Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Nimm doch ein wenig Rücksicht auf die Kinder«, mahnte er, auf die kleine Schar deutend, die verschüchtert im Wohnzimmer saß. Und Elwira und Ricarda waren wieder dabei.
»Wer nimmt denn auf mich Rücksicht?« schrie sie unbeherrscht. »Wenn ich daran denke, daß diese hergelaufene Sölve – Ach, es ist zum Wahnsinnigwerden«, weinte sie nun laut und warf sich in den nächsten Sessel. Wie ein verwöhntes Kind, dem einmal nicht der Wille getan wurde, heulte sie.
Der Gatte ließ sie gewähren. Vielleicht überwand sie ihre Enttäuschung so schneller. Als sie jedoch Verwünschungen ausstieß, die Sölve, Heike – und vor allem das dem toten Jobst galten, da wurde es ihm zuviel.
»Nun hör endlich auf!« herrschte er sie an. »Was willst du eigentlich? Ich finde, daß Jobst großherzig genug gewesen ist. Fünfzigtausend Mark für Kalmucken, je zehntausend Mark als Aussteuer für die Mädchen – Frau, ist das noch nicht genug? Weißt du, was ersteres für uns bedeutet? Endlich ein sorgloses Wirtschaften nach der Mühsal vergangener Jahre. Nicht mehr fürchten zu müssen, nächstes Jahr zu Ende zu sein und von der Heimat vertrieben zu werden. Auch einmal eine Mark ausgeben dürfen, die nicht genau abgezählt ist. Den Mädchen kannst du eine Aussteuer mitgeben!«
»Mein armer, armer Roderich – mein armer betrogener Sohn!« heulte sie dazwischen, so daß ihm die Geduld vollends riß und er mit der Faust auf den Tisch schlug, daß Frau Fränze nun doch für ratsam hielt, sich endlich zu beherrschen.
»Hör mit dem fürchterlichen Geheule auf – oder, bei Gott, ich werfe dich zum Hause hinaus!« donnerte er. »Benimmst dich wie ein ungezogenes Gör, nicht wie eine Frau von fast fünfzig Jahren und Mutter von sieben Kindern. Ich finde, daß Roderich glänzend bedacht ist. Erziehungsgeld, freies Studium, später das schöne Gut –«
»Was ist das alles gegen Uhlen!« jammerte sie nun wieder. »Das besitzt nun diese Sölve und später der kleine Idiot, den der liebe Gott mir zum Possen bestimmt hat und leben läßt. Auch diese Sölve, die doch schon halbtot war – so was bleibt natürlich leben, während meine arme Gundel – Verrückt kann man werden, wenn man über alles nachdenkt! Wenn die beiden in Uhlen doch bald der –«
»Fränze!« schrie Herr von Ragnitz auf und umklammerte das Handgelenk seiner Frau, die sich unter diesem harten Griff wimmernd wand. Sein Antlitz war aschfahl.
»Weib, kennt deine Habgier denn keine Grenzen?« stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Zwei unschuldigen Menschen den Tod zu wünschen, damit du und dein Abgott eure
Herrschsucht in Uhlen befriedigen könnt. Und dabei ist einer davon das Kind deiner Schwester und das Kind des Mannes, der uns mit seinem Vermächtnis ein ruhiges, sorgenfreies Leben verschaffte. Ich habe dir schon einmal mit der Nemesis gedroht – und tue es heute wieder. Sieh in die entsetzten Augen deiner Kinder und schäme dich!« Die Tür knallte hinter ihm zu –
Und so endete der Tag, von dem Frau Fränze alle sieben Seligkeiten erwartet hatte.
*
Greif nicht nach den Ster nen,
das hat noch niemals Glück gebracht.
Such dein Glück im Erdenrund,
dann kommt es über Nacht.
Hatte das Testament Jobst von Götteruns in Kalmucken so höllischen Aufruhr entfacht, so brachte es nach Uhlen Frieden und Freude. Es war bis ins kleinste durchdacht und jede Möglichkeit in Erwägung gezogen worden.
Sölve und Heike waren zu gleichen Teilen die Haupterbinnen. Sollte sich jedoch Sölve wieder verheiraten, so wäre Heike die Alleinerbin Uhlens, und Sölve erhielt eine Abfindung von hunderttausend Mark und das größte der Nebengüter.
Sollte eine der Haupterbinnen bei der Testamentseröffnung jedoch nicht mehr am Leben sein, so falle das Erbe ungeteilt an den Überlebenden.
Falls jedoch beide Erbinnen tot sein sollten, dann erbe Roderich von Ragnitz die Herrschaft Uhlen, wenn er von der Kommission, bestehend aus Julius von Ragnitz, Jörn von Jührich, Franz Habermann oder deren von ihnen bestimmten Stellvertretern für würdig befunden sei. Sonst würde Uhlen Fideikommiß.
Frau Marga Fröse blieb bis zu ihrem Tode Schloßverwalterin, wozu das Zwischentestament sie bereits bestimmt hatte. Zu Lebzeiten der Erbinnen hätten diese sie als Mutter zu ehren und ihr den Platz einer solchen in Uhlen zu belassen. Ihr stehe ein Nadelgeld von jährlich sechstausend Mark zu.
Oberinspektor Franz Habermann bleibe der uneingeschränkte Verwalter Uhlens bis zu seinem Tode. Er hätte auch seinen Nachfolger zu bestimmen. Die Treue dieses aufrechten Mannes wäre immer wieder erprobt; es bestünde daher kein Zweifel, daß er eine gute Wahl treffen würde, die außerdem von schon genannter Kommission zu begutachten wäre. Das Gehalt des Herrn Habermann sei auf das Doppelte zu erhöhen.
Ferner sei er zum Vormund Roderich von Ragnitz bestimmt, falls ihm Uhlen zufallen sollte. Bestimmungsberechtigt sei er erst nach dem Tode des Verwalters.
Seinem Vetter Julius von Ragnitz fielen fünfzigtausend Mark zu, und seinen Töchtern je zehntausend Mark Aussteuergeld. Seinem Sohn Erziehungsgeld, freies Studium und bis zu seiner Volljährigkeit das kleinste Nebengut, das auch sein Eigentum bliebe, falls sich die andere Erbschaft zerschlagen sollte.
Dann folgten noch Legate für treue Gutsbeamte und Arbeiter, und damit war das Testament abgeschlossen.
Über das sprachen nun Sölve und Jörn von Jührich.
»Ich habe nicht gewußt, daß die Erbschaft so groß war, die Jobst gemacht hatten, sagte er traurig. »Armer, lieber Freund, daß du nichts mehr davon haben durftest. Ich kann seinen Tod einfach nicht überwinden.«
»Nein, das kann man nicht«, entgegnete Sölve mit einer Stimme, in der die Tränen saßen. »Darum sind Sie mir ja so lieb, Jörn, weil Sie auch Schmerz um Jobst tragen.«
»Nur deshalb, Frau Sölve?« fragte er mit so trauriger Stimme, daß ihr das Herz weh tat.
»Natürlich nicht nur deshalb allein, Jörn«, zwang sie sich zu einem harmlosen Ton. »Oder soll ich Ihnen all Ihre Vorzüge aufzählen?«
»Um Gottes willen – nicht«, wehrte er müde ab. »Wollen Sie mich denn gar nicht verstehen?«
»Nein«, erwiderte sie klar und fest. »Ich will nicht – und ich darf nicht. Jeder Mensch hat nur ein Herz, Freund Jörn und das meine nahm Jobst mit ins Grab. Und was der Mensch nicht mehr besitzt, das kann er nicht geben.«
»Frau Sölve, wissen Sie, daß Sie mir soeben jede Hoffnung genommen haben?« sagte er bitter, und sie gab sich Mühe, seinem schwermütigen Blick standzuhalten.
»Freund Jörn, lassen Sie uns einmal offen reden«, sagte sie weich. »Was würde es Ihnen nützen, wenn ich Ihren Hoffnungen Gehör schenkte? Ich sagte Ihnen doch eben, wer mein Herz besitzt. Wollen Sie sich mit Almosen zufriedengeben?«
»Nur das nicht!« stieß er hervor. »Wenn es so ist, dann lieber – verzichten.«
Er erhob sich so brüsk, daß Sölve erschrak. Mit einem Schmerzgefühl ohnegleichen sah sie ihm nach, wie er rasch das Zimmer verließ.
*
Frau