Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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begann mich zu fürchten. Er mußte auf seinem Wege auf die offene Falltür stoßen, und das hieß, daß er mich entdeckte. Ich war wütend auf mich selbst bei dem Gedanken, in dieser feigen Stellung, auf dem Boden kriechend, gefaßt zu werden. Noch war es Zeit. Ich sprang auf und nahm ganz unbewußt eine trotzige Haltung ein. Aber er beachtete mich gar nicht. Auch die offene Falltür schien er nicht zu beachten. Ehe ich noch die Situation richtig verstanden hatte, war er in die Öffnung getreten. Der eine Fuß glitt hinein, während der andere gerade im Begriff war, sich zu heben. Als er aber den festen Boden unter sich vermißte und die Leere spürte, war er im selben Augenblick wieder der alte Wolf Larsen mit seinen Tigermuskeln. Im Fallen schleuderte er seinen Oberkörper hinüber, so daß er mit ausgestreckten Armen auf Brust und Bauch drüben landete. Im nächsten Augenblick hatte er die Beine hochgezogen und war aus dem Loch heraus. Aber er rollte in meine Marmelade und mein Unterzeug. Sein Gesichtsausdruck zeigte, daß er wußte, was hier vorging.

      Bevor ich jedoch seine Gedanken erraten konnte, hatte er schon die Falltür über der Apotheke geschlossen. Da verstand ich. Er dachte, er hätte mich gefangen. Er war blind, stockblind. Mit zurückgehaltenem Atem, um mich nicht zu verraten, beobachtete ich ihn. Er trat schnell in seine Kabine. Ich sah, wie seine Hand den Türgriff verfehlte, tastete, ihn aber nicht fand. Das war eine günstige Gelegenheit. Ich lief auf Zehenspitzen durch die Kajüte und die Treppe hinauf. Er kam zurück und schleppte eine schwere Seekiste hinter sich her, die er auf die Falltür stellte. Dann nahm er die Marmelade und das Unterzeug und legte alles auf den Tisch. Als er dann nach oben ging, zog ich mich schnell zurück und kletterte geräuschlos auf die Hütte.

      Er schob die Schiebetür ein wenig beiseite und stützte die Arme darauf, blieb aber auf der Laufbrücke stehen. Es hatte den Anschein, als blicke oder starre er vielmehr das Deck des Schoners entlang, denn seine Augen waren ganz still und blinzelten nicht. Ich stand nur eineinhalb Meter von ihm entfernt - gerade vor seinen Augen. Es war unheimlich. Ich kam mir wie ein unsichtbarer Geist vor. Ich winkte mit der Hand, natürlich ohne jede Wirkung. Als aber der flackernde Schatten einmal sein Gesicht traf, sah ich sofort, daß er etwas gemerkt hatte. Sein Gesicht drückte höchste Erwartung und Spannung aus, als versuche er, sich über den erhaltenen Eindruck klarzuwerden. Er wußte, daß er auf irgend etwas, das draußen geschah, reagierte, daß irgend etwas in seiner Umgebung vorging, aber was es war, darüber konnte er sich nicht klarwerden. Ich hörte auf, die Hand zu schwenken, so daß auch der Schatten sich nicht mehr bewegte. Er wandte langsam den Kopf von einer Seite zur andern, hin und zurück, jetzt in die Sonne, dann wieder in den Schatten, indem er sich durch das Gefühl zu orientieren versuchte. Ich bemühte mich ebenso eifrig wie er, die Ursache zu entdecken, daß man etwas so Unfühlbares wie einen Schatten fühlen konnte. Wenn nur die Augäpfel beschädigt und die Sehnerven nicht ganz zerstört waren, war die Erklärung einfach. Sonst konnte ich mir nur denken, daß die empfindliche Haut den Temperaturunterschied zwischen Schatten und Sonnenschein spürte. Oder vielleicht - wer könnte es sagen? - war es der so umstrittene sechste Sinn, der ihm ein Gefühl des Wechsels von Licht und Schatten übermittelte.

      Er gab jedoch bald den Versuch auf, sich über dieses Phänomen klarzuwerden, und schritt mit einer Schnelligkeit und Sicherheit, die mich überraschten, über das Deck. Und doch lag in seinem Gang diese Andeutung von Schwäche, wie sie Blinden eigen ist. Jetzt kannte ich ihre Ursache. Zu meinem Ärger - aber ich mußte doch darüber lachen - entdeckte er meine Schuhe auf der Back und nahm sie mit in die Kombüse. Ich beobachtete ihn, wie er Feuer machte und daranging, sich sein Essen zu kochen. Dann stahl ich mich in die Kajüte, um Marmelade und Unterzeug zu holen, schlüpfte an der Kombüse vorbei und kletterte auf den Strand, um barfuß Bericht zu erstatten.

       Zwölftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      „Schade, daß die Ghost ihre Masten verloren hat, sonst könnten wir jetzt so schön auf ihr fortsegeln. Meinen Sie nicht auch, Humphrey?" Ich sprang erregt auf. „Ja, wirklich, wirklich!" rief ich und schritt auf und ab.

      Mauds Augen, die mir folgten, leuchteten hoffnungsfroh. Sie glaubte so fest an mich! Und dieses Bewußtsein verdoppelte meine Kraft. Mir fiel ein, was Michelet sagt: „Die Frau ist dem Manne, was die Erde ihrem sagenhaften Sohne ist; er braucht nur niederzufallen und ihre Brust zu küssen, um wieder stark zu sein." Zum ersten Male erkannte ich die wunderbare Wahrheit dieser Worte: erlebte ich sie doch an mir selbst! Das war Maud für mich: eine unversiegbare Quelle der Kraft und des Mutes. Ich brauchte sie nur anzusehen, nur an sie zu denken, und ich fühlte mich wieder stark.

      Es ist möglich, es ist möglich, dachte ich und wiederholte es laut. „Was andere Männer vollbracht haben, kann ich auch vollbringen, und wenn niemand es je getan hat, so werde ich es tun."

      „Was, um Gottes willen?" fragte Maud. „Seien Sie barmherzig. Was werden Sie tun?"

      „Wir werden es tun", verbesserte ich mich. „Nun, nichts anderes als die Masten der Ghost wieder einsetzen und fortsegeln."

      „Humphrey!" rief sie.

      Und ich fühlte mich so stolz über meine Absicht, als wäre sie schon ausgeführt gewesen. „Aber wie sollten wir das machen?" fragte sie.

      „Das weiß ich nicht", lautete meine Antwort. „Das einzige, was ich weiß, ist, daß ich in diesen Tagen imstande bin zu tun, was es auch sei."

      Stolz lächelte ich ihr zu - zu stolz, denn sie senkte die Augen und schwieg einen Augenblick.

      „Aber Kapitän Larsen", wandte sie ein.

      Wir lachten beide. Dann gingen wir ernstlich daran, einen Plan zu entwerfen, wie wir die Masten wieder in die Ghost einsetzen und in die Welt zurückkehren sollten. Ich erinnerte mich dunkel des Physikunterrichts in meiner Schulzeit; dazu hatten mir die letzten Monate praktische Unterweisung in mancherlei technischen Handgriffen erteilt. Ich muß jedoch gestehen, daß ich, als wir zur Ghost hinuntergingen, um eine Besichtigung vorzunehmen, beim Anblick der großen, im Wasser liegenden Masten fast den Mut verlor. Wo sollten wir beginnen?

      Hätte nur ein Mast gestanden, daß wir Blöcke und Taue hätten befestigen können, um ihn als Kran zu benutzen! Aber es gab nichts. Ich mußte an das Problem denken, sich selbst an den Haaren hochzuziehen. Ich verstand genügend von der Mechanik des Hebels; wo aber sollte ich einen Stützpunkt finden?

      Da war der Großmast, der an seinem jetzigen Ende einen Durchmesser von vierzig Zentimeter hatte, noch achtzehn Meter lang war und, wie ich schätzte, wenigstens dreitausend Pfund wog. Dann der Fockmast, dessen Durchmesser noch größer und sicherlich dreieinhalbtausend Pfund schwer. Wo beginnen? Maud stand schweigend neben mir, während ich überlegte, wie ich den sogenannten „Scherenkran" der Seeleute herstellen sollte. Was jedem Matrosen bekannt war, mußte ich auf der Mühsalinsel erst erfinden. Ich mußte die Enden zweier Spieren kreuzweise zusammenbinden und sie wie ein umgekehrtes V an Deck aufstellen. Hieran konnte ich dann eine Talje und, wenn nötig, noch eine zweite befestigen. Und außerdem hatte ich ja das Ankerspill. Maud sah, daß ich zu einem Ergebnis gekommen war, und ihre Augen leuchteten verständnisvoll.

      „Was haben Sie vor?" fragte sie.

      „Das Gerümpel klarzubringen!" antwortete ich und wies auf das wirr durcheinanderliegende Wrackgut im Wasser. Ach, welch eine Entschlossenheit lag allein in diesen Worten. „Das Gerümpel klarzubringen!" Ein so echter seemännischer Ausdruck von den Lippen Humphrey van Weydens - wer hätte das vor wenigen Monaten für möglich gehalten!

      Und wir machten uns an die Arbeit.

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