Herzmord. Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Herzmord - Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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      Man sieht ja auch hinterher so zerknautscht aus. Das macht keinen guten Eindruck und der erste Eindruck zählt doch!

      Nach meinen älteren Schwestern und deren „Flutsch-und-raus-Geburten“, einer Fehlgeburt, vielleicht hätte es ein Bruder werden sollen, war ich nun das dritte Pritzlaff-Baby, das auf die Welt losgelassen werden sollte.

      12 Stunden Qual im Krankenhaus. Kommt das Balg oder nicht? Hin und Her. Aber der kleine Scheißer, also ich, wollte einfach nicht an dem gewünschten Sonntag, den 05.05.1963 zur Welt kommen. Also wurde ich ein Montagskind. Das merkt man noch heute. Ich überlegte es mir viel zu spät und kam dann endlich 8 Minuten nach 01.00 Uhr nachts doch noch zur Welt. Ein Stier halt. Immer seinen sturen Kopf durchsetzen wollen.

      Wahrscheinlich war es mir schön warm in Mutters Bauch. Ich wurde gut versorgt und behütet. Warum sollte ich da raus? Lieber noch eine Weile rumgetragen werden, das Bindegewebe weiten und wie wild unter Mutters Rippen treten, wenn es mir mal wieder zu langweilig wurde. Ich brauchte wohl mehr Beinfreiheit, aber die Rippen habe ich meiner Mutter dabei wundgetreten. Die Ärmste! Ich hätte „ordentlich gewirtschaftet“ im Mutterbauch und alle hätten angenommen, dass Zwillinge unterwegs wären. Waren sie aber nicht. Nur ich. Ätsch! Überraschung.

      Ich war zwei Wochen übertragen. Das Fruchtwasser soll gestunken haben wie ... wie... zum Kotzen halt. Habe ich daher meinen Hang zu eher muffigeren menschlichen Gerüchen, als zu süßen Parfums? Oder ist das schon ein Fetisch? Lieber getragenes Leder, als blumig-frisches Seidenhemdchen. Lieber einen drei Tage nicht gewaschenen Kerl, als eine von Seife, Deo und Creme verschmierte „Husche“.

      Ich soll 4,5 Kilogramm schwer gewesen sein. Ein dicker Junge. Mein Vater soll gleich ausgerufen haben: „Der Junge hat ein richtiges Schweinsgenick.“ Ich soll ausgesehen haben, wie ein nacktes Spanferkel mit einem Specknacken ausgerüstet. Gute Voraussetzungen also für ein Leben nach „dem Wurf“: Gleich auf den Grill damit!

      Der kleine Specknacken hatte beim Rausklettern Mutters Steiß angebrochen. Fast zwei Jahre konnte meine arme Mutter nicht richtig sitzen. Immer nur mit Schmerzen. Aua!

      Es sollte noch schlimmer kommen. Die Nachgeburt kam nicht richtig raus. Soll heißen, etwas blieb drin in meiner Mutter. Wie wird die Nachgeburt gemessen? In Zentimetern, Litern oder Tonnen? Jedenfalls löste diese weitere Misere eine Kettenreaktion an schlimmen Symptomen in meiner Mutter aus.

      Fieberschübe, Eiter in den Brüsten, an den Finger- und Zehennägeln. Ein Arzt operierte die Brust meine Mutter zuhause im Bett. Was damals alles noch möglich war?

      Der Rücken tat ihr weh. Man nahm sogar an, dass eine Lungenentzündung der Verursacher war. Das war aber falscher Alarm.

      Durch die Verunreinigung von Eiter und Entzündungen, konnte mich meine Mutter nicht stillen. Ich war dazu verdonnert worden, ein Flaschenkind zu werden. Ich habe aber nie an der Flasche gehangen. So alkoholtechnisch, meine ich.

      Ich habe nie an Mutters Brust gesaugt. Heul... Schluchz... Schnief... Vielleicht ein Zeichen dafür, dass ich noch heute auf dicke Titten abfahre und sie einfach geil finde. Wahrscheinlich, weil ich als Baby nicht an Brüste rangekommen bin. Ich schaue mir die dicken Dinger gerne an, was einige meiner schwulen Freunde irritiert.

      Ich soll 56 cm gemessen und durch die Übertragung ganz verschrumpelte Finger gehabt haben. Irgendjemand muss sie wohl danach wieder glattgezogen haben. In meiner Kindheit waren sie nicht mehr schrumpelig, höchstens nach dem Baden oder Schwimmen. Und nun bin ich schon in dem Alter, in der die Haut wieder schrumpelig wird. Was für ein Scheiß!

      Ich hatte schwarzes volles Haar von Anfang an. Ich fing also nicht mit einer Glatze an, sondern eher mit einer Mähne. Wie ein kleines Teufelchen, beschrieben in dem Roman „Rosemaries Baby“. Aber das Zeichen, die 6 6 6 aus dem Film „Das Omen“ sucht man in meinem Haaransatz vergeblich. Dafür begann die Glatzenbildung schon mit 28 Jahren.

      Jetzt hatte mein Vater den ersehnten Stammhalter. Denkste! Ich halte lieber selber „sehnige Stämme“ in Händen, als den Familiennamen an Enkel und Urenkel weiterzugeben. Ein Schuss in den Ofen sozusagen. Alles umsonst. Aber das sollte alles erst viel später Thema werden.

      Jetzt hieß es erst Mal viel saufen, aus der Flasche, essen und wachsen und ordentlich die Windeln vollscheißen. Die waren 1963 noch aus Stoff und wurden nicht einfach so weggeschmissen. Die wurden gewaschen und wiederbenutzt. Wieviel Scheiß die Mütter damals aushalten mussten!? Ausgekocht und gewaschen und gekocht und gewaschen... denn die Pampers kamen erst 1973 nach Deutschland, da war ich dann schon raus aus der größten Scheiße.

      In unserer Waschküche stand noch ein alter Waschzuber, der mit Kohle geheizt wurde, und darin wurde Wäsche gewaschen. Das alte Wasch- oder Rubbelbrett habe ich heute noch als Andenken an diese Zeiten in meiner Wohnung stehen.

      Kapitel 2: Aua, Masern!

      1967 war ich vier Jahre alt und bekam die Masern. Woher kamen die „Biester“? Also, aus dem Kindergarten hatte ich sie nicht. Ich war nur drei Wochen im Kindergarten. Ich wollte nicht eingesperrt sein und rebellierte. Ich wehrte mich, doch meine Mutter meinte ich müsse und schleppte mich wortwörtlich hinter sich her zum Kindergarten. Nach drei Wochen hatte auch meine Mutter die Schnauze voll von dem täglichen Zieh- und Schlepp-Theater und ich brauchte nicht mehr in den mir verhassten Kinderknast.

      Ich denke mal, die Masern kamen von meinen Schwestern. Sie hatten sie aus der Schule mitgebracht und dann ging es bei uns zuhause rund. Natürlich steckten wir uns alle drei nacheinander und voneinander an.

      Was war das für ein Mist? Unsere Körperchen randvoll mit Hitze vom Fieber. Wir mussten im Bett liegen und fühlten uns schlecht und matt und waren zu überhaupt nichts zu gebrauchen. Wir lagen in unserem durch Holzjalousien abgedunkelten Kinderzimmer, weil die Augen so lichtempfindlich waren und vegetierten den lieben langen Tag qualvoll vor uns hin. Drei Blagen im Halbdunkel. Von der Außenwelt abgeschnitten. In unserem gemeinsamen Kinderzimmer. Meine älteste Schwester in einem Einzelbett. Meine jüngere Schwester oben und ich unten im Stockbett. Kinder-Einzelzimmer „de luxe“ waren damals nicht üblich.

      Man wollte sich ausgiebig kratzen und durfte nicht. Meine Mutter hatte uns sämtliche Kratzereien verboten. Aber sämtliche Verbote wurden über den Haufen geschmissen, wenn unsere Mutter aus dem Zimmer ging. Dann ging die wilde Kratzerei los. Wir konnten nicht anders. Auch die von ihr ausgemalten Horrorszenarien wie Löcher in der Haut oder schlimme Narben, die zurückbleiben würden, wenn wir uns kratzten, ließen uns nicht davon abhalten.

      Unsere Hausärztin kam ins Haus und konnte auch so gar nichts anderes machen, als unsere ausgewachsene Krankheit zu bewundern.

      Wir hatten Schnupfen, Husten, Halsschmerzen und ordentlich Fieber. Weil durch Masern noch Schlimmeres, wie Mittelohr- Lungen- und Gehirn-Entzündung entstehen können, mussten wir viel trinken, obwohl mit den Halsschmerzen jeder Schluck zur Tortur wurde. Dem Fieber rückte man mit Wadenwickel zu Leibe. Außerdem schluckten wir Paracetamol gegen Schmerzen und um etwas das hohe Fieber zu senken. Das war es eigentlich schon. Den Rest musste man aushalten. Über drei Wochen ging die ganze Chose über die Bühne und zerrte an Mutters Nerven und an unseren Leibern.

      Heute gibt es für alles so wunderbare Impfungen. Die Kinder müssen nicht mehr durch diese Kinderkrankheiten durch und sind vor Ansteckung geschützt. Was für ein Fortschritt!

      Kapitel 3: Schlitten fahren mit Rums!

      Im

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