Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Gott sei Dank –«, hätte Sölve fast erwidert, verschluckte es jedoch noch zur rechten Zeit. Und da Frau Fränze nun die Neugierde gestillt und festgestellt hatte, daß Heike wirklich in Uhlen war, rüstete sie zum Aufbruch.
Roderich, der sich langweilte weil er sich bei den »Weibern« nicht wichtig machen konnte, zog maulend hintendrein.
Als Sölve, die den Gästen das Geleit gegeben hatte, zurückkehrte, trat ihr Frau Fröse mit ausgestreckten Armen entgegen.
»Komm, Mädel, ich muß dir einen Kuß geben! Du entwickelst dich ja fabelhaft. In dir findet die liebe Frau Fränze bestimmt noch ihren Meister«, schloß sie mit herzlichem Lachen.
*
Freund, deine Schuld,
die kenne ich kaum,
gib ihr nicht Platz in
des Herzens Raum.
Nimm meine Hand,
sieh mein Gesicht
ich zürne dir nicht.
Doktor von Jührich bewohnte ein entzückendes Schlößchen hoch über den Dünen.
Er gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die das Schicksal in eine goldene Wiege gelegt hat. Er verfügte dazu noch über hervorragende Geistesgaben, so daß er spielend leicht lernte und schon mit achtzehn Jahren die Universität bezog. Er wurde Schiffsarzt und war an fremdländischen Hospitälern tätig, schloß sich Expeditionen an und lebte nach Lust und Neigung. Wenn das Heimweh zu arg wurde, kehrte er in die Heimat zurück, um einige Monate später seine Fernsehnsucht wieder zu stillen.
Bei der letzten Heimkehr wäre es wohl wieder so gekommen, wenn ihm nicht Sölves Krankheit Fesseln auferlegt hätte, die Freundestreue, Barmherzigkeit, und Schuldgefühl geschmiedet hatten. Von diesem kam er nicht los, weil es seine feste Überzeugung war, daß die Unterredung mit dem Freund, die er heraufbeschworen, diese hartnäckige Krankheit verursacht hatte.
Unermüdlich war er um die Kranke tätig, machte im Verein mit seinem Paukbruder Fels fast Unmögliches möglich. Wich nicht von Sölves Seite und zog sich erst zurück, als sie emporzublühen begann. Da erst war er restlos zufrieden aber das Schuldgefühl blieb. Er hatte nicht den Mut, der gesunden Sölve unter die Augen zu treten.
An einem Dezembertage, als die helle Wintersonne den Schnee überfunkelte und jedes Schneesternchen einzeln in glitzernde Diamanten zu verwandeln schien, saß Jörn von Jührich in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, wo er mit einer Reiseschilderung beschäftigt war.
Sein Diener trat ein, den er sich von der Reise mitgebracht hatte und der in ergebener Treue an ihm hing. Ein junger Deutschamerikaner, klug und taktvoll.
»Nun, Dick, was gibt’s?«
»Frau Baronin von Götterun möchte Herrn Doktor sprechen.«
Jührich blieb wie festgewurzelt stehen
»Dick, du täuschst dich auch nicht?«
»Wo wird er –«, meldete sich Sölve, die dem Diener gefolgt war. Augen lachten ihm entgegen, in denen sich des Himmels Bläue verfangen zu haben schien. Jührich stand mitten im Zimmer und rührte sich nicht.
»Frau Sölve, Sie kommen zu mir wirklich zu mir –?« rang er sich endlich von seinen Lippen.
»Natürlich –«, lachte sie fröhlich. »Wenn Sie es nicht tun, dann muß ich doch damit anfangen. Wollen Sie mir nicht die Hand geben?«
Jetzt bemerkte er erst die ausgestreckte Rechte, über die er sich nun voll Verehrung beugte. Er nahm ihr den eleganten Pelz ab, unter dem sie einen Pullover aus flauschiger Angorawolle trug und der so blau war wie ihre Augen. Sie zog das dazu passende Mützchen vom Kopf, auf dem sich ein Haar bauschte und wellte, hell und klar wie köstlicher Bernstein.
Der Mann schaute sie wie gebannt an. »Frau Sölve – Sie sind ja schön – wunderschön –«
»Ach, Sie meinen diesen Schopf hier?« schnitt sie eine Grimasse. »Der hat mir schon Kummer genug bereitet. Bernsteinhexe nannte man mich deshalb. Galantere sagten Möwe –«
Möwe, ja – das konnte stimmen. So köstlich rein und frisch wehte es von ihr aus, wie der Atem des Meeres.
Und Bernsteinhexe auch – weil ihre Augen so zauberschön waren und sie mit diesem sinnverwirrenden Lächeln die Menschen in ihren Bann zog.
»Nehmen Sie bitte, Platz, Frau Sölve«, raffte er sich endlich auf. »Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?«
»Natürlich! Kaffee mit allem Drum und Dran – und hinterher eine Zigarette.«
Sie ließ sich in einen Sessel am Kamin nieder, und stumm nahm er ihr gegenüber Platz. Wie ein Kätzchen schmiegte sie ihren gertenschlanken, geschmeidigen Körper in das Polster, die schönen Beine bequem übereinanderschlagend.
Da er selbstvergessen vor sich hinsah, konnte sie ihn in Muße betrachten. Auf dem hohen schlanken Körper, der nicht ein Lot zuviel hatte, saß ein rassiger Kopf mit einem klugen, vornehmen Gesicht. Die Augen waren blau
und ein wenig schwermütig und verträumt, das Haar strahlendblond. Und Hände hatte der Mann, wunderbare Hände.
Jetzt war sein Antlitz überschattet von Trauer.
»Warum sind Sie so traurig?« fragte sie leise.
Er fuhr zusammen und strich sich über Augen und Stirn.
»Das wissen Sie doch, Frau Sölve. Die eine unbedachte Stunde macht mir das Leben schwer.«
»Unsinn –«, winkte sie ab. »Damals hatte ich die Sensibilität einer Kranken heute gebe ich Ihnen recht. Hier haben Sie meine Hand, schlagen Sie ein, Freund Jörn. Ich weiß von keiner Schuld nur noch von Freundesrecht.«
Überwältigt ergriff er ihre Hand und drückte seine Lippen darauf.
»Was sind Sie doch für ein tapferes, warmherziges Menschenkind«, sagte er leise, und sie lachte hellauf.
»Haben Sie eine Ahnung!«
Dick trat ein und zauberte in seiner gewandten, geräuschlosen Art einen Kaffeetisch herbei und verließ dann ebenso geräuschlos das trauliche Gemach.
Sölve aß mit dem Appetit eines gesunden Menschen, und er konnte seinen Blick nicht von ihr wenden.
»Frau Sölve, ich kann Ihre wunderbare Veränderung kaum fassen.«
Sie griff nach einer Zigarette, er reichte ihr sein Feuerzeug herüber, und sie kuschelte sich wieder in ihren Sessel zurück.
»Verändert habe ich mich gar nicht«, entgegnete sie lebhaft. »Ich habe nur wieder zu mir zurückgefunden. Ich verdanke es allen, die mir dazu verholfen haben. Und das gibt mir Mut zu meiner Bitte. Sie wissen, daß ich Heike in Uhlen habe?«
»Ja. Und Ihre tapfere Entschiedenheit hat Bewunderung in mir erregt.«
»Keine Bewunderung