Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
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(Kant schien die Hypothese der »intelligiblen Freiheit« nöthig, um das ens perfectum von der Verantwortlichkeit für das So-und-So-sein dieser Welt zu entlasten, kurz um das Böse und das Übel zu erklären: eine skandalöse Logik bei einem Philosophen …)
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18.
Das allgemeinste Zeichen der modernen Zeit: der Mensch hat in seinen eigenen Augen unglaublich an Würde eingebüßt. Lange als Mittelpunkt und Tragödien-Held des Daseins überhaupt; dann wenigstens bemüht, sich als verwandt mit der entscheidenden und an sich werthvollen Seite des Daseins zu beweisen – wie es alle Metaphysiker thun, die die Würde des Menschen festhalten wollen, mit ihrem Glauben, daß die moralischen Werthe cardinale Werthe sind. Wer Gott fahren ließ, hält umso strenger am Glauben an die Moral fest.
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19.
Jede rein moralische Werthsetzung (wie z.B. die buddhistische) endet mit Nihilismus: dies für Europa zu erwarten! Man glaubt mit einem Moralismus ohne religiösen Hintergrund auszukommen: aber damit ist der Weg zum Nihilismus nothwendig. – In der Religion fehlt der Zwang, uns als werthsetzend zu betrachten.
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20.
Die Frage des Nihilismus »wozu?« geht von der bisherigen Gewöhnung aus, vermöge deren das Ziel von Außen her gestellt, gegeben, gefordert schien – nämlich durch irgend eine übermenschliche Autorität. Nachdem man verlernt hat, an diese zu glauben, sucht man doch nach alter Gewöhnung nach einer anderen Autorität, welche unbedingt zu reden wüßte und Ziele und Aufgaben befehlen könnte. Die Autorität des Gewissens tritt jetzt in erste Linie (je mehr emancipirt von der Theologie, umso imperativischer wird die Moral) als Schadenersatz für eine persönliche Autorität. Oder die Autorität der Vernunft. Oder der sociale Instinkt (die Heerde). Oder die Historie mit einem immanenten Geist, welche ihr Ziel in sich hat und der man sich überlassen kann. Man möchte herumkommen um den Willen, um das Wollen eines Zieles, um das Risiko, sich selbst ein Ziel zu geben; man möchte die Verantwortung abwälzen (– man würde den Fatalismus acceptiren), Endlich: Glück, und, mit einiger Tartüfferie, das Glück der Meisten.
Man sagt sich
1. ein bestimmtes Ziel ist gar nicht nöthig,
2. ist gar nicht möglich vorherzusehn.
Gerade jetzt, wo der Wille in der höchsten Kraft nöthig wäre, ist er am schwächsten und kleinmüthigsten. Absolutes Mißtrauen gegen die organisatorische Kraft des Willens für’s Ganze.
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21.
Der vollkommene Nihilist. – Das Auge des Nihilisten idealisirt in’s Häßliche, übt Untreue gegen seine Erinnerungen –: es läßt sie fallen, sich entblättern; es schützt sie nicht gegen leichenblasse Verfärbungen, wie sie die Schwäche über Fernes und Vergangenes gießt. Und was er gegen sich nicht übt, das übt er auch gegen die ganze Vergangenheit der Menschen nicht, – er läßt sie fallen.
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22.
Nihilismus. Er ist zweideutig:
A. Nihilismus als Zeichen der gesteigerten Macht des Geistes: der aktive Nihilismus.
B. Nihilismus als Niedergang und Rückgang der Macht des Geistes: der passive Nihilismus.
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23.
Der Nihilismus ein normaler Zustand.
Er kann ein Zeichen von Stärke sein, die Kraft des Geistes kann so angewachsen sein, daß ihr die bisherigen Ziele (»Überzeugungen«, Glaubensartikel) unangemessen sind (–: ein Glaube nämlich drückt im Allgemeinen den Zwang von Existenzbedingungen aus, eine Unterwerfung unter die Autorität von Verhältnissen, unter denen ein Wesen gedeiht, wächst, Macht gewinnt…); andererseits ein Zeichen von nicht genügender Stärke, um produktiv sich nun auch wieder ein Ziel, ein Warum, einen Glauben zu setzen.
Sein Maximum von relativer Kraft erreicht er als gewaltthätige Kraft der Zerstörung: als aktiver Nihilismus.
Sein Gegensatz wäre der müde Nihilismus, der nicht mehr angreift: seine berühmteste Form der Buddhismus: als passivischer Nihilismus, als ein Zeichen von Schwäche: die Kraft des Geistes kann ermüdet, erschöpft sein, sodaß die bisherigen Ziele und Werthe unangemessen sind und keinen Glauben mehr finden –, daß die Synthesis der Werthe und Ziele (auf der jede starke Cultur beruht) sich löst, sodaß die einzelnen Werthe sich Krieg machen: Zersetzung –, daß Alles, was erquickt, heilt, beruhigt, betäubt, in den Vordergrund tritt, unter verschiedenen Verkleidungen, religiös, oder moralisch, oder politisch, oder ästhetisch u.s.w.
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24.
Der Nihilismus ist nicht nur eine Betrachtsamkeit über das »Umsonst!«, und nicht nur der Glaube, daß Alles werth ist zu Grunde zu gehen: man legt Hand an, man richtet zu Grunde … Das ist, wenn man will, unlogisch: aber der Nihilist glaubt nicht an die Nöthigung, logisch zu sein … Es ist der Zustand starker Geister und Willen: und solchen ist es nicht möglich, bei dem Nein »des Urtheils« stehen zu bleiben: – das Nein der That kommt aus ihrer Natur. Der Ver- Nichtsung durch das Urtheil secundirt die Ver-Nichtsung durch die Hand.
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25.
Zur