet Gibberti lag mit seinem Schiff direkt neben uns vor Anker. Ein Mohr namens Yasine, den ich in der Folge gut kennenlernte, kam herüber und erzählte mir, dass Gibberti seit unserer Abreise sehr stark an der Seekrankheit gelitten habe. Er ließ mich bitten, ich möge nicht über den Geist lachen oder dreist von ihm sprechen, weil es sehr leicht