Herzmord. Dietmar Wolfgang Pritzlaff
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Jetzt erst wurde meine Mutter hellhörig, schlüpfte in ihr Straßenschuhwerk, schnappte sich den Hausschlüssel und lief den Kindern nach, die ihr den Weg zum blutigen Dietmar wiesen. Und ich blutete gewaltig, wie meine Mutter mir erzählte. Ich konnte mich nicht aufrappeln und lag wohl immer noch im Dreck.
„Zicke, zicke, zacke, jeder hat ne’ Macke. Ne’ große oder kleine, jeder Mensch hat seine.“
Ich hatte jetzt meine zweite Macke weg. Wieder eine Gehirnerschütterung, aber eine leichtere. Dafür hatte ich kaum noch ein Gesicht im Gesicht.
Meine Mutter hob mich auf und trug mich auf ihren Armen. Meine offenen blutigen Schürfwunden an sich gedrückt, bluteten ihre Schürze und Pullover voll. Eine Hälfte meines Gesichts war nur noch eine blutige Masse. Sämtliche Haut war auf der linken Gesichtshälfte verschwunden. Kleine Steinchen hatten sich in und unter das blutige Fleisch gedrückt. Die untere Lippe war futsch oder war einfach weggeschabt. Meine Nase stand etwas schief und ist bis heute schief in meinem „fast makellosen Antlitz“ (hi, hi).
Meine Mutter erzählt noch heute von meinem Unfall. Sie hätte mich nicht mehr erkannt, so schlimm soll ich ausgesehen haben. Wie Frankensteins Monster. Ein völlig zermatschtes Gesicht.
Mein Vater war zur Arbeit. Wir hatten noch gar kein Auto. Wer konnte auf die Schnelle helfen? Meine Mutter schellte bei einem Nachbarn im Nebenhaus. Ein Herr Wunderle. Der hatte zwar ein Auto und wollte meiner Mutter und mir auch helfen, konnte aber kein Blut sehen, dann würde ihm schlecht. Ab ins Auto und mich mit einer Wolldecke zugedeckt, damit der arme Fahrer beim Anblick meiner Matschfresse nicht noch vor die Ecke fuhr. Ab ging es in Windeseile ins Krankenhaus. In das Krankenhaus in dem ich zur Welt gekommen war. Vorübergehender Aufenthalt Nummer 2 also.
In den damaligen Krankenhäusern gab es noch keine speziellen Kinderstationen, wie heute. Ich musste in einem Männer-Mehrbettzimmer liegen. Fünf alte Männer und ich, das Blag mit 5 Jahren. Die alten Herren machten mir schreckliche Angst. Sie gaben Geräusche von sich, die ich bisher nicht vernommen hatte. Zum Beispiel schnarchten einige in der Nacht. Furzten wann immer sie wollten laut durchs Zimmer und der entsetzliche Gestank drang dann auch zu mir. So rochen wohl alte Menschen.
Mein Gesicht war zu einem Ballon angeschwollen. Ein Auge war fast zugequollen und die Schulter, Hände und Knie schmerzten. Ich ließ meinen Schmerzensschreien freien Lauf. Ich wollte nach Hause und die alten Herren nicht um mich haben. Aber das ging nicht, und dann kam die Stunde des Abschieds von meiner Mutter. Sie wollte am nächsten Tag und dann jeden Tag wieder zu mir kommen. Ich sollte schön brav sein.
Wie soll man denn bitteschön in dieser Atmosphäre schön brav sein, wenn die Schmerzen unerträglich sind und die Tränen einfach so liefen wie sie wollten?
Ständig hallten laute Zurufe der Herren durch das Zimmer in die Richtung meines Bettchens. Die Herren fühlten sich in ihrer Genesung und in ihrer Ruhe gestört. Sie wollten, dass ich endlich die Schnauze hielt. Mein Geschrei und Geheule gingen ihnen auf die Nerven.
Eine Krankenschwester, meine liebe, nette Krankenschwester Ingrid kümmerte sich verständnisvoll und intensiv um mich. Sie war es auch, die mit den älteren Herren schimpfte und um ein bisschen mehr Rücksicht für den Kleinen Scheißer Dietmar kämpfte. Sie setzte sich an mein Bett und lenkte mich mit kindlichen Späßen von meinen Dauerschmerzen ab. Ein Segen, dass es diese Frau in diesem Krankenhaus gab.
Eine ganze Woche musste ich im Krankenhaus und in diesem mir verhassten Männerzimmer bleiben. Endlich gingen die schrecklichen Schwellungen zurück. Über der Augenbraue musste genäht werden und ist bis heute eine kleine Narbe zurückgeblieben. Außer dieser kleinen feinen Narbe hat sich mein Gesicht im Laufe der nächsten Zeit wieder eingekriegt. Es hatte wohl keine Lust auf Beulen und Dellen und glättete sich wieder.
Durch den ganzen Dreck in den Wunden und Steinchen unter der Haut bekam ich gleich die nächste Tetanusspritze. Sicher ist sicher. Von diesem Krankenhausaufenthalt hatte ich die Schnauze voll und wollte nie mehr hinein. Es sollte anders kommen.
Kapitel 6: Raupen-Allergie
Im Herbst 1968 spielte ich mal wieder im nahen Wald.
„Oh, was für eine wunderschöne dicke Raupe“, entfuhr es mir. Natürlich musste ich sofort dieses lustig schwarzrote „Ding“ mitnehmen. Ich wollte sie zuhause aufwachsen lassen. Noch ahnte ich nicht, was bald losgehen sollte.
Noch unterwegs auf dem nach Hause Weg begannen meine Hände zu brennen. Die fette Raupe ließ ich frei und lief nach Hause.
Ich bekam einen Ausschlag, der sich gewaschen hatte. Juckende Pickel wuchsen in Windeseile zu dicken Pusteln heran. Kratzen war mal wieder verboten, aber ich musste einfach.
Ich wurde zum Hautarzt geschleppt und mit Salbe und Puder versorgt. Auch zum Mitnehmen.
Zuhause wollte es die nächsten Tage nicht aufhören zu jucken und ich kratze mir natürlich wie wild die Pickel auf. Ganz allmählich verging die Allergie und ich lernte daraus: Nicht alles was kunterbunt rumkrabbelt in die Hand zu nehmen.
Kapitel 7: Mandeln und Polypen
Was muss man in jungen Jahren schon alles mitmachen? Gerade raus aus dem Krankenhaus, eine halbes Jahr Ruhe und im Frühjahr 1969 schon wieder rein ins Krankenhaus.
Meine zwei Jahre ältere Schwester Vera und ich hatten vier, fünf Mal im Jahr Halsschmerzen mit Mandelentzündungen gehabt. Vereiterte Mandeln waren nicht schön, nicht schön anzusehen und überhaupt nicht schön zu ertragen. Das konnte so nicht weitergehen. Ab zum Arzt und der schickte uns zwei Kleinen mit Mutter ins Krankenhaus. Nicht schon wieder? Doch, aber dieses Mal zu Zweit. Wir bekamen sogar ein Zimmer mit 2 Betten.
Schnipp und schnapp und schon waren die Mandeln ab. Oder raus. Ich hatte außerdem noch eine Vergrößerung der Rachenmandel, ein Polyp. Nein, die echten Polypen in der Nase hatte ich damals nicht. Die hatte ich erst später. Damals spielte sich alles im Hals ab.
Nach unseren Operationen lagen wir gemeinsam im Zimmer und flennten vor Schmerzen. Schon Spuckeschlucken bereitete Halsschmerzen. Wir bekamen mehrmals am Tag eine Gummi-Halskrause mit Eisstücken darin um den Hals gelegt. Das kühlte nicht lange und schon fühlte man wieder den ganzen Schmerz. Zu essen bekamen wir erst Mal nur flüssigen Brei, alle möglichen Suppen und auch Puddingsuppe. Die war wirklich lecker, aber dieses verdammte Wund-Schlucken...
Das einzig richtig Gute an dieser Zeit war die Tatsache, dass wir so viel Eis wie wir wollten essen, schlecken und lecken konnten. Das schmeckte gut, kühlte die rötlichen Schwellungen im Hals und dämmte die Schmerzen ein.
Nachts war mir unheimlich in dem Krankenhauszimmer. Vom Gang her drangen immer wieder unbekannte Geräusche ins Zimmer. Klappern, Schritte, leises Murmeln.
Zu meinen Schmerzen kam auch noch Schiss vor der Nacht in mein Bettchen gehüpft und ich hüpfte dann zu meiner Schwester Vera ins Bett und genoss ihre Wärme und ihr Dasein in diesen trüben Frühjahrstagen. Was hätte ich nur ohne sie gemacht?
Wieder dauerte es eine ganze Woche, dann durften wir endlich wieder nach Hause. Spielen. Hurra!
Kapitel 8: Ziegenpeter
Wieso muss man, musste ich,