Gesammelte Werke. Джек Лондон
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„Kann ich etwas für Sie tun?" fragte ich.
Er gab zuerst keine Antwort, als ich aber meine Frage wiederholte, sagte er: „Nein, nein, es ist gut. Lassen Sie mich allein bis morgen früh."
Als ich mich aber zum Gehen wandte, bemerkte ich, daß sein Kopf die schaukelnde Bewegung wiederaufgenommen hatte. Maud wartete geduldig auf mich, und mit einem freudigen Gefühl bemerkte ich die königliche Haltung ihres frei erhobenen Kopfes und ihre schönen ruhigen Augen. Ruhig und zuversichtlich waren sie wie ihr Gemüt.
„Wollen Sie sich mir für eine Seereise von etwa sechshundert Meilen anvertrauen?" fragte ich.
„Sie wollen -?" sagte sie, und ich wußte, daß sie meine Absicht erraten hatte.
„Ja, eben das", antwortete ich. „Uns bleibt keine Wahl als das offene Boot."
„Um meinetwillen, meinen Sie?" sagte sie. „Sie selbst sind doch gewiß hier ebenso sicher wie bisher."
„Nein, wir haben beide keine andere Möglichkeit als das offene Boot", wiederholte ich tapfer. „Wollen Sie sich bitte so warm wie möglich ankleiden und alles, was Sie mitnehmen wollen, zusammenpacken. Und machen Sie so schnell wie möglich", fügte ich hinzu, als sie sich umwandte, um ihre Kajüte aufzusuchen. Die Vorratskammer befand sich gerade unter der Kajüte, ich öffnete die Falltür, nahm ein Licht und stieg hinunter, um mich mit Proviant zu versorgen. Ich wählte hauptsächlich Konserven, und als ich fertig war, streckten sich mir ein Paar Hände willig entgegen, um in Empfang zu nehmen, was ich ihnen zureichte.Wir arbeiteten schweigend. Ich verschaffte mir auch Decken, Fausthandschuhe, Ölzeug, Mützen und ähnliches aus der Vorratskiste. Es war keine Kleinigkeit, sich in einem kleinen Boot der rauhen, stürmischen See anzuvertrauen, und es war durchaus notwendig, sich gegen Kälte und Nässe zu schützen.
Wir schafften fieberhaft, um unsern Raub an Deck zu bringen und mittschiffs zu schleppen, ja wir strengten uns so an, daß Maud, die nicht über große Körperkräfte verfügte, erschöpft aufgab. Ich war mir auch bewußt, daß es nicht unwichtig für uns war, Waffen zu besitzen, und so ging ich in Wolf Larsens Kabine, um sein Gewehr und seine Büchse zu holen. Ich sprach ihn an, aber er gab keine Antwort, obgleich sein Kopf hin und her schwankte und er nicht schlief. „Leb wohl, Luzifer!" flüsterte ich, während ich leise die Tür schloß.
Das nächste, was ich mir verschaffen mußte, war Munition - ein leichtes Unterfangen, obwohl ich dazu auf die Laufbrücke mußte. Hier bewahrten die Jäger die Munitionsvorräte auf, die sie mit in die Boote nahmen, und hier, nur wenige Schritte von ihrem wüsten Gelage, nahm ich zwei Kisten.
Dann mußte ein Boot hinabgelassen werden. Dies war keine Kleinigkeit für einen einzelnen Mann. Als ich die Zurringe entfernt hatte, heißte ich es zuerst am Vordertakel und dann achtern, bis es klar von der Reling kam. Dann ließ ich es immer abwechselnd an den beiden Takeln hinunter, bis es an der Schiffsseite dicht über dem Wasser hing. Ich vergewisserte mich, daß es richtig mit Riemen, Klampen und Segel versehen war. Das Wichtigste war Trinkwasser, und ich nahm daher sämtliche Fässer aus den andern Booten. Da es alles in allem neun Boote waren, hatten wir nun Wasser in Hülle und Fülle und zugleich Ballast, obwohl wir jetzt Gefahr liefen, das Boot zu überlasten, wenn wir den ganzen Proviant übernahmen.
Während Maud ihn mir reichte und ich ihn im Boot verstaute, kam ein Matrose aus der Back an Deck. Er blieb eine Weile an der Luvreling stehen (wir waren an der Leereling beschäftigt) und schlenderte dann langsam mittschiffs, wo er wieder haltmachte und, mit dem Rücken gegen uns, in die Windrichtung blickte. Ich konnte mein Herz schlagen hören, während ich mich im Boot verkroch. Maud hatte sich aufs Deck gleiten lassen und lag, wie ich wußte, regungslos im Schatten der Reling. Aber der Mann wandte sich nicht ein einziges Mal um, er reckte die Arme, gähnte, schritt wieder zur Back und verschwand.
Nach einigen Minuten waren wir mit dem Verladen fertig, und ich ließ das Boot zu Wasser. Als ich Maud über die Reling half und ihren Körper dicht an meinem fühlte, konnte ich nur mit Mühe den Ruf „Ich liebe Sie! Ich liebe Sie!" unterdrücken.
Ich hielt mich mit der einen Hand an der Reling fest und stützte sie mit der andern, und mich durchzuckte einen Augenblick ein Gefühl von Stolz. Ich besaß Kräfte, wie ich sie noch vor wenigen Monaten nicht gehabt - an dem Tage, als ich mich von Charley Furaseth verabschiedet hatte, um mit der unglückseligen Martinez nach San Franzisko zu fahren.
Das Boot hob sich auf einer Woge, Mauds Füße berührten den Boden, und ich ließ ihre Hände los. Dann warf ich die Takel los und sprang ihr nach. Ich hatte noch nie im Leben gerudert, aber ich legte die Riemen aus und bekam mit großer Anstrengung das Boot klar von der Ghost. Dann versuchte ich, das Segel zu setzen. Ich hatte beobachtet, wie die Bootssteurer und Jäger ihre Sprietsegel setzten, aber es war doch mein erster Versuch. Ich brauchte zwanzig Minuten, um zu machen, was sie in vielleicht zweien schafften, aber schließlich war es getan, und, die Ruderpinne in der Hand, ging ich in den Wind.
„Dort liegt Japan", bemerkte ich, „gerade vor uns."
„Humphrey van Weyden, Sie sind ein mutiger Mann!" sagte sie.
„Nein", antwortete ich, „aber Sie sind eine mutige Frau."
Wie auf eine gemeinsame Eingebung wandten wir den Kopf,um noch einen letzten Blick auf die Ghost zu werfen. Ihr niedriger Rumpf hob sich und rollte auf der Woge, ihre Segel schimmerten undeutlich in der Nacht, das festgemachte Rad kreischte, dann entschwand sie unsern Blicken, und wir waren allein auf dem dunklen Meer.
Neuntes Kapitel
Grau und frostig brach der Tag an. Das Boot lag scharf an dem frischen Winde, und der Kompaß zeigte, daß wir genau den Kurs nahmen, der uns nach Japan führte. Trotz der Fausthandschuhe waren meine Finger kalt und klamm vom Halten des Steuerruders. Meine Füße brannten vor Frost, und ich hoffte nur, daß die Sonne scheinen würde.
Vor mir, auf dem Boden des Bootes, lag Maud. Sie wenigstens hatte es warm, denn sie war in Decken eingehüllt.
Lange blickte ich auf sie, ließ meine Augen auf dem wenigen ruhen, das von ihr sichtbar war, wie ein Mann das betrachtet, was ihm das Teuerste auf der Welt ist. So hartnäckig war mein Blick, daß sie sich schließlich unter den Decken regte. Der oberste Zipfel wurde weit zurückgeschlagen, und sie lächelte mich mit Augen an, die noch schwer vom Schlaf waren. „Guten Morgen, Herr van Weyden", sagte sie, „haben Sie schon Land gesichtet?"
„Nein", antwortete ich, „aber wir nähern uns ihm mit einer Geschwindigkeit von sechs Meilen in der Stunde."
Sie blickte mich erschrocken an.
„Aber das sind ja hundertvierundvierzig Meilen in vierundzwanzig Stunden", fügte ich beruhigend hinzu.
Ihre Züge erhellten sich. „Und wie weit ist es?"
„In dieser Richtung liegt Sibirien", sagte ich und wies nach Westen. „Aber etwa sechshundert Meilen westwärts liegt Japan. Wenn der Wind anhält, werden wir es in fünf Tagen schaffen."„Und wenn Sturm kommt? Dann kann sich das Boot wohl nicht halten?" Sie hatte eine eigene Art, einem in die Augen zu blicken und die Wahrheit zu fordern, und so blickte sie mich auch jetzt an, als sie die Frage stellte.
„Dann müßte es schon sehr