Betreten verboten!. Inga Jung

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Betreten verboten! - Inga Jung

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fühlen. Es ist der Inbegriff der Sicherheit.

      Und nun kommen auf einmal fremde Menschen in diesen intimen Bereich, machen Krach, schauen dem Hund bedrohlich in die Augen, wollen ihn eventuell sogar anfassen … auf einmal fühlt sich der sichere Rückzugsort an wie eine Falle. Für den unsicheren Hund ist das der reinste Horror. Da ist es doch nicht verwunderlich, dass er die Fremden anbellt und zu verscheuchen versucht. Das hat aber in diesem Fall nichts mit Territorialverhalten zu tun, es handelt sich hierbei um reine Selbstverteidigung.

      Es ist wichtig zu wissen, was im Hund vorgeht, um die Situation für alle Anwesenden bestmöglich zu gestalten. Habe ich einen unsicheren Hund, der Angst vor Fremden hat, dann ist es zum Beispiel keine gute Idee, den Besucher mit Leckerlis auszustatten und den Hund zu sich locken zu lassen. Das macht ihn in dessen Augen nur noch gruseliger, denn er beschäftigt sich viel zu sehr mit dem unsicheren Hund und widmet ihm zu viel Aufmerksamkeit. Außerdem fühlt der Hund sich vielleicht durch das Futter verführt, viel näher an den gruseligen Menschen heranzugehen als er sich normalerweise trauen würde. Greift der Mensch dann womöglich noch nach dem Hund, um ihn zu streicheln, gerät der Hund völlig in Panik und läuft entweder weg oder geht zum Angriff über.

      Besser wäre es für einen solchen Hund, wenn der Fremde ihn überhaupt nicht beachtet und so tut, als sei er gar nicht da. Das gibt dem Hund Sicherheit. Futter, das die Situation durchaus positiv aufwerten kann, kommt ausschließlich von einer Bezugsperson, der der Hund vertraut und bei der er gleichzeitig Schutz suchen kann. Dann wird er sich im Laufe der Zeit beruhigen und vielleicht sogar entspannen können.

      In den letzten Jahren begegnen mir vermehrt Hunde, die auf die verschiedensten Alltagssituationen unsicher reagieren. Sehr oft ist dies eine Folge mangelnder positiver Erfahrungen oder Überforderung in der Welpenzeit. Auch eine gestresste Hundemutter überträgt die Stresshormone und ihr unruhiges Verhalten direkt auf ihre Welpen. Die Folge sind Unsicherheit, Ängstlichkeit, aber oft auch Hyperaktivität oder – aus der Selbstverteidigung heraus – plötzliche aggressive Attacken gegen alles, was dem Hund als bedrohlich erscheint.

      Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, darauf im Detail einzugehen. Sollten Sie aber mit einem unsicheren, ängstlichen oder hyperaktiven Hund Ihr Leben teilen, werfen Sie bitte einen Blick in die Buchtipps zum Weiterlesen im Anhang dieses Buches. In der dort aufgelisteten Literatur finden Sie wertvolle Anregungen für das Leben mit solchen Hunden und Praxistipps zur Verbesserung der Situation.

      Schnüffeln und Markieren

      Für uns Menschen ist es nur ein unschöner gelber Fleck – für den Hund ist eine Urinmarke ein Quell vielfältiger Informationen. Er kann aus so einem bisschen Pipi nicht nur herauslesen, ob da ein Rüde oder eine Hündin war, sondern auch, in welchem aktuellen Hormonstatus dieser Hund sich befindet, ob er kastriert ist oder nicht, ob er gesund ist oder krank, und wenn ja, welche Krankheiten er hat, ob er jung oder alt ist usw. Wie viele Informationen ein Hund genau erhält, wenn er eine Urinmarkierung untersucht, ist uns Menschen immer noch nicht komplett klar, weil diese Welt der Hunde uns mit unserer begrenzten Wahrnehmungsfähigkeit schlichtweg verschlossen ist.

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      Das Markieren und die damit verbundene Kommunikation mit anderen sind dem Hund ein Bedürfnis.

      Wenn ein Hund am Wegesrand markiert, dann ist das nicht nur eine reine Besitzanzeige, wie wir Menschen mit unserer eingeschränkten Wahrnehmung lange Zeit geglaubt haben, sondern weit mehr als das. Es ist ein differenzierter Informationsaustausch mit anderen Hunden über den Weg der geruchlichen Kommunikation. Ähnlich wie wir mit anderen Menschen über die Distanz telefonieren, so kommunizieren Hunde mit anderen Hunden über ihre Markierungen.

      Ein Hund drückt durch seine Urinmarkierung aus, dass er an diesem Ort war und dass er ein Recht hat, sich an diesem Ort aufzuhalten – dies ist der Hauptgrund, warum schüchterne Hunde selten markieren und sich manchmal sogar gar nicht trauen, sich draußen zu erleichtern. Es kann so weit gehen, dass diese Hunde ihr kleines und großes Geschäft nur im eigenen Haus oder Garten erledigen. Denn wer draußen keine Spuren hinterlässt, der wird so wenig wie möglich von anderen Hunden wahrgenommen. Er hat allerdings auch keine Berechtigung, sich in dem Gebiet aufzuhalten. Häufig sieht man dieses Phänomen bei sehr unsicheren Hunden, die neu in eine Gegend gezogen sind, in der bereits andere Hunde leben.

      Neben der Botschaft „ich war hier“ wird die Botschaft „ich darf mich hier aufhalten“ durch häufige Markierungen unterstrichen. Werden bestimmte Dinge oder befreundete Menschen und Tiere markiert, drückt das ein Zusammengehörigkeitsgefühl aus. „Wir gehören zusammen, denn wir riechen gleich“ ist Ausdruck einer Kommunikation nach außen. Weniger wichtig ist hierbei der Ausdruck der Besitzanzeige, er spielt aber in manchen Konstellationen auch eine Rolle, zum Beispiel wenn ein Hund sein eigenes Spielzeug markiert.

       Die Kommunikation mit Artgenossen über Geruchsbotschaften ist für Hunde ebenso bedeutend wie für uns das Gespräch mit unseren Mitmenschen.

      Mit jeder Urin- und Kotmarkierung hinterlässt ein Hund seine komplette Visitenkarte inklusive Gesundheitszeugnis und Statusanzeige seines hormonellen Zyklus. Das erklärt, warum selbstbewusste Hunde häufig öfter und an höher gelegenen (und dadurch besser durch andere Hunde auffindbaren) Stellen markieren als schüchterne Hunde. Außerdem ist es natürlich eine Frage, wie wichtig einem die Botschaft, die eine Markierung übermittelt, ist, und hier sind wir wieder beim Thema Territorialverhalten angekommen. Denn natürlich ist es einem Hund, der territorial denkt und Wert darauf legt, dass die Hunde der Umgebung ihn in seinem Revier und seinem Streifgebiet wahrnehmen, wichtiger, viele Markierungen zu hinterlassen. Ein Hund, der mit allen anderen Hunden nur spielen will und jeden in seinem Haus als Freund willkommen heißt, legt einfach weniger Wert darauf, dass alle wissen, wo genau er seine Reviergrenzen ansetzt. Vielleicht weiß er das selbst nicht so genau, weil es ihm nicht viel bedeutet.

      Die Analyse einer Kot- und Urinmarkierung ist für den Hund anstrengend. Je älter ein Hund wird, desto schwieriger wird es für ihn in der Regel, die Düfte zu analysieren und einzuordnen, weil das Riechvermögen im Alter abnimmt. Deshalb brauchen alte Hunde – und übrigens oft auch kurzschnäuzige Hunde, die durch die Deformation ihres Kopfes häufig mit Einschränkungen des Riechvermögens und Atemnot zu kämpfen haben – länger für die Analyse von Duftmarken als jüngere Hunde. Das Schnüffeln auf dem Spaziergang ist geistige Auslastung in ihrer natürlichsten Form. Ein Hund, der auf einem langsamen Spaziergang ausgiebig geschnüffelt hat, wird danach erschöpfter und zufriedener sein als ein Hund, der die gleiche oder gar eine längere Strecke am Fahrrad mitgelaufen ist, dabei aber nicht anhalten durfte. Möchten Sie Ihrem Hund die Möglichkeit geben, sich geistig zu betätigen, Erfahrungen zu sammeln und seelisch zu reifen, dann geben Sie ihm täglich die Möglichkeit zu schnüffeln, statt ihn immer weiterzuziehen. Er wird es Ihnen mit mehr Zufriedenheit und Ausgeglichenheit danken.

      Das Markieren ist wichtig für unsere Hunde. Insbesondere für territorial denkende Hunde ist es Ausdruck ihrer Persönlichkeit und Teil ihres Weltbildes. Dennoch müssen wir natürlich Rücksicht auf unsere Mitmenschen nehmen. Es sollte sich eigentlich von selbst verstehen, dass wir darauf achten, wo unsere Hunde ihre Markierungen hinterlassen. Am frisch in weißer Farbe gestrichenen Gartenzaun oder Garagentor unseres Nachbarn beispielsweise machen sich gelbe Flecken nicht besonders gut, und verständlicherweise kann das sogar einen Hundefreund auf die Palme bringen. Ich selbst war auch nicht besonders begeistert, als bei einer Veranstaltung ein – trotz der Bitte, die Hunde an der Leine zu lassen – frei herumlaufender Rüde meine Fototasche markierte. Das ist respektlos; nicht vom Hund, der es natürlich nicht besser weiß, sondern von seinem Menschen, der sich nicht um seinen Hund kümmert. Hier sind wir gefragt, darauf zu achten, dass die Markierungen unseres vierbeinigen Familienmitgliedes kein fremdes Eigentum beschädigen.

      Apropos

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