Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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Sengend heiß brütete die Sonne über dem weiten ostpreußischen Land. Es war eine Schwüle, die den Wunschtraum steigerte, ständig im Wasser zu liegen und etwas Eiskaltes zu trinken. Für die Landbewohner jedoch bedeutete dieser harmlose Traum Luxus, denn für sie gab es trotz der Gluthitze harte, schwere Arbeit.
Die Roggenernte neigte sich ihrem Ende entgegen, und um diese köstliche Gabe gut und trocken unter Dach und Fach zu bekommen, mußten sich die Menschen tüchtig tummeln. Daher ging der Blick des schlanken Reiters, der schon seit Tagen von früh bis spät bei seinen Leuten auf dem Felde weilte, immer wieder zum Himmel hin, dessen leuchtende Bläue sich zu trüben begann.
Hier und da ballten sich Wölkchen zusammen, dick und bauschig wie schmutzige Watte, und von der See her kam immer häufiger ein Luftzug, der die emsig Schaffenden wohl aufatmen ließ, im allgemeinen jedoch nichts Gutes verhieß. In kurzer Zeit mußte ein Gewitter aufziehen, was Mensch und Tier erquickt hätte, den knistertrockenen goldgelben Garben jedoch nicht zuträglich sein konnte. Denn mit dem Gewitter pflegt auch Hagelschlag einzusetzen, und der würde die Körner aus den Ähren zu Boden peitschen. Also mußten die letzten Fuhren unbedingt noch geborgen werden. Daher ritt Jobst von Götterun unermüdlich von Wagen zu Wagen, sprach hier einen Arbeiter an, gab da einen Rat.
Einmal sprang er ab, ließ den Gaul laufen und stakte die Garben zu dem lachenden Mädchen hoch oben auf dem goldenen Berg. Ruckzuck – ruckzuck ging es unermüdlich fort und fort, und die Leute wurden zu noch emsigerer Arbeit angespornt.
Wagen um Wagen schwankte schwerbeladen davon, leere fuhren an ihre Stelle.
Es gab auf dem großen Gutshof wohl kein Pferd, kein einigermaßen brauchbares Gefährt, das nicht eingespannt war.
Auch der alte Oberinspektor, auf Uhlener Herrschaft geboren und in ihren Diensten ergraut, legte Hand an, wo es nottat. Seine Augen schweiften immer wieder besorgt zu der Stelle hin, wo sich die Wolken zusammenballten.
Eben schwankten wieder drei Wagen davon, acht weitere harrten noch ihrer Fuhre. Wenn es noch gelang, sie trocken unter Dach und Fach zu bekommen, dann konnte man von Glück sprechen. Dann war für dieses Jahr der Roggen trocken geborgen.
Am fernen Horizont blitzte es schon ab und zu auf. Eben rollte die letzte Fuhre knarrend vom Feld. Das aufmunternde »Hüh – hüh – hüh« der Wagenlenker klang zu den Leuten zurück, die erschöpft bis zum letzten, aber auch restlos zufrieden waren.
Götterun wischte sich mit dem Taschentuch über das Gesicht, ordnete den blonden Scheitel, reichte dann sein wohlgefülltes Zigarettenetui herum und versorgte die Rauchlustigen mit Feuer.
»Nun aber schnell, Leute, nach Hause, bevor ihr pudelnaß werdet«, ermunterte er die Menschen, die ihn umstanden. »Heute abend kommt der Lohn für den Fleiß. Oder seid ihr zu müde zum Feiern?«
»Nein, Herr Baron«, kam es lachend von allen Seiten. »Dazu sind wir nie zu müde.«
»Aber auch zur Arbeit nicht, ihr Getreuen, das habt ihr wieder einmal bewiesen.«
Als Götterun auf den Hof kam, sah er gerade die letzte Fuhre auf der Tenne verschwinden. Das Scheunentor flog zu.
Der Mann atmete tief auf. Das war gerade noch so geglückt. Nicht viel später hätte es getan werden dürfen, dann wäre soviel köstliche Frucht dahingewesen und mit ihr das Geld, das das Gut Uhlen doch so nötig brauchte.
Der Oberinspektor kam ihm entgegen.
»Herr Baron, soviel ich weiß, muß Fräulein Jödeborg um diese Zeit eintreffen.«
»Donnerwetter, ja, Herr Habermann, das hatte ich im Eifer ganz vergessen.«
Einen Blick auf die Armbanduhr und einen zum Himmel.
»Schöne Bescherung! Der Zug muß längst da sein, und jeden Augenblick kann das Unwetter losbrechen. Dazu ausgerechnet heute das Auto in Reparatur, die Gäule von der schweren Arbeit ziemlich ausgepumpt.
Da hilft also nichts, Hussa muß heran. Sorgen Sie doch bitte dafür, Habermann, daß er schleunigst in den Dogcart gespannt wird.«
Damit eilte er dem Schlosse zu, sprang in langen Sätzen die Freitreppe hinauf und wäre in der Halle beinahe mit der Repräsentantin des Hauses zusammmengeprallt.
»Hoppla, Frau Fröse, das war stürmisch!«
»Herr Baron, Fräulein Jödeborg muß längst auf dem Bahnhof sein.«
»Ja, leider hatte ich die Kleine total vergessen.«
»Aber bald wird das Gewitter über uns sein, da können Sie doch unmöglich fahren, Herr Baron!«
»Ich muß, Frau Fröse. Das kleine Mädchen graut sich ja zu Tode. Denn mögen die jungen Damen auch noch so couragiert tun, vor Gewitter fürchten sie sich mehr oder weniger alle.«
Eiligst hatte er den Wettermantel angezogen und die Mütze ins Gesicht gedrückt. Er eilte davon, den Ställen zu, wo Hussa gerade eingespannt wurde.
Es kostete Mühe, ihn zwischen die Deichsel zu bekommen. Denn erstens ging er höchst ungern im Gespann, und dann hatte er sich auf die wohlgefüllte Futterkrippe gefreut. Er schäumte im Gebiß, scharrte unwillig den Boden, und kaum, daß sein Herr die Leine ergriff, preschte er auch schon davon, daß die Hufe kaum noch den Boden berührten.
Fast ununterbrochen raste er dahin, und so konnte es geschehen, daß der Bahnhof in kurzer Zeit erreicht war.
An der Wetterseite standen die blauschwarzen Wolken dicht wie eine Wand. Es grollte und blitzte unausgesetzt.
Götterun sprang vom Wagen, band den nervösen Gaul fest und stürmte dem Bahnhofsgebäude zu.
Im Eingang bemerkte er eine weibliche Gestalt, die auf der Treppenstufe hockte und vor sich hin schluchzte. Sie war so in ihrem Jammer versunken, daß sie den Mann erst bemerkte, als er vor ihr stand. Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen und starrte ihn an. Der Wettermantel verhüllte die hochgewachsene Gestalt, der Kragen war bis zu den Ohren hochgeschlagen und die Mütze so tief heruntergezogen, daß sie das Gesicht halb verdeckte.
»Onkel Jobst –?« kam es leise fragend.
»Der bin ich, kleine Sölve –«
Da sprang das Mädchen auf. Zwei zitternde Hände umfaßten seinen Nacken, zwei heiße, zuckende Lippen preßten sich auf die seinen.
»Onkel Jobst, wie gut, daß du da bist«, stammelte es außer sich vor Erregung. »Ich dachte schon – ich glaubte schon du wolltest mich nicht – haben. Aber daß du nun doch gekommen bist – daß du mich nicht im Stich gelassen hast – das, das will ich dir danken!« schluchzte es an seinem Halse.
»Aber, aber, Sölve, mein kleines Mädchen, wie kannst du dich nur so erregen«, versuchte er zu beschwichtigen, während er die bebende Gestalt umfaßte. »Ich dich im Stich lassen? Wie kommst du auf die absurde Idee?«
»Jetzt ist ja alles gut – ich bin ja so froh –«, lachte und weinte sie nun durcheinander.
»Na, siehst du. Aber jetzt