Visionen: Skizzen und Erzählungen. Oskar Panizza

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Visionen: Skizzen und Erzählungen - Oskar  Panizza

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eilte ich, aus dem Dorf zu kommen, holte, auf der Landstraße angekommen, tüchtig aus, und gelangte nach mehrstündigem Marsch gegen Morgen in eine kleine Ortschaft von harmlosem Aussehen mit freundlichen Leuten, überall offenen Thüren, und einer wenig präponderirenden Kirche, dagegen mit einem vortrefflichen Wirthshaus, wo ich nicht säumte, mich zu restauriren.—

      Acht Tage später las ich,—inzwischen in die Kreisstadt gelangt,—im Amtsblatt folgende Bekanntmachung:

      "In vergangener Nacht wurden in der hiesigen Ortskirche grauenhafte Zerstörungen angerichtet. Die Bildsäulen der Heiligen und Kirchenväter wurden von ihren Sockeln gestürzt, die Embleme ihnen aus der Hand gebrochen, Arme und Beine abgeschlagen ec.—Da die ziemlich leicht zugängliche Armenbüchse unberührt gelassen, auch sonst Werthvolles nicht entwendet worden, stellt sich das Ganze als ein Akt rohen Muthwillens und moralischer Verderbtheit dar. Verdacht richtet sich gegen einen Handwerksburschen, der spät Nachts in's Dorf kam und es gegen Morgen in der Richtung nach ——* verließ. Es wird gebeten, auf denselben zu vigiliren. Derselbe, von dem jede nähere Beschreibung fehlt, ist im Betretungsfalle festzunehmen und anher einzuliefern."—

      Gemeinde Zinsblech. Landgericht Pinzgau.

       Der Bürgermeister ** (Datum.)

       Inhaltsverzeichnis

      Tantam vim et efficaciam

       nonnulli phantasiae et

       imaginationi in proprium

       imaginantis corpus tribuerunt.

       Benedicti XIV; de imaginatione et ejus viribus.

      Erst ganz kurz hatte ich mich in einer der östlichen Vorstädte Hamburgs als Arzt und junger Anfänger niedergelassen. Der große Weltverkehr dieser Seestadt hatte stets einen eigenthümlichen Reiz auf mich ausgeübt. Durch billiges Honorar und unentgeldliche Armen-Behandlung hatte ich mir bald eine zahlreiche Clientèle, freilich meist geringere Leute, herangezogen. Ich wohnte ganz frei, fast wie auf dem Land. Ich hatte den Sommer als ersten Aufenthalt gewählt, um von der mir noch ganz fremden Stadt, meinem künftigen Aufenthaltsort, einen möglichst günstigen Eindruck zu bekommen. Auf einer großen Wiese vor meinen Fenstern lagerten immer große Carawanen oder kleinere Trupps seltener Thiere oder fremdartiger Menschen, die meist von London herübergekommen waren, und hier ihre weiteren Verschickung in's Innere Europas warteten. Ganz in meiner Nähe lag auch die Irrenanstalt.—

      Es war ein schöner Junimorgen. Meine Sprechstunde sollte eben beginnen. An der Thüre, die zum Wartezimmer führte, hörte ich ein seit einer Viertelstunde immer wachsendes Summen und Schwirren, unterbrochen von Kindergeschrei, von dort wartenden, meist ärmeren Leuten,—als plötzlich die Thüre meines Wohnzimmers, die zum Hausgang führte, mit einem energischen Griff aufgerissen wurde, und ein Neger zu mir in's Zimmer trat. Gleich hinter dem Neger kam mein Aufwarte-Mädchen mit besorgten Blicken hereingestürmt, um mir das unreglementmäßige Eintreten des Fremden zu erklären und zu entschuldigen. Ohne sich irgend wie abhalten zu lassen, sei der schwarze Mensch, als er meinen Namen an der Zimmerthüre gelesen, an ihr vorbeigeschossen und habe die Thüre aufgerissen ... so oder ähnlich drückte sie sich aus. Ich erwog, welche Bestürzung der schwarze Mensch im Wartezimmer, wo sich Kinder befanden, verursacht haben würde, und, indem ich mein Warte-Mädchen beruhigte und abtreten ließ, forderte ich den Neger mit einer freundlichen Handbewegung zum Sitzen auf. Dieser Mensch hatte mich aber bereits mit einer Fluth von Phrasen und einem Durcheinander von Kauderwelsch übergossen: "... halloo! Sie sind der Dokter?—You are the doctor!"-"Jawohl!"—"Ich habe Ihnen eine wichtige Consultation vorzutragen;—ich habe Ihnen aine sehr wichtige Mittheilung, aine sehr erfreuliche Mittheilung zu machen;—sehr wichtig und sehr erfreulich vor mich; ich waiß nicht, ob auch vor Sie.—Aber ich glaube, daß Sie ein guter Docter sind, der hat ain Herz,—at least I presume;—Sie werden kaum glauben, was ich Ihnen werde erzählen, das haißt, Sie können kaum glauben, wenn Sie gesunde Kopf haben,—ich meine, Sie werden höchst wahrscheinlich nicht glauben,—aber es ist doch wahr,—es ist furchtbar wahr,—es ist fast zu toll, um wahr zu sain.—I'm a nigger;—that is, I have been a nigger!—Ich habe Neger gewesen!—oh,—ich bin Neger gewesen!—Ich bin Neger nicht mehr!..."—

      Ich muß hier den Leser auf einen Punkt aufmerksam machen. Der Neger, der hier vor mir stand, und sich um keinen Preis setzen wollte, war schwarz. Dieß wird vielleicht Manchem als eine höchst überflüssige Bemerkung erscheinen; sie ist es aber nicht, wie der Leser am Schlusse dieser absonderlichen Sprech-Zimmer-Debatte, womit die Geschichte überhaupt zu Ende ist, erkennen wird. Ich füge hinzu: Der Neger war nicht nur schwarz; es fehlten auch jene bräunlichen Tinten und helleren Flecke, wie man sie bei den etwas entfernter vom Aequator wohnenden Stämmen findet. Der Mann war ganz schwarz; jene Schwärze mit bläulichem Anhauch, wie es bei uns ein frisch gewichstes Ofenrohr darbietet; mit einem Wort, ein echter Sudan-Neger.—Er war abendländisch gekleidet, trug einen hellcarirten, doppelten Ueberzieher im englischen Schnitt, einen eleganten braunen, façonirten Filzhut, keine Handschuhe, dicke, auffallend große Stiefel, die er fertig gekauft zu haben schien, und, in Unkenntniß ihres Bau's, rechts und links verwechselt hatte; die ganze Gestalt kräftig, untersetzt; das Gesicht bartlos, wulstige Lippen, breitgequetschte Nase, ein großes sprechendes Auge, kurze aber gut entwickelte Stirn, und, ich wiederhole nochmals, die Haut ganz schwarz.—Ich muß sagen, das Erscheinen dieses Menschen in meiner Sprechstunde war mir nicht besonders angenehm; der wilde schwarzblütige Pathos, mit dem er sich, wie der Leser bemerkt haben wird, ziemlich aufdringlich bei mir eingeführt hatte, ließ mich befürchten, ich möchte nicht so rasch mit ihm fertig werden. Inzwischen war es l Uhr geworden. Im Wartezimmer neben drängte und stieß es an die Thüre; es war jedenfalls schon voll; und fortwährend klingelte es, und es kamen neue Patienten.—Auf der andern Seite beunruhigte mich der Gedanke, daß ich in orientalischen Krankheiten und unter den Tropen vorkommenden Leiden höchst ungenügend orientirt war; in Neger-Pathologie wußte ich nun schon gar nichts.—Die Suada, die der Mann mit immer heftigerer Gesticulation hervorbrachte, ließ sogleich erkennen, daß er ursprünglich englische Cultur-Verhältnisse durchgemacht, und dann erst von hier aus sich das Deutsche angeeignet hatte, welches er mit englischem Accent sprach.—Das Haupt-Leiden der Engländer, wenn sie sich in tropischen Gegenden aufhalten,—sagte ich mir rasch,—ist das Saufen; sie leiden alle an der Leber;—und die erste Leidenschaft, die wilde, uncivilisirte Völker bei ihrer Berührung mit Abendländern diesen nachmachen, ist der Schnapsgenuß;—vielleicht,—dachte ich mir,—leidet der Mann an der Leber. Und in diesem Sinne unterbrach ich das unaufhörliche Kauderwelsch dieses Menschen, das ich dem Leser unmöglich Alles vorführen kann, mit den Worten: "Mein lieber Freund, sind Sie krank, und wo fehlt es Ihnen?"—"Krank?"—replicirte mein schwarzes Vis-à-vis sehr heftig, und riß die Augen auf,—"krank,—nein! ich sein nicht krank; ich bin ganz gesund, gesünder als vorher ..."—"Ja, was wollen Sie dann von mir?"—frug ich etwas ärgerlich.—"Bitte, Docter,—haben Sie gute Herz und hören Sie mich an!"—In diesem Moment kam mir der Gedanke, daß der Bursche ein Almosen verlange, und, um dasselbe möglichst groß ausfallen zu machen, im Begriff sei, mir eine Schicksals-Tragödie zu erzählen. Ich griff daher in mein Portemonnaie, nahm ein kleines Geldstück und hielt es ihm hin. "Was haben Sie Docter?" frug der Neger und wich vor meiner Hand zurück.—"Eine Kleinigkeit für Sie,—um Ihnen zu helfen!"—"Geld?"—schrie er,—"ich brauch kein Geld, hab' ich selbst Geld,"—und hieb mit der rechten übermäßig großen Hand auf seine rechte Hosentasche;—"Geld ist Schmutz!"—fügte er hinzu, und holte mit der enormen schwarzen Pratze einen Haufen Münzen aus der Hosentasche, und hielt sie mir zitternd vor das Gesicht.—"Hier Docter, wollen Sie Geld?—Geld ist Schmutz!" schnaubte der Neger, und war einen Schritt näher auf mich zugekommen, mich mit den weißen Kugeln seiner Augen bedrohlich beobachtend. Wie ich diese schwarze Hohlhand, in der bunt durcheinander Gold-, Silber- und Kupferstücke von nicht unbeträchtlichem

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