Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон

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Kehle durchgeschnitten wird?" fragte sie überrascht und mit kleidsamer Naivität.

      „Wenn einem der Geldbeutel abgeschnitten wird", antwortete er. „Die Menschen sind heutzutage so eingerichtet, daß ihre Lebensfähigkeit durch den Inhalt ihres Geldbeutels bestimmt wird."

      „Wer mir den Geldbeutel stiehlt, stiehlt wertlosen Plunder", zitierte sie.

      „Wer mir den Geldbeutel stiehlt, stiehlt mir das Recht zu leben", lautete seine Antwort. „Trotz aller Sprichwörter! Denn wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt mir mein Brot, mein Fleisch, mein Bett und gefährdet daher mein Leben."

      „Aber ich kann nicht einsehen, wieso der Dampfer Absichten auf Ihren Geldbeutel haben sollte."

      „Warten Sie nur ab, dann werden Sie es schon sehen", erwiderte er grimmig.

      Wir brauchten nicht lange zu warten. Als die Macedonia mehrere Meilen jenseits unserer Bootslinie war, begann sie, Boote auszusetzen. Wir wußten, daß sie vierzehn gegen unsere fünf hatte (eines war uns durch die Flucht Wainwrights abhanden gekommen), und sie begann damit weit in Lee unseres äußersten Bootes, kreuzte unsern Kurs und endete weit in Luv unseres ersten Luvbootes. Damit war die Jagd für uns verdorben. Hinter uns gab es keine Robben, und vor uns fegte die Linie der vierzehn Boote wie ein ungeheurer Besen die Herde vor sich hin.

      Unsere Boote jagten über die paar Meilen zwischen der Macedonia und ihren Booten und gingen dann zurück. Der Wind flüsterte nur noch leise, das Meer wurde immer ruhiger, und alles dies im Verein mit der großen Robbenherde machte den Tag zur Jagd wie geschaffen - es war einer der zwei oder drei ganz besonders bevorzugten Tage, die man in einer glücklichen Jagdsaison erwarten darf. Eine Schar zorniger Menschen, Ruderer, Steuermänner und Jäger, kletterte über die Reling. Jeder einzelne fühlte sich beraubt, und die Boote wurden unter Flüchen eingeholt, die Tod Larsen in alle Ewigkeit abgetan haben würden, wenn Flüche wirkliche Macht besäßen.

      „Tod und Verdammnis für ein Dutzend Ewigkeiten", erklärte Louis und zwinkerte mir zu, als er sein Boot hochgeheißt und festgezurrt hatte.

      „Hören Sie sie an, und sagen Sie selbst, ob es schwer ist, den Lebensnerv ihrer Seele herauszufinden", sagte Wolf Larsen. „Treue und Liebe? Hohe Ideale? Das Gute? Das Schöne? Das Wahre?"

      „Ihr angeborener Sinn für Gerechtigkeit ist gekränkt", mischte Maud Brewster sich in die Unterhaltung.

      „Sie sind sentimental", höhnte er, „ebenso sentimental wie Herr van Weyden. Die Leute fluchen, weil ihre Wünsche durchkreuzt sind. Das ist alles. Was sie wünschen? Gutes Essen und weiche Betten, wenn sie an Land kommen, und eine gute Löhnung."

      „Sie benehmen sich doch nicht so, als ob es Ihren Beutel betroffen hätte", meinte sie lächelnd.

      „Kann sein, daß ich mich anders benehme, denn es hat sowohl meinen Beutel wie meine Seele betroffen. Bei den derzeitigen Fellpreisen auf dem Londoner Markt und einer ungefähren Schätzung, was wir heute nachmittag gefangen hätten, wenn die Macedonia es uns nicht weggeschnappt hätte, hat die Ghost etwa tausendfünfhundert Dollar eingebüßt."

      „Und das sagen Sie so ruhig -", begann sie.

      „Aber ich bin nicht ruhig; ich könnte den Mann töten, der mich beraubt hat", unterbrach er sie. „Ja, ja, ich weiß, dieser Mann ist mein Bruder - wieder die alte Sentimentalität! Pah!" Sein Gesicht veränderte sich plötzlich. Seine Stimme klang weniger barsch und ganz aufrichtig, als er jetzt sagte: „Ihr müßt glücklich sein mit eurer Sentimentalität, wahrhaft glücklich, weil ihr vom Guten träumt und das Gute findet und deshalb selbst gut seid. Aber sagt, ihr beiden, findet ihr mich gut?"

      „Sie sind gewissermaßen gut anzuschauen", urteilte ich.

      „In Ihnen liegen alle Kräfte für das Gute", lautete die Antwort Maud Brewsters.

      „Da haben wir's!" rief er ärgerlich. „Leere Worte! Euer Gedanke, den ihr da aussprecht, ist unklar, unscharf und unbestimmt! Es ist in Wirklichkeit gar kein Gedanke. Es ist ein Gefühl, eine Empfindung, auf Illusionen aufgebaut, und entspringt nicht im geringsten eurem Intellekt."

      Während er sprach, wurde seine Stimme wieder sanfter, und ein vertraulicher Klang kam in sie. „Wissen Sie, daß ich mich manchmal über dem Wunsch ertappe, auch blind für die Tatsachen des Lebens zu sein und nur seine Phantasien und Illusionen zu kennen? Die sind natürlich falsch, alle falsch und vernunftwidrig; aber jedesmal, wenn ich Angesicht zu Angesicht mit Ihnen stehe, sagt mir meine Vernunft, daß es doch die größte Freude sein muß, zu träumen und in Illusionen zu leben, und wenn sie noch so falsch sind! Und alles in allem ist die Freude ja doch der Lohn des Lebens. Ohne Freude ist das Leben wertloses Tun. Arbeiten und leben ohne Lohn ist schlimmer als tot sein. Wer der größten Freude fähig ist, lebt am stärksten, und eure Träume und Illusionen bereiten euch weniger Unruhe und befriedigen euch mehr als meine Tatsachen." Er schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ich zweifle oft, zweifle an dem Werte der Vernunft. Träume müssen wirklicher und befriedigender sein. Gefühlsmäßige Freude erfüllt mehr und währt länger als verstandesmäßige. Ich beneide Sie, beneide Sie!" Er schwieg, und sein Blick wanderte abwesend über sie hin und verlor sich auf dem ruhigen Meere. Die alte eingefleischte Schwermut senkte sich wieder über ihn, und er überließ sich ihr widerstandslos. Er hatte sich in eine Art Katzenjammer hineingeredet, und wir konnten sicher sein, daß in wenigen Stunden der Teufel in ihm wach würde.

      „Sie waren an Deck, Herr van Weyden", sagte Larsen am nächsten Morgen beim Frühstück. „Wie sieht es aus?"

      „Schön Wetter", antwortete ich und blickte auf den Sonnenschein, der in die Kajüte hereinströmte. „Frische Brise aus West mit der Aussicht auf steifen Wind, wenn man Louis glauben kann."

      Er nickte vergnügt. „Anzeichen von Nebel?"

      „Dichte Bänke in Nord und Nordwest."

      Er nickte wieder, anscheinend mit noch größerer Befriedigung als zuvor. „Was Neues von der Macedonia?"

      „Sie ist nicht zu sehen", antwortete ich.

      Ich hätte schwören mögen, daß sein Gesicht sich bei dieser Nachricht verdüsterte, aber den Grund seiner Enttäuschung konnte ich nicht erraten.

      Ich sollte ihn indessen bald erfahren.

      „Rauch in Sicht!" ertönte es von Deck, und seine Züge erhellten sich wieder.

      „Schön!" rief er aus und stand sofort auf, um sich an Deck und ins Zwischendeck zu begeben, wo die Jäger gerade ihr erstes Frühstück seit ihrer Vertreibung aus der Kajüte einnahmen.

      Maud Brewster und ich berührten kaum die vor uns stehenden Speisen, wir starrten uns in stiller Besorgnis an und lauschten auf die Stimme Wolf Larsens, die gleich darauf das Schott zwischen Zwischendeck und Kajüte durchdrang. Er sprach lange, und seine Schlußworte wurden mit wildem Jubel begrüßt. Das Schott war zu dick, als daß wir ihn hätten verstehen können, was er aber auch gesagt haben mochte, so mußte es doch etwas recht nach dem Herzen der Jäger gewesen sein.

      Aus den Geräuschen an Deck entnahm ich, daß die Matrosen im Begriff waren, die Boote hinabzulassen. Maud Brewster begleitete mich an Deck, aber ich ließ sie an der Achterhütte, von wo sie die Szene beobachten konnte, ohne selbst mitzuspielen.

      Die Matrosen mußten erfahren haben, was bevorstand, denn die Rührigkeit und Arbeitsfreudigkeit, die sie an den Tag legten, zeugten von Begeisterung. Die Jäger erschienen an Deck mit ihren Gewehren und

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