Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Das war die klare Frage. Die Kinnladen hörten zu arbeiten auf, die Ohren bewegten sich nicht mehr, und wenn auch die Augen weiter auf den Tellern haftenblieben, lauschte doch jeder begierig auf die Antwort.
„In vier Monaten, vielleicht auch in dreien, wenn die Jagdzeit früh vorüber ist", sagte Wolf Larsen. Sie schnappte nach Luft und stammelte: „Ich - ich dachte - man ließ mich in dem Glauben, daß Yokohama nur eine Tagereise entfernt sei. Das..."
Sie machte eine Pause und blickte von einem auf das andere dieser unsympathischen Gesichter im Kreise, die fest auf ihre Teller starrten. „Das kann nicht richtig sein", schloß sie.
„Das ist eine Frage, die Sie mit Herrn van Weyden abmachen müssen", erwiderte er, indem er mir augenzwinkernd zunickte. „Herr van Weyden ist so etwas wie eine Autorität in Fragen des Rechtes. Ich bin nur ein einfacher Seemann und sehe die Situation daher etwas anders an. Für Sie mag es vielleicht ein Unglück sein, daß Sie hierbleiben müssen, aber für uns ist es sicher ein Glück."
Er sah sie lächelnd an. Ihre Augen senkten sich vor seinem Blick, aber sie hob sie wieder trotzig zu den meinen. „Was meinen Sie?" fragte sie.
„Daß es schlimm wäre, namentlich wenn Sie Verpflichtungen für die nächsten Monate übernommen hätten. Da Sie aber, wie Sie sagen, lediglich aus Gesundheitsrücksichten nach Japan reisen wollten, kann ich Ihnen versichern, daß Sie sich nirgends besser erholen können als an Bord der Ghost." Ich sah ihre Augen unwillig aufblitzen, und diesmal senkte ich den Blick und fühlte, daß ich unter dem ihren errötete. Ich war feige, aber was hätte ich tun sollen?
„Herr van Weyden ist eine Autorität auf diesem Gebiete", meinte Wolf Larsen lachend.
Ich nickte, und sie blickte mich, jetzt wieder beherrscht, erwartungsvoll an.
„Nicht, daß er gerade schon damit prahlen könnte", fuhr Wolf Larsen fort, „aber er hat sich prachtvoll erholt. Sie hätten ihn sehen sollen, als er an Bord kam. Ein jämmerlicheres Exemplar der Gattung Mensch hätte man schwerlich finden können. Stimmt das, Kerfoot?"
Kerfoot war bei dieser direkten Anrede so bestürzt, daß er das Messer zu Boden fallen ließ, aber es gelang ihm, zustimmend zu grunzen.
„Hat sich herausgemacht durch Kartoffelschälen und Tellerwaschen, was, Kerfoot?" Wieder grunzte der gute Mann.
„Und schauen Sie ihn sich jetzt an! Er ist zwar nicht das, was man muskulös nennt, aber er hat doch Muskeln, und das konnte man nicht von ihm sagen, als er an Bord kam. Und dazu hat er gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn Sie ihn jetzt sehen, glauben Sie es vielleicht nicht, aber im Anfang war er ganz außerstande dazu."
Ich war zornig auf Wolf Larsen. Mit seinen geringschätzigen Bemerkungen forderte er meine Männlichkeit, forderte er die Selbständigkeit heraus, die er mir verschafft hatte. „Ich habe vielleicht gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen", entgegnete ich, „aber noch nicht, auf die anderer zu treten."
Er warf mir einen höhnischen Blick zu. „Dann ist Ihre Erziehung erst halb vollendet", sagte er trocken und wandte sich wieder an sie. „Wir sind sehr gastfreundlich auf der Ghost. Herr van Weyden kann das bestätigen. Wir tun alles, um es unseren Gästen so angenehm wie möglich zu machen, nicht wahr, Herr van Weyden?"
„Ja, bis zum Kartoffelschälen und
Tellerwaschen", antwortete ich, „gar nicht davon zu reden, daß einem aus lauter Freundschaft der Hals umgedreht wird."
„Ich bitte Sie, sich durch Herrn van Weyden keine falschen Vorstellungen zu machen", legte er sich mit angenommener Ängstlichkeit dazwischen. „Sie werden bemerkt haben, Fräulein Brewster, daß er ein Messer im Gürtel trägt, etwas - hm - etwas Ungewöhnliches für einen Schiffsoffizier. Herr van Weyden ist zwar sehr ehrenwert, aber, wie soll ich sagen, ein wenig streitsüchtig und gebraucht scharfe Mittel. In ruhigen Augenblicken ist er ganz vernünftig und umgänglich, und da er jetzt ruhig ist, wird er nicht leugnen, daß er mir gestern an den Kragen wollte."
Ich wollte vor Wut ersticken, und meine Augen schossen Blitze.
„Schauen Sie ihn jetzt an", fuhr er fort. „Er kann sich kaum in Ihrer Gegenwart beherrschen. Er dürfte nicht gewohnt sein, sich in Gesellschaft von Damen zu bewegen. Ich werde mich bewaffnen müssen, ehe ich wagen kann, mit ihm an Deck zu gehen." Er schüttelte traurig den Kopf und murmelte: „Schlimm, schlimm!", während die Jäger in schallendes Gelächter ausbrachen.
Die rauhen Stimmen dieser Seebären hallten polternd und brüllend in dem engen Raum wider und hatten eine merkwürdige Wirkung. Die ganze Umgebung war wild und unheimlich, und als ich nun diese fremde Frau betrachtete und mir vorstellte, wie wenig sie hier hereinpaßte, wurde mir zum erstenmal klar, wie sehr ich dieser Umgebung selbst schon angehörte.
Ich kannte diese Männer und ihr Seelenleben, ich war einer der ihren, lebte das Leben, aß die Kost und dachte die Gedanken der Robbenfänger. Für mich war nichts Merkwürdiges mehr an ihren rauhen Kleidern, ihren gemeinen Gesichtern, dem wilden Gelächter, an den schwankenden Kajütenwänden oder den schwingenden Schiffslampen.
Als ich mir ein Stück Butterbrot schmierte, fiel mein Blick zufällig auf meine Hände. Die Knöchel waren aufgeschürft und entzündet, die Finger geschwollen, die Nägel schwarzrandig. Ich fühlte die dichten Bartstoppeln auf meinem Halse und wußte, daß ein Ärmel meiner Jacke zerrissen war und ein Knopf an meinem blauen Hemd fehlte. Das Messer, das Wolf Larsen erwähnt hatte, hing in einer Scheide an meiner Hüfte. Es war sehr natürlich, daß es dort hing - wie natürlich, war mir nicht aufgefallen, bis ich es jetzt mit ihren Augen ansah und mir bewußt wurde, wie seltsam ihr dies und alles andere vorkommen mußte.
Aber sie erriet den Spott in Wolf Larsens Worten und sandte mir einen mitleidigen Blick zu. Gleichzeitig las ich jedoch Bestürzung in ihren Augen. Seine Neckereien machten die Situation nur noch verwirrender für sie.
„Ein vorbeifahrendes Schiff kann mich vielleicht aufnehmen", schlug sie vor.
„Es gibt keine vorbeifahrenden Schiffe außer anderen Robbenschonern", gab Wolf Larsen zur Antwort.
„Ich habe keine Kleider, nichts", wandte sie ein. „Sie denken sicher nicht daran, daß ich kein Mann und das unstete Leben, das Sie und Ihre Leute führen, nicht gewohnt bin."
„Je eher Sie sich daran gewöhnen, desto besser", sagte er. „Ich werde Sie mit Stoff, Nadel und Faden versehen", fügte er hinzu. „Ich hoffe, es wird Ihnen nicht allzuviel Mühe machen, sich ein oder zwei Kleider zu nähen."
Sie verzog den Mund, um ihre Unerfahrenheit im Schneidern kundzutun. Daß sie ängstlich und verwirrt war und tapfer versuchte, es zu verbergen, war mir ganz klar.
„Ich nehme an, daß Sie ebenso wie Herr van Weyden dort gewohnt sind, alles durch andere für sich tun zu lassen. Nun, ich denke, Ihnen wird kein Stein aus der Krone fallen, wenn Sie einmal selbst etwas für sich tun müssen. Womit erwerben Sie sich übrigens Ihren Unterhalt?"
Sie sah ihn mit unverhohlenem Erstaunen an.
„Ich will Sie nicht beleidigen, glauben Sie mir. Man ißt, daher muß man arbeiten. Diese Männer hier schießen Robben, um zu leben; aus demselben Grunde führe ich diesen Schoner, und Herr van Weyden verdient sich, wenigstens jetzt, sein Brot, indem er mir hilft. Nun, und was tun Sie?"