Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Ich war ganz sicher, daß wir in einer der Buchten eine Station finden würden, denn ich wußte, daß die Robbeninseln an der Beringsee in dieser Weise geschützt wurden, aber Maud stellte - ich glaube, um uns vor Enttäuschungen zu bewahren - die Theorie auf, daß wir eine ganz unbekannte Robbeninsel entdeckt hätten. Sie war jedoch gut gelaunt und wollte nichts davon hören, daß unsere Lage Anlaß zu ernsten Besorgnissen geben könnte.
„Wenn Sie recht haben", sagte ich, „dann müssen wir uns darauf vorbereiten, hier zu überwintern. Unsere Lebensmittel würden nicht reichen, aber wir hätten ja die Robben. Sie verschwinden im Herbst, und ich müßte bald beginnen, uns einen Vorrat an Fleisch anzulegen. Dann müßten wir Hütten bauen und Treibholz sammeln. Wir müßten auch Robbentran auslassen, um Leuchtmaterial zu haben. Überhaupt hätten wir alle Hände voll zu tun, wenn wir wirklich die Insel unbewohnt fänden. Aber das werden wir nicht, denke ich."
Doch sie hatte recht. Wir segelten am Winde die Küste entlang, suchten sie mit unseren Gläsern ab und landeten hier und dort, ohne eine Spur menschlichen Lebens zu finden. Wir erfuhren jedoch, daß wir nicht die ersten auf der Insel waren. Hoch auf dem Strande der zweiten Bucht, von der unseren gerechnet, entdeckten wir das zersplitterte Wrack eines Bootes - eines Robbenfängerbootes, denn die Dollen waren mit geflochtenem Stroh umwunden, an Steuerbord vorn befand sich ein Gewehrgestell, und mit weißen Buchstaben stand da - kaum noch leserlich - Gazelle No. 2. Das Boot mußte lange hier gelegen haben, denn es war halb mit Sand gefüllt, und das zersplitterte Holz war so verwittert, wie es nur wird, wenn es lange Wind und Wetter ausgesetzt ist. Am Achtersitz fand ich eine glatte Schrotflinte und ein abgebrochenes Taschenmesser, das so verrostet war, daß man kaum noch erkennen konnte, aus welchem Material es bestand.
„Die sind jedenfalls von hier weggekommen!" sagte ich fröhlich, aber ich spürte, wie mir das Herz sank, und ich hatte das unangenehme Gefühl, daß irgendwo auf diesem Strande gebleichte Knochen liegen mußten. Ich wollte nicht, daß Mauds Stimmung durch einen solchen Fund bedrückt würde, und so wandte ich unser Boot wieder seewärts und lief um die Nordspitze der Insel. Die Südküste wies keinen Strand auf, und früh am Nachmittag umsegelten wir das schwarze Vorgebirge und beendeten damit die Umsegelung der Insel. Ich schätzte ihren Umfang auf vierzig Kilometer, ihre Breite mochte zwischen drei und sieben Kilometer schwanken, während ich die Zahl der Robben an ihrer Küste bei vorsichtiger Schätzung auf zweihunderttausend veranschlagte.
Im Südwesten war die Insel am höchsten, die Vorgebirge und das Innere fielen allmählich nach Nordosten ab, wo sie sich nur wenige Fuß über den Meeresspiegel erhob. Mit Ausnahme unserer kleinen Bucht stieg die Küste von den Schären sanft an und bildete eine Felsenwiese, wie ich es nennen möchte, die stellenweise mit Moos und Tundragras bewachsen war. Hier tummelten sich die Robben, die alten Bullen mit ihren Harems, während die jungen Bullen unter sich blieben.
Mehr als diese kurze Beschreibung verdient Endeavor Island nicht. Wo es keine Felsen gab, war sie feucht und sumpfig. Stürme und Meer peitschten sie, und die Luft erdröhnte unaufhörlich von dem Brüllen der zweihunderttausend Seetiere. Es war ein trauriger, elender Aufenthalt. Maud, die mich auf die Enttäuschung vorbereitet hatte und den ganzen Tag lebhaft und munter gewesen war, war am Ende ihrer Selbstbeherrschung, als wir wieder in unserer kleinen Bucht landeten. Sie bemühte sich tapfer, es mir zu verbergen, als ich aber ein neues Feuer anzündete, wußte ich, daß sie ihr Schluchzen unter den Decken in ihrem Zelt zu ersticken suchte.
Jetzt war die Reihe, den Kopf hochzuhalten, an mir.
Ich schlief immer noch im Boot, und ich lag diese Nacht lange wach, starrte zu den ersten Sternen empor, die ich seit vielen Nächten sah, und überdachte unsere Lage. Ein Verantwortungsgefühl dieser Art war mir etwas ganz Neues. Wolf Larsen hatte recht gehabt. Ich hatte auf den Füßen meines Vaters gestanden. Meine Rechtsbeistände und geschäftlichen Berater hatten meine Interessen wahrgenommen. Ich selbst hatte keinerlei Verantwortung gekannt. Erst auf der Ghost hatte ich gelernt, die Verantwortung für mich selbst zu tragen.
Und jetzt befand ich mich zum erstenmal in meinem Leben in der Lage, für einen anderen Menschen verantwortlich sein zu müssen. Und es sollte die schwerste Verantwortung sein, die es für einen Menschen überhaupt gibt, denn sie war für mich die einzige Frau auf der Welt - die einzige kleine Frau, wie ich sie in Gedanken zu nennen pflegte.
Kein Wunder, daß wir der Insel den Namen Endeavor Island, Insel der Mühsal, gaben. Zwei Wochen mühten wir uns ab, um eine Hütte zu bauen. Maud sammelte viele der Steine, die ich zum Bau der Mauer gebrauchte, und wollte nicht hören, wenn ich sie beschwor, sich auszuruhen. Schließlich ging sie jedoch einen Vergleich mit mir ein und übernahm die leichten Arbeiten: das Kochen und das Sammeln von Treibholz und Moos für unseren Winterbedarf.
Die Wände der Hütte ließen sich ohne Schwierigkeiten errichten, und alles ging leicht von der Hand, bis ich vor der Frage stand, wie ich das Dach verfertigen sollte. Welchen Zweck hatten die vier Wände ohne Dach? Und woraus sollten wir das Dach machen? Wir hatten allerdings die überzähligen Riemen. Sie konnten als Sparren dienen. Aber womit sollte ich sie decken? Moos hatte keinen Zweck. Tundragras war nicht zu gebrauchen. Das Segel brauchten wir für das Boot, und die Persenning ließ schon Wasser durch.
„Winters hat Walroßhäute für seine Hütte benutzt", sagte ich.
„Wir haben ja Robben!" rief sie.
So begann am nächsten Tag die Jagd.
Ich konnte nicht schießen und machte mich daran, es zu lernen. Als ich aber einige dreißig Patronen auf drei Robben verschwendet hatte, sah ich ein, daß unsere Munition erschöpft sein mußte, ehe ich genügende Übung im Schießen erlangt hatte. Ich hatte acht Patronen zum Feueranmachengebraucht, bis ich auf den Einfall kam, die glimmende Asche mit feuchtem Moos zu bedecken, denn wir hatten kaum noch hundert Patronen.
„Wir müssen die Robben mit Knüppeln erschlagen", verkündete ich Maud, als ich mich von meiner Unmöglichkeit als Schütze überzeugt hatte. „Ich habe die Robbenjäger von dieser Art, die Tiere zu töten, reden hören."
„Die Tiere sind so hübsch", hielt sie mir entgegen. „Das ist nicht auszudenken. Es ist so furchtbar brutal, so ganz anders als Schießen."
„Das Dach muß gemacht werden", sagte ich grimmig. „Der Winter steht vor der Tür. Es handelt sich einfach darum: Wir oder sie. Es ist ein Unglück, daß wir nicht mehr Munition haben, aber ich glaube übrigens, daß sie weniger leiden, wenn sie mit dem Knüppel niedergeschlagen, als wenn sie zusammengeschossen werden."
Ich ruderte an die anstoßende Bucht, ganz an das Ufer, wo die brüllenden Robben zu Tausenden lagen - wir mußten förmlich schreien, um uns einander verständlich zu machen. „Ich weiß, daß man sie mit Knüppeln erschlägt", sagte ich mit einem Versuch, mich anzufeuern, indem ich zweifelnd auf einen großen Bullen blickte, der, keine zehn Meter entfernt, sich auf die Vorderflossen erhob und mich aufmerksam betrachtete. „Aber die Frage