Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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Spur in den Wolken hoch,

       Über die unergründliche Bläue.

       Durch Licht und Dunkel folg ich der Spur

       Des Schiffes wie ein Hund.

       Morgens und mittags und mitternachts

       Blas ich die Segel ihm rund.

      Manchmal glaube ich, daß Wolf Larsen verrückt oder doch wenigstens nicht ganz richtig ist wegen seiner seltsamen Launen und Grillen. Dann wieder halte ich ihn für einen großen Menschen, für ein Genie, das sein Ziel verfehlt hat. Und schließlich bin ich überzeugt, daß er der Urtyp des primitiven Menschen ist, Jahrtausende zu spät geboren. Sicherlich ist er ein ausgesprochener Ideenmensch. Und dazu ist er sehr einsam.

      Seine gewaltige Männlichkeit und Geisteskraft verleihen ihm eine Sonderstellung. Es besteht keine geistige Gemeinschaft zwischen ihm und den anderen Männern an Bord. Um einen seiner Hinfalle zu zeigen, will ich erzählen, was Thomas Mugridge in der Kajüte zustieß. Ich vervollständige damit gleichzeitig den Bericht über die Angelegenheit, die ich schon zweimal berührt habe. Eines Tages, gleich nach dem Essen, als ich eben mit dem Abwaschen fertig war, kamen Wolf Larsen und Thomas Mugridge die Treppe herunter. Sonst wagte sich der Koch nicht in die Kajüte. War er dazu gezwungen, um zu seiner Koje zu gelangen, so flitzte er wie ein furchtsames Gespenst hindurch.

      „So, du kannst also, Nap' spielen!" sagte Wolf Larsen vergnügt. „Ich hätte mir denken können, daß ein Engländer das Spiel kennt. Ich hab es selbst auf englischen Schiffen gelernt."

      Thomas Mugridge war außer sich vor Freude, daß er sich an einen Tisch mit dem Kapitän setzen durfte. Sein Dünkel und seine peinlichen Anstrengungen, sich die ungezwungene Haltung eines Mannes zu geben, der von Geburt für einen würdigen Platz im Leben ausersehen ist, würden ekelerregend gewesen sein, hätten sie nicht so lächerlich gewirkt. Meine Gegenwart ignorierte er völlig, wobei ich ihm jedoch zugute halten will, daß er einfach nicht imstande war, mich zu sehen. Seine blassen, wäßrigen Augen schwammen in Verzückung, wenn mir auch unerfindlich war, was für selige Visionen er haben mochte.

      „Hol die Karten, Hump!" befahl Wolf Larsen, als sie am Tisch Platz nahmen. „Und bring Zigarren und Whiskey aus meiner Koje."

      Als ich wiederkam, hörte ich gerade, wie der Cockney sich in Andeutungen erging, daß ein Geheimnis über ihm läge: Er sei sicher der Sohn eines vornehmen Herrn, und er bekäme Geld, wogegen er sich hätte verpflichten müssen, England nicht wieder zu betreten. „Schönes Geld, Herr", drückte er sich aus, „schönes Geld, damit ich mich packe und wegbleibe."

      Ich hatte die gewohnten Schnapsgläser gebracht, aber Wolf Larsen runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und gab mir einen Wink, daß ich Wassergläser bringen sollte. Ich füllte sie zu zwei Drittel mit unvermischtem Whiskey - „ein Gentlemangetränk", sagte Thomas Mugridge -, sie stießen auf gutes Spiel an, steckten sich Zigarren an und begannen dann, die Karten zu mischen und auszuteilen.

      Sie spielten um Geld. Sie erhöhten die Einsätze. Sie tranken Whiskey und leerten die Gläser, und ich holte mehr. Ich weiß nicht, ob Wolf Larsen betrog oder nicht - er wäre sicher fähig dazu gewesen -, aber jedenfalls gewann er andauernd. Der Koch machte wiederholt einen Abstecher nach seiner Koje, um Geld zu holen. Jedesmal schwankte er mehr, brachte aber immer nur einige wenige Dollar auf einmal. Er wurde sentimental, vertraulich, konnte kaum noch die Karten sehen und aufrecht sitzen. Als er den nächsten Ausflug nach seiner Koje antrat, hakte er Wolf Larsen seinen fettigen Zeigefinger ins Knopfloch und wiederholte mehrmals ausdruckslos: „Ich kriege Geld, ich kriege Geld, sag ich Ihnen. Ich bin der Sohn eines feinen Herrn."

      Schließlich setzte der Koch unter der Beteuerung, er könne verlieren wie ein Gentleman, sein letztes Geld und verlor. Worauf er den Kopf auf die Hände sinken ließ und weinte. Wolf Larsen betrachtete ihn neugierig, als dächte er daran, ihn zu vivisezieren, änderte jedoch seine Absicht, nachdem er zu der Erkenntnis gekommen, daß eine Untersuchung hier ergebnislos bleiben müsse. „Hump", sagte er mit vollendeter Höflichkeit zu mir, „wollen Sie die Freundlichkeit haben, Herrn Mugridges Arm zu nehmen und ihm an Deck zu helfen. Er fühlt sich nicht ganz wohl. Und sagen Sie Johansen, daß er ihn mit ein paar Pützen Seewasser duschen soll", fügte er leise hinzu, so daß nur ich es hören konnte.

      Ich überließ Herrn Mugridge an Deck den Händen einiger grinsender Matrosen, die Johansen zu diesem Zwecke gerufen hatte. Herr Mugridge faselte immer noch davon, daß er der Sohn eines vornehmen Herrn sei. Als ich jedoch die Kajütstreppe hinabstieg, um den Tisch abzuräumen, hörte ich ihn kreischen; der erste Guß hatte ihn getroffen.

      Wolf Larsen zählte seinen Gewinn. „Genau hundertfünfundachtzig Dollar!" sagte er laut. „Gerade wie ich mir dachte. Der Lump kam ohne einen Pfennig an Bord."

      „Und Ihr Gewinn gehört mir, Herr", sagte ich beherzt.

      Er beehrte mich mit einem spöttischen Lächeln. „Ich habe mich seinerzeit ein wenig mit Grammatik beschäftigt, Hump, und ich glaube, Sie bringen die Zeiten durcheinander., Hat mir gehört', hätten Sie sagen sollen."

      „Hier ist nicht die Rede von Grammatik, sondern von Moral", erwiderte ich.

      Er ließ eine Weile verstreichen, ehe er sprach. „Wissen Sie, Hump", sagte er bedächtig und mit einem rätselhaften Klang von Traurigkeit in der Stimme, „wissen Sie, daß dies das erste Mal ist, daß ich auf diesem Schiff das Wort Moral aus dem Munde eines Mannes höre? Und Sie und ich sind die einzigen an Bord, die die Bedeutung dieses Wortes kennen. Es gab eine Zeit in meinem Leben", fuhr er nach einer Pause fort, „da ich davon träumte, mit Männern sprechen zu dürfen, die eine solche Sprache redeten, mich aus der Lebensstellung, in der ich geboren, emporzuheben und Umgang zu pflegen mit Menschen, die über Dinge wie Moral sprachen. Es ist das erste Mal, daß ich dies Wort aussprechen höre. Aber das nur nebenbei! Sie haben unrecht! Dies hat weder etwas mit Grammatik noch mit Moral zu tun, es handelt sich einfach um eine Tatsache."

      „Ich verstehe", sagte ich. „Um die Tatsache, daß Sie jetzt das Geld haben."

      Seine Züge erhellten sich. Meine schnelle Auffassung schien ihm zu gefallen.

      „Aber wir umgehen die eigentliche Frage", fuhr ich fort, „die des Rechtes."

      „Ach!" bemerkte er und zog den Mund schief. „Ich sehe, Sie glauben noch an so etwas wie Recht und Unrecht."

      „Glauben Sie denn nicht daran? Gar nicht?" fragte ich.

      „Nicht die Spur. Macht ist Recht, das ist alles, was darüber zu sagen ist. Schwäche ist Unrecht. Es ist gut für einen Menschen, wenn er stark, schlecht für ihn, wenn er schwach ist - oder noch besser, es ist angenehm, stark zu sein, weil man Vorteil davon hat, es ist peinlich, schwach zu sein, weil es Verlust bedeutet. Der Besitz dieses Geldes ist etwas Schönes. Sein Besitz ist angenehm. Und da ich die Möglichkeit habe, es zu besitzen, wäre es ein Unrecht gegen mich selbst, wenn ich es Ihnen gäbe und mich des Vergnügens, es zu besitzen, beraubte."

      „Aber Sie begehen ein Unrecht gegen mich, wenn Sie es behalten", wandte ich ein.

      „Keineswegs. Ein Mensch kann kein Unrecht gegen den andern begehen. Nur gegen sich selbst. Von meinem Standpunkt aus tue ich stets ein Unrecht, wenn ich die Interessen anderer beachte. Verstehen Sie? Wie kann ein Stückchen Ferment dem andern Unrecht tun, wenn es dasselbe zu verschlingen sucht? Der Drang, zu verschlingen und sich selbst gegen das Verschlungenwerden zu wehren, ist ihm angeboren. Unterdrücken Sie diesen Drang, so sündigen Sie."

      „Sie

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