Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 251

Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше Gesammelte Werke bei Null Papier

Скачать книгу

ist als Sein, selbst schon eine Krank­heit, ein Nie­der­gangs-Un­zei­chen, eine Idio­syn­kra­sie ist.

      Die ni­hi­lis­ti­sche Be­we­gung ist nur der Aus­druck ei­ner phy­sio­lo­gi­schen dé­ca­dence.

      *

      39

      Zu be­grei­fen: – Daß alle Art Ver­fall und Er­kran­kung fort­wäh­rend an den Ge­sammt-Wer­thurt­hei­len mit­ge­ar­bei­tet hat: daß in den herr­schend ge­w­ord­nen Wer­thurt­hei­len die dé­ca­dence so­gar zum Über­ge­wicht ge­kom­men ist: daß wir nicht nur ge­gen die Fol­ge­zu­stän­de al­les ge­gen­wär­ti­gen Elends von Ent­ar­tung zu kämp­fen ha­ben, son­dern al­le bis­he­ri­ge dé­ca­dence rück­stän­dig, das heißt le­ben­dig ge­blie­ben ist. Eine sol­che Ge­sammt-Abir­rung der Mensch­heit von ih­ren Grund­in­stink­ten, eine sol­che Ge­sammt-dé­ca­dence des Wer­thurt­heils ist das Fra­ge­zei­chen par ex­cel­lence, das ei­gent­li­che Räth­sel, das das Thier »Mensch« dem Phi­lo­so­phen auf­giebt.

      *

      40

      Be­griff »dé­ca­dence«. – Der Ab­fall, ver­fall, Aus­schuß ist Nichts, was an sich zu ver­urt­hei­len wäre: er ist eine not­wen­di­ge Kon­se­quenz des Le­bens, des Wachst­hums an Le­ben. Die Er­schei­nung der dé­ca­dence ist so nothwen­dig, wie ir­gend ein Auf­gang und Vor­wärts des Le­bens: man hat es nicht in der Hand, sie ab­zu­schaf­fe­nen. Die Ver­nunft will um­ge­kehrt, daß ihr ihr Recht wird.

      Es ist eine Schmach für alle so­cia­lis­ti­schen Sys­te­ma­ti­ker, daß sie mei­nen, es könn­te Um­stän­de ge­ben, ge­sell­schaft­li­che Com­bi­na­tio­nen, un­ter de­nen das Las­ter, die Krank­heit, das Ver­bre­chen, die Pro­sti­tu­ti­on, die No­th nicht mehr wüch­se… Aber das heißt das Le­ben ver­urt­hei­len … Es steht ei­ner Ge­sell­schaft nicht frei, jung zu blei­ben. Und noch in ih­rer bes­ten Kraft muß sie Un­rath und Ab­fallss­tof­fe bil­den. Je ener­gi­scher und küh­ner sie vor­geht, umso rei­cher wird sie an Miß­glück­ten, an Miß­ge­bil­den sein, umso nä­her dem Nie­der­gang sein… Al­ter schafft man nicht durch In­sti­tu­tio­nen ab. Die Krank­heit auch nicht. Das Las­ter auch nicht.

      *

      41

      Gr­und­ein­sicht über das We­sen der dé­ca­dence: was man bis­her als de­ren Ur­sa­chen an­ge­se­hen hat, sind de­ren Fol­gen.

      Da­mit ver­än­dert sich die gan­ze Per­spek­ti­ve der mo­ra­li­schen Pro­ble­me.

      Der gan­ze Moral-Kampf ge­gen Las­ter, Lu­xus, Ver­bre­chen, selbst Krank­heit er­scheint als Nai­ve­tät, als über­flüs­sig: – es giebt kei­ne »Bes­se­rung« (ge­gen die Reu­e).

      Die dé­ca­dence selbst ist Nichts, was zu be­kämp­fen wä­re: sie ist ab­so­lut nothwen­dig und je­der Zeit und je­dem Volk ei­gen. Was mit al­ler Kraft zu be­kämp­fen ist, das ist die Ein­schlep­pung des Con­ta­gi­ums in die ge­sun­den Thei­le des Or­ga­nis­mus.

      Thut man das? Man thut das Ge­gent­heil. Genau dar­um be­müht man sich sei­tens der Hu­ma­ni­tät. – Wie ver­hal­ten sich zu die­ser bio­lo­gi­schen Grund­fra­ge die bis­he­ri­gen obers­ten Wert­he? Die Phi­lo­so­phie, die Re­li­gi­on, die Moral, die Kunst u.s.w.

      (Die Cur: z.B. Mi­li­ta­ris­mus, von Na­po­le­on an, der in der Ci­vi­li­sa­ti­on sei­ne na­tür­li­che Fein­din sah.)

      *

      42.

      Was man bis­her als Ur­sa­chen der De­ge­ne­ra­tion an­sah, sind de­ren Fol­gen.

      Aber auch, was man als Heil­mit­tel ge­gen die Ent­ar­tung be­trach­tet, sind nur Pal­lia­ti­ve ge­gen ge­wis­se Wir­kun­gen der­sel­ben: die »Ge­heil­ten« sind nur ein Ty­pus der De­ge­ner­ir­ten.

      Fol­gen der dé­ca­dence: das Las­ter – die Las­ter­haf­tig­keit; die Krank­heit – die Krank­haf­tig­keit; das Ver­bre­chen – die Cri­mi­na­li­tät; das Cö­li­bat – die Ste­ri­li­tät; der Hys­te­ris­mus – die Wil­lens­schwä­che; der Al­ko­ho­lis­mus; der Pes­si­mis­mus; der An­ar­chis­mus; die Li­ber­ti­na­ge (auch die geis­ti­ge). Die Ver­leum­der, Un­ter­gra­ber, An­zweif­ler, Zer­stö­rer.

      *

      43.

      Zum Be­griff »dé­ca­dence«.

      1) Die Skep­sis ist eine Fol­ge der dé­ca­dence: eben­so wie die Li­ber­ti­na­ge des Geis­tes.

      2) Die Cor­rup­ti­on der Sit­ten ist eine Fol­ge der dé­ca­dence (Schwä­che des Wil­lens, Be­dürf­niß star­ker Reiz­mit­tel –).

      3) Die Cur­me­tho­den, die psy­cho­lo­gi­schen und mo­ra­li­schen, ver­än­dern nicht den Gang der dé­ca­dence, sie hal­ten nicht auf, sie sind phy­sio­lo­gisch null –:

      Ein­sicht in die große Nul­li­tät die­ser an­maß­li­chen »Re­ak­tio­nen«; es sind For­men der Nar­ko­ti­si­rung ge­gen ge­wis­se fa­ta­le Fol­ge-Er­schei­nun­gen; sie brin­gen das mor­bi­de Ele­ment nicht her­aus; sie sind oft he­ro­i­sche Ver­su­che, den Men­schen der dé­ca­dence zu an­nul­li­ren, ein Mi­ni­mum sei­ner Schäd­lich­keit durch­zu­set­zen.

      4) Der Ni­hi­lis­mus ist kei­ne Ur­sa­che, son­dern nur die Lo­gik der dé­ca­dence.

      5) Der »Gute« und der »Schlech­te« sind nur zwei Ty­pen der dé­ca­dence: sie hal­ten zu ein­an­der in al­len Grund­phä­no­me­nen.

      6) Die so­cia­le Fra­ge ist eine Fol­ge der dé­ca­dence.

      ?) Die Krank­hei­ten, vor al­len die Ner­ven- und Kopf­krank­hei­ten, sind An­zei­chen, daß die De­fen­si­v-Kraft der star­ken Na­tur fehlt; eben­da­für spricht die Ir­ri­ta­bi­li­tät, so­daß Lust und Un­lust die Vor­der­grunds-Pro­ble­me wer­den.

      *

      44

      All­ge­meins­te Ty­pen der dé­ca­dence

      1) man wählt, im Glau­ben, Heil­mit­tel zu wäh­len, Das, was die Er­schöp­fung be­schleu­nigt; – da­hin ge­hört das Chris­tent­hum (um den größ­ten Fall des fehl­grei­fen­den In­stinkts zu nen­nen); – da­hin ge­hört der »Fort­schritt« –

      2) man ver­liert die Wi­der­stands-Kraft ge­gen die Rei­ze, – man wird be­dingt durch die Zu­fäl­le: man ver­grö­bert und ver­grö­ßert die Er­leb­nis­se in’s Un­ge­heu­re…

Скачать книгу