Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
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Die Werthung, mit der heute die verschiedenen Formen der Societät beurtheilt werden, ist ganz und gar Eins mit jener, welche dem Frieden einen höheren Werth zuertheilt als dem Krieg: aber dies Urtheil ist antibiologisch, ist selbst eine Ausgeburt der décadence des Lebens … Das Leben ist eine Folge des Kriegs, die Gesellschaft selbst ein Mittel zum Krieg … Herr Herbert Spencer ist als Biologe ein décadent, – er ist es auch als Moralist (er steht im Sieg des Altruismus etwas Wünschenswertes!!!).
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54.
Ich habe das Glück, nach ganzen Jahrtausenden der Verirrung und Verwirrung den Weg wiedergefunden zu haben, der zu einem Ja und einem Nein führt.
Ich lehre das Nein zu Allem, was schwach macht, – was erschöpft.
Ich lehre das Ja zu Allem, was stärkt, was Kraft aufspeichert, was das Gefühl der Kraft rechtfertigt.
Man hat weder das Eine noch das Andre bisher gelehrt: man hat Tugend, Entselbstung, Mitleiden, man hat selbst Verneinung des Lebens gelehrt. Dies Alles sind Werthe der Erschöpften.
Ein langes Nachdenken über die Physiologie der Erschöpfung zwang mich zu der Frage, wieweit die Urtheile Erschöpfter in die Welt der Werthe eingedrungen seien.
Mein Ergebniß war so überraschend wie möglich, selbst für mich, der in mancher fremden Welt schon zu Hause war: ich fand alle obersten Werthurtheile, alle, die Herr geworden sind über die Menschheit, mindestens zahm gewordene Menschheit, zurückführbar auf die Urtheile Erschöpfter.
Unter den heiligsten Namen zog ich die zerstörerischen Tendenzen heraus; man hat Gott genannt, was schwächt, Schwäche lehrt, Schwäche inficirt … ich fand, daß der »gute Mensch« eine Selbstbejahungsform der décadence ist.
Jene Tugend, von der noch Schopenhauer gelehrt hat, daß sie die oberste, die einzige und das Fundament aller Tugenden sei: eben jenes Mitleiden erkannte ich als gefährlicher, als irgend ein Laster. Die Auswahl in der Gattung, ihre Reinigung vom Abfall grundsätzlich kreuzen – das hieß bisher Tugend par excellence…
Man soll das Verhängnis; in Ehren halten; das Verhängnis;, das zum Schwachen sagt »geh zu Grunde!«…
Man hat es Gott genannt, daß man dem Verhängniß widerstrebte, – daß man die Menschheit verdarb und verfaulen machte… Man soll den Namen Gottes nicht unnützlich führen…
Die Rasse ist verdorben – nicht durch ihre Laster, sondern ihre Ignoranz: sie ist verdorben, weil sie die Erschöpfung nicht als Erschöpfung verstand: die physiologischen Verwechslungen sind die Ursache alles Übels…
Die Tugend ist unser großes Mißverständniß.
Problem: wie kamen die Erschöpften dazu, die Gesetze der Werthe zu machen? Anders gefragt: wie kamen Die zur Macht, die die Letzten sind?… Wie kam der Instinkt des Thieres Mensch auf den Kopf zu stehn?…
4. Die Krisis: Nihilismus und Wiederkunftsgedanke.
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55.
Extreme Positionen werden nicht durch ermäßigte abgelöst, sondern wiederum durch extreme, aber umgekehrte. Und so ist der Glaube an die absolute Immoralität der Natur, an die Zweck- und Sinnlosigkeit der psychologisch-nothwendige Affekt, wenn der Glaube an Gott und eine essentiell moralische Ordnung nicht mehr zu halten ist. Der Nihilismus erscheint jetzt, nicht weil die Unlust am Dasein größer wäre als früher, sondern weil man überhaupt gegen einen »Sinn« im Übel, ja im Dasein mißtrauisch geworden ist. Eine Interpretation gieng zu Grunde: weil sie aber als die Interpretation galt, erscheint es, als ob es gar keinen Sinn im Dasein gebe, als ob Alles umsonst sei.
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Daß dies »Umsonst!« der Charakter unseres gegenwärtigen Nihilismus ist, bleibt nachzuweisen. Das Mißtrauen gegen unsere früheren Wertschätzungen steigert sich bis zur Frage: »sind nicht alle ›Werthe‹ Lockmittel, mit denen die Komödie sich in die Länge zieht, aber durchaus nicht einer Lösung näherkommt?« Die Dauer, mit einem »Umsonst«, ohne Ziel und Zweck, ist der lähmendste Gedanke, namentlich noch wenn man begreift, daß man gefoppt wird und doch ohne Macht ist, sich nicht foppen zu lassen.
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Denken wir diesen Gedanken in seiner furchtbarsten Form: das Dasein; so wie es ist, ohne Sinn und Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend, ohne ein Finale in’s Nichts: »die ewige Wiederkehr«.
Das ist die extremste Form des Nihilismus: das Nichts (das »Sinnlose«) ewig!
Europäische Form des Buddhismus: Energie des Wissens und der Kraft zwingt zu einem solchen Glauben. Es ist die wissenschaftlichste aller möglichen Hypothesen. Wir leugnen Schluß-Ziele: hätte das Dasein eins, so müßte es erreicht sein.
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Da begreift man, daß hier ein Gegensatz zum Pantheismus angestrebt wird: denn »Alles vollkommen, göttlich, ewig« zwingt ebenfalls zu einem Glauben an die »ewige Wiederkunft«. Frage: ist mit der Moral auch diese pantheistische Ja-Stellung zu allen Dingen unmöglich gemacht? Im Grunde ist ja nur der moralische Gott überwunden. Hat es einen Sinn, sich einen Gott »jenseits von Gut und Böse« zu denken? Wäre ein Pantheismus in diesem Sinne möglich? Bringen wir die Zweckvorstellung aus dem Processe weg und bejahen wir trotzdem den Proceß? – Das wäre der Fall, wenn Etwas innerhalb jenes Processes in jedem Momente desselben erreicht würde – und immer das Gleiche. Spinoza gewann eine solche bejahende Stellung, insofern jeder Moment eine logische Nothwendigkeit hat: und er triumphirte mit seinem logischen Grundinstinkte über eine solche Weltbeschaffenheit.
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Aber sein Fall ist nur ein Einzel-Fall. Jeder Grundcharakterzug,