Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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ihrer Stimme lag eine Frage, und sie sah mich anklagend an, als ob ich schuldig oder doch wenigstens mitschuldig an der Tat wäre.

      „Das ist ganz richtig", antwortete ich. „Die beiden Männer wurden ermordet."

      „Und Sie haben das zugelassen?" rief sie. „Ich war nicht imstande, es zu verhindern, so muß es wohl heißen", entgegnete ich, immer noch sanft.

      „Aber haben Sie wenigstens den Versuch gemacht, es zu verhindern?" Sie legte den Ton auf das Wort „Versuch", und ein flehender Klang war in ihrer Stimme. „Ach, Sie haben es nicht getan", fuhr sie fort, da sie meine Antwort erriet... „Aber warum nicht? "

      Ich zuckte die Achseln. „Sie dürfen nicht vergessen, Fräulein Brewster, daß Sie ein neuer Bewohner dieser kleinen Welt sind und noch nicht die Gesetze, die hier herrschen, verstehen. Sie haben gewiß edle Begriffe von Menschlichkeit, Benehmen und ähnlichem mitgebracht, aber Sie werden bald erkennen, daß das alles hier keine Geltung hat. Mir ging es ebenso", fügte ich, unwillkürlich seufzend, hinzu. Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

      „Was würden Sie mir denn raten?" fragte ich. „Soll ich ein Messer, ein Gewehr oder eine Axt nehmen und diesen Mann töten?"

      Sie wich zurück. „Nein, das nicht!" „Was sollte ich sonst tun? Mich selbst töten?" „Sie betrachten die Dinge von einem rein materiellen Standpunkt", hielt sie mir entgegen. „Es gibt einen sittlichen Mut, und ein solcher sittlicher Mut ist nie wirkungslos." „Ach", lächelte ich, „ich soll weder ihn noch mich töten, sondern mich von ihm töten lassen." Sie wollte sprechen, aber ich hob die Hand. „Sittlicher Mut ist etwas ganz Wertloses auf dieser schwimmenden kleinen Welt. Leach, der eine der beiden Ermordeten, besaß sittlichen Mut in außergewöhnlich hohem Maße. Ebenso der andere, Johnson. Er hat ihnen nicht nur nichts genützt, er hat sie sogar vernichtet. Und so würde es mir auch geschehen, wenn ich das bißchen sittlichen Mut, das ich besitze, gebrauchen wollte."

      Sie schwieg, wartete offenbar, daß ich fortfahren sollte.

      „Was soll ich noch sagen? Mir ist die Rolle des Schwachen zugeteilt. Ich schweige und erdulde die Schmach, wie auch Sie schweigen und dulden werden. Das ist das Beste, was wir tun können, wenn wir am Leben bleiben wollen. Der Kampf entscheidet sich nicht stets für den Starken. Wir haben nicht die Kraft, mit diesem Manne zu kämpfen. Wir müssen heucheln, und wenn wir gewinnen, tun wir es durch Verschlagenheit. Wenn Sie sich von mir raten lassen wollen, so richten Sie sich hiernach."

      Sie strich sich mit der Hand über die Stirn und sagte verwirrt: „Es ist mir immer noch unverständlich."

      „Sie müssen tun, wie ich sage", unterbrach ich sie gebieterisch, denn ich sah, wie Wolf Larsens Blick uns traf, während er mit Latimer mittschiffs auf und ab wanderte. „Tun Sie, wie ich sage, und Sie werden bald sehen, daß ich recht habe."

      „Was soll ich denn tun? " fragte sie, durchdrungen von dem Ernst meiner Worte.

      „Lassen Sie alle Ihre Begriffe von sittlichem Mut fahren", sagte ich rasch. „Reizen Sie nicht den Zorn dieses Mannes. Seien Sie ganz freundlich zu ihm, sprechen Sie mit ihm, streiten Sie sich mit ihm über Literatur und Kunst - er liebt diese Dinge. Sie werden in ihm einen aufmerksamen, verständnisvollen Zuhörer finden."

      „Ich soll also lügen", sagte sie fest und mit Empörung in der Stimme. „Lügen in Wort und Tat."

      Wolf Larsen hatte Latimer stehenlassen und kam auf uns zu. Ich erschrak tief.

      „Bitte, bitte, mißverstehen Sie mich nicht", sagte ich rasch, indem ich die Stimme senkte. „Alle Ihre Menschenkenntnis, alle Ihre Erfahrungen sind hier wertlos. Sie müssen ganz umlernen."

      In diesem Augenblick trat Wolf Larsen zu uns auf die Achterhütte. „Herr van Weyden, Sie sollten sich nach Köchlein umsehen. Er klagt und ist unruhig."

      So wurde ich auf recht derbe Weise von der Achterhütte weggeschickt, und nur, um Mugridge in tiefem Schlummer zu finden nach dem Morphium, das ich ihm gegeben hatte. Ich beeilte mich nicht, wieder an Deck zu kommen, als ich es aber schließlich tat, sah ich zu meiner Freude Fräulein Brewster in angeregter Unterhaltung mit Wolf Larsen. Wie gesagt, freute ich mich über diesen Anblick. Sie befolgte also meinen Rat. Und doch durchzuckte mich ein leichter Schmerz, als ich sah, daß sie tat, um was ich sie gebeten hatte und was sie vorhin mit Abscheu von sich gewiesen hatte.

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Günstige Winde trieben die Ghost schnell nordwärts in die Robbengründe. Wir trafen die Herden auf dem 44. Breitengrad in einer rauhen, stürmischen See, über die der Wind die Nebelbänke in wilder Flucht hetzte. Tagelang konnten wir nicht die Sonne sehen und keine Beobachtungen machen. Dann aber fegte der Wind die Oberfläche des Ozeans rein, die Wellen kräuselten sich schimmernd, und wir konnten feststellen, wo wir waren. Ein klarer Tag, auch drei oder vier konnten folgen, dann senkte sich der Nebel wieder auf uns herab, anscheinend dichter als je. Die Jagd war gefährlich, aber dennoch wurden die Boote Tag für Tag hinuntergelassen, von der grauen Finsternis verschlungen und erst bei herabsinkender Nacht, ja oft erst viel später wieder gesehen. Wie Seegespenster huschten sie dann eines nach dem andern aus dem Grau hervor. Wainwright - der Jäger, den Wolf Larsen mit Boot und Mannschaft gestohlen hatte - benutzte den Nebel, um zu entwischen. Er verschwand eines Morgens mit seinen beiden Leuten in den kreisenden Schwaden, und wir sahen sie nie wieder. Nach einigen Tagen erfuhren wir jedoch, daß sie von einem Schoner zum andern gegangen waren, bis sie endlich ihren eigenen wiedergefunden hatten. Das hatte ich selbst schon längst tun wollen, aber es bot sich mir nie eine Gelegenheit. Es war nicht Sache des Steuermanns, mit in die Boote zu gehen, und welche List ich auch anwandte, gab Wolf Larsen mir doch nie die Erlaubnis dazu. Hätte er es getan, so würde ich irgendwie versucht haben, Fräulein Brewster mitzunehmen. Näherten sich die Dinge doch einem Stadium, an das zu denken mir Grauen einflößte.

      Ich hatte früher Seegeschichten gelesen, in denen die einsame Frau unter einer Schar von Männern als das Natürlichste von der Welt vorkam; jetzt aber erfuhr ich, daß ich nie die tiefere Bedeutung dieser Situation erfaßt hatte. Und hier stand ich dieser Situation nun von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Um sie so lebendig wie möglich zu gestalten, brauchte es nur, daß die Frau Maud Brewster war.

      Kein größerer Gegensatz als der zwischen ihr und ihrer Umgebung hätte je ersonnen werden können. Sie war zart und ätherisch, geschmeidig und mit leichten, anmutigen Bewegungen. Ich hatte nie das Gefühl, als ob sie schritte oder es doch wenigstens nach Art gewöhnlicher Sterblicher täte. Eine seltene Leichtigkeit lag über ihr, und sie bewegte sich mit einer unbeschreiblichen Anmut. Sie war wie ein Gegenstand aus Meißener Porzellan, und immer wieder beeindruckte mich ihre Zerbrechlichkeit. Ihr Körper schien ein Teil ihrer Seele zu sein, schien die gleichen Eigenschaften zu besitzen und an das Leben nur durch die zartesten Ketten gefesselt zu sein. In der Tat: Sie trat leicht über diese Erde, und nur ein Geringes von grobem Sande haftete ihr an.

      Wolf Larsen bildete einen schreienden Gegensatz zu ihr. Ich beobachtete sie, wie sie eines Morgens zusammen über das Deck schritten, und ich verglich sie als die äußeren Endpunkte der menschlichen Entwicklung - er der Höhepunkt aller Barbarei, sie das vollendetste Produkt höchster Zivilisation.

      Sie kamen in die Nähe der Kajütstreppe, wo ich stand. Obgleich sie es durch kein äußeres Zeichen verriet, spürte ich doch, daß sie sich in großer Erregung befand. Sie machte eine nichtssagende Bemerkung, blickte mich an und lachte unbekümmert, dann aber sah ich, wie ihre Augen unwillkürlich, wie fasziniert, die seinen suchten; sie senkte sie wieder,

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