Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Bewußtsein seines Verlustes. Nicht wahr? Nun, was sagen Sie dazu?"
„Daß Sie jedenfalls folgerichtig handeln" war alles, was ich sagen konnte, und dann machte ich mich wieder ans Abwaschen.
Viertes Kapitel
Nach drei Tagen wechselnden Windes waren wir endlich in den Nordostpassat gekommen. Trotz meines lädierten Knies hatte ich gut geschlafen, und als ich jetzt das Deck betrat, fand ich die Ghost mit vollen Segeln vor einem frischen Winde vorwärts jagend. O dieser wunderbare, mächtige Passat! Den ganzen Tag segelten wir, die ganze Nacht, den nächsten Tag und die nächste Nacht und wieder Tag um Tag, immer vor demselben stetigen, starken Wind. Der Schoner segelte ganz von selbst. Es gab kein Heißen und Holen von Leinen und Schoten, kein Umlegen der Toppsegel, keine andere Arbeit für die Matrosen, als zu steuern. Nachts, wenn die Sonne untergegangen war, wurden die Segel gelockert, wenn morgens dann der Tau verdampfte, wurden sie wieder angezogen - das war alles.
Abwechselnd zehn, zwölf, elf Knoten ist die Geschwindigkeit, mit der wir fahren. Und immer aus Nordost bläst der brave Wind, der uns von Morgengrauen bis Morgengrauen zweihundertundfünfzig Meilen weit auf unserm Kurs treibt. Sie stimmt mich trübe und wieder froh, diese Eile, mit der wir San Franzisko hinter uns lassen und hinab in die Tropen schäumen. Mit jedem Tag wird es fühlbar wärmer. In der zweiten Hundewache kommen die Matrosen nackt an Deck und begießen sich eimerweise mit Wasser. Fliegende Fische zeigen sich schon, und nachts versucht die Wache, die auf Deck gefallenen zu fangen. Thomas Mugridge hat seine obligate Bestechung bekommen. So steigt aus der Kombüse der herrliche Duft von gebratenen fliegenden Fischen, während vorn und achtern Delphinfleisch aufgetischt wird. Johnson hat die schimmernden schönen Tiere von der Spitze des Bugspriets aus gespeert. Johnson verbringt fast die ganze Zeit dort oder hoch oben in der Saling und beobachtet die Ghost, wie sie das Wasser unter dem Druck ihrer Segel durchschneidet. Leidenschaft und Bewunderung leuchten aus seinen Augen, und in einer Art Verzückung starrt er auf die schwellenden Segel, das schäumende Kielwasser und das Heben und Senken über die nassen Berge, die majestätisch unserer Bahn folgen.
Tage und Nächte sind ein Wunder und wildes Entzücken, und obgleich meine traurige Arbeit mir nur wenig Zeit läßt, stehle ich mir doch hier und da einen Augenblick, um immer wieder auf die unendliche Pracht zu schauen, die in der Welt zu finden ich mir nicht hätte träumen lassen. Der Himmel droben ist fleckenlos blau - blau wie das Meer selbst, das unter dem Bug wie azurfarbener Atlas schimmert. Auf allen Seiten stehen am Horizont blasse Wolkenlämmer, unbeweglich, unveränderlich, wie eine Silberfassung um den makellosen Himmelstürkis.
Eine Nacht werde ich nie vergessen. Ich hätte schlafen sollen, lag jedoch auf der Back und blickte hinab auf das geisterhafte Schaumgekräusel, das der Bug der Ghost beiseite schob. Es klang wie das Rieseln eines Bächleins über bemooste Steine in einem stillen Tal, und das leise Murmeln verzauberte mich und ließ mich vergessen, daß ich Hump, der Kajütsjunge, daß ich van Weyden war, der Mann, der fünfunddreißig Jahre zwischen Büchern verträumt hatte. Aber eine Stimme hinter mir rief mich in die Wirklichkeit zurück. Es war die wohlbekannte Stimme Wolf Larsens, stark wie die unüberwindliche Sicherheit des Mannes und doch weich wie die Worte, die er sprach:
„Oh, die Tropennacht! Sie glüht,
Und das Meer von Funken sprüht
Und den Himmel kühlt.
Stetig zieht der Bug voran seine sternbesäte Bahn,
Wo der Wal, der wilde, spielt.
Zernarbt von der Sonne dein Rumpf ist, mein Schiff,
Deine Falle sind straff vor Tau.
Denn wir fahren unseren alten Kurs, unseren eigenen Kurs,
Fern von den andern.
Denn wir fahren, denn wir wandern, unsern großen Kurs,
Den südlichen Kurs in das ewige Blau."
„Na, Hump? Wie gefällt Ihnen das?" fragte er nach einer angemessenen, durch Worte und Situation bedingten Pause.
Ich sah ihm ins Gesicht. Es glühte von Licht wie das Meer selbst, und seine Augen schimmerten im Sternenschein.
„Ich bin, offen gestanden, ganz erstaunt über Ihre Begeisterung", erwiderte ich kalt.
„Ja, Mann, das ist das Leben! Das Leben selbst!" rief er.
„Das eine billige Ware ohne Wert ist", gab ich ihm mit seinen eigenen Worten zurück.
Er lachte, und es war das erstemal, daß ich eine ehrliche Lustigkeit in seiner Stimme hörte.
„Sie wollen also nicht verstehen, was Leben heißt; ich kann es Ihnen nicht in den Schädel hämmern! Natürlich ist das Leben wertlos, nur nicht für einen selber. Und ich kann Ihnen sagen, daß mein Leben jetzt gerade recht wertvoll ist - für mich. Es ist um keinen Preis zu kaufen, was Sie sicher für maßlose Überschätzung halten werden. Aber ich kann nichts dafür, denn es ist eben das Leben in mir, das den Wert bestimmt." Er schien nach Worten zu suchen, um seine Gedanken auszudrücken, und fuhr dann fort: „Wissen Sie, ich bin seltsam gehoben. Die ganze Zeit fühle ich einen Widerhall in mir, als wäre alle Macht der Welt mein. Ich erkenne die Wahrheit, ich kann göttlich Gutes von Bösem, Recht von Unrecht unterscheiden. Ich sehe weit und klar. Fast könnte ich an Gott glauben. Aber", seine Stimme veränderte sich, und das Licht erlosch auf seinem Antlitz, „was ist das für ein Zustand, in dem ich mich befinde? Diese Lebensfreude? Dieser Triumph des Lebens? Diese Inspiration, wie ich es wohl nennen darf? Das ist etwas, das kommt, wenn die Verdauung nicht gestört, wenn der Magen in Ordnung, der Appetit gut ist und der ganze Organismus richtig funktioniert. Es ist eine Bestechung des Lebens, Champagner des Blutes, das Aufwallen des Ferments - manchen gibt es heilige Gedanken ein, andere läßt es Gott sehen oder, wenn sie ihn nicht sehen, erschaffen. Das ist alles - der Rausch des Lebens, das Aufbrausen des Gärstoffes, das Murmeln des Lebens, das trunken ist von dem Bewußtsein zu leben. Und - pah! Morgen muß ich dafür zahlen, wie der Säufer zahlen muß. Morgen weiß ich, daß ich sterben muß, höchstwahrscheinlich auf dem Meere, daß ich nicht mehr selbsttätig kriechen, daß ich mich nur noch in Fäulnis bewegen werde mit den Bewegungen der See, daß ich gefressen werde, um alle Kraft und Beweglichkeit meiner Muskeln zu verwandeln in die Kraft und Beweglichkeit von Flossen, Schuppen und Eingeweiden der Fische. Pah! Schon ist der Champagner schal geworden. Das Funkeln und Prickeln ist vorbei, und es ist ein fades Gesöff."
Er verließ mich ebenso plötzlich, wie er gekommen, lautlos mit der Leichtigkeit eines Tigers. Die Ghost pflügte sich ihren Weg. Das Gurgeln am Bug tönte wie Schnarchen, und als ich darauf lauschte, da verließ mich allmählich der Eindruck, den Wolf Larsens rascher Wechsel von hoher Begeisterung zu tiefer Verzweiflung auf mich gemacht hatte. Dann erklang mittschiffs der kräftige Tenor eines Matrosen, der das „Lied des Passats" sang:
Ich bin der Wind, den der Seemann liebt -