Gesammelte Werke. Джек Лондон
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So feige ich auch sein mochte, war ich es doch weniger als er. Es war ein unbedingter Sieg, den ich errungen hatte, und ich wollte nichts davon verscherzen, indem ich die verhaßte Hand schüttelte.
„Schön", sagte er, „nimm sie oder laß es bleiben, deshalb gefällst du mir nicht weniger." Und hierauf wandte er sich heftig gegen die Zuschauer: „Macht, daß ihr von der Kombüsentür wegkommt, ihr elenden Lümmel!"
Diesem Befehl verlieh er Nachdruck durch einen Kessel kochenden Wassers, bei dessen Anblick die Matrosen Hals über Kopf fortstürzten. Das war eine Art Sieg für Thomas Mugridge, der ihn die Niederlage, die ich ihm zugefügt hatte, mit mehr Anstand tragen ließ. Die Jäger versuchte er allerdings nicht zu vertreiben.
„Köchlein ist fertig", hörte ich Smoke zu Horner sagen.
„Ja, darauf kannst du wetten", sagte Horner. „Jetzt ist Hump Herr in der Kombüse, und Tommy muß die Hörner einziehen."
Mugridge hörte es und warf mir einen schnellen Blick zu, aber ich tat, als hätte ich nichts gemerkt. Ich hätte nicht geglaubt, daß mein Sieg so vollständig und weittragend sei, war aber entschlossen, nicht ein Tüpfelchen davon preiszugeben. Die Tage vergingen, und die Prophezeiung Smokes bewahrheitete sich. Der Cockney wurde demütiger und sklavischer vor mir als selbst vor Wolf Larsen. Ich redete ihn nicht mehr „Herr Mugridge" an, wusch nicht mehr die fettigen Töpfe aus und schälte nicht mehr Kartoffeln. Ich verrichtete meine Arbeit, aber nur meine eigene, wann und wie ich es für richtig hielt. Ich trug auch nach Matrosenart meinen Dolch in einer Scheide an der Hüfte und nahm von jetzt an Thomas Mugridge gegenüber eine Haltung ein, die aus Herrentum, Hohn und Verachtung gemischt war.
Die Vertraulichkeit zwischen Wolf Larsen und mir nimmt zu - wenn man mit Vertraulichkeit Beziehungen zwischen Herr und Diener oder besser noch zwischen König und Hofnarr bezeichnen kann. Ich bin ihm nichts als ein Spielzeug, und er schätzt mich nicht mehr als ein Kind das seine. Meine Aufgabe ist, ihn zu unterhalten, und solange ich das tue, ist alles gut; langweile ich ihn aber oder überkommt ihn eine seiner düsteren Launen, so werde ich sofort wieder vom Kajütentisch in die Kombüse gejagt und muß mich noch glücklich preisen, wenn ich mit dem Leben und mit heilen Gliedern davonkomme.
Allmählich erkenne ich immer mehr die Einsamkeit des Mannes. Nicht einer an Bord, der ihn nicht haßt und fürchtet, nicht einer, den er nicht verachtet. Die ungeheure Kraft, die in ihm ruht und nie eine würdige Verwendung gefunden hat, scheint ihn zu verzehren. So würde Luzifer sein, wäre der stolze Geist zur Gesellschaft seelenloser, langweiliger Geister verbannt.
Wäre er nicht ein so entsetzlicher Mensch, ich könnte zuweilen Mitleid mit ihm haben, wie zum Beispiel vor drei Tagen, als ich morgens überraschend in seine Kajüte trat, um die Wasserflasche zu füllen.
Er sah mich nicht. Sein Kopf war in den Händen vergraben, seine Schultern zuckten krampfhaft, und als ich mich leise zurückzog, hörte ich ihn stöhnen: „Gott! Ach Gott!" Nicht etwa, daß er Gott angerufen hätte, es war ein Wort, das an niemand gerichtet war, ihm aber aus tiefster Seele kam.
Bei Tisch fragte er die Jäger nach einem Mittel gegen Kopfschmerzen, und abends taumelte er halb blind in der Kajüte herum. „Ich bin nie in meinem Leben krank gewesen, Hump", sagte er, als ich ihm in seine Koje half. „Und ich habe auch noch nie Kopfschmerzen gehabt, außer in der Zeit, als mein Kopf heilte, nachdem ich mir aus Unvorsichtigkeit ein großes Loch mit dem Ankerspill hineingeschlagen hatte."
Drei Tage dauerten die entsetzlichen Kopfschmerzen, und er litt, wie ein wildes Tier leidet und wie man auf diesem Schiff zu leiden scheint: klaglos, mitleidlos, ganz allein.
Als ich aber heute morgen seine Kajüte betrat, um sein Bett zu machen und aufzuräumen, fand ich ihn wohlauf und mitten in der Arbeit. Tisch und Koje waren mit Plänen und Berechnungen übersät. Mit Zirkel und Winkel zeichnete er eine Skala auf einen großen Bogen Pauspapier.
„Hallo, Hump!" begrüßte er mich heiter. „Ich mache gerade die letzten Striche. Wollen Sie sehen?"
„Was ist das?" fragte ich.
„Eine Anleitung für Seeleute, die Zeit erspart und Navigieren zu einem Kinderspiel macht", antwortete er heiter. „Von heute an ist jedes Kind imstande, ein Schiff zu steuern. Keine verwickelten Berechnungen mehr! Alles, was man braucht, ist ein Stern am Himmel in dunkler Nacht, um sofort zu wissen, wo man ist. Sehen Sie, ich lege die Papierskala auf diese Sternkarte und lasse sie sich um den Nordpol drehen. Auf der Skala habe ich die absoluten Höhenkreise und die Peilungslinien verzeichnet. Ich habe nichts weiter zu tun, als sie auf einen bestimmten Stern einzustellen, die Skala zu drehen, bis sie sich den Zahlen unten auf der Karte gerade gegenüber befindet, und: eins, zwei, drei! Da haben wir die genaue Lage des Schiffes!"
In seiner Stimme war ein triumphierender Klang, und seine Augen, die an diesem Morgen klar und blau wie die See waren, funkelten.
„Sie müssen viel von Mathematik verstehen", sagte ich. „Wo sind Sie zur Schule gegangen?"
„Ich hab nie eine Schule von innen gesehen - leider. Hab alles selbst ausgraben müssen. Und warum, glauben Sie, hab ich diese Sache hier gemacht?" fragte er unvermittelt. „In der Hoffnung, meine Spur im Sande der Zeit zu hinterlassen?" Er lachte sein schreckliches, höhnisches Lachen. „Keineswegs. Ich will es mir patentieren lassen und Geld damit verdienen, um die Nächte zu durchprassen, während andere arbeiten. Das ist meine Absicht. Aber die Geschichte hat mir auch Freude gemacht."
„Schaffensfreude", bemerkte ich.
„So müßte es wohl heißen. Wieder eine Ausdrucksweise für die Freude des Lebens, weil es lebt und wirkt, für den Triumph der Bewegung über die Materie, des Lebendigen über das Tote, für den Stolz der Hefe, weil sie Hefe ist und kriecht."
Ich hob die Hände in hilflosem Protest gegen seinen eingewurzelten Materialismus und machte mich daran, die Koje in Ordnung zu bringen. Er fuhr fort, Linien und Ziffern auf die transparente Skala zu zeichnen. Es war eine Aufgabe, die äußerste Genauigkeit erforderte, und ich mußte bewundern, wie er seine Kraft zügelte und der nötigen Feinheit und Aufmerksamkeit anpaßte.
Als ich das Bett gemacht hatte, überraschte ich mich dabei, wie ich ihn fasziniert ansah. Er war sicher schön - schön als Mann. Und immer wieder wunderte ich mich, daß sein Antlitz nicht die Spur von Verderbnis oder Lasterhaftigkeit zeigte. Es war das Gesicht eines Mannes, der kein Unrecht tat. Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ich meine, es war das Gesicht eines Mannes, der nichts tat, was er nicht vor seinem Gewissen verantworten konnte, oder - der überhaupt kein Gewissen hatte. Ich neige dazu, letzteres zu glauben. Er war ein prachtvoller Atavismus, ein Mensch, so primitiv, wie die Welt ihn vor Entwicklung der Moral gesehen. Er war nicht unmoralisch, sondern einfach nur ohne Moral.
Wie gesagt,